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Nur echt mit Lederjacke und Schiebermütze: Sänger Klaus Meine und Lead-Gitarrist Matthias Jabs in der Mercedes-Benz-Arena.

© imago/Jan Huebner/IMAGO/Daniel Lakomski

Die Scorpions in Berlin: Gib mir ein dreckiges Riff, mein Freund

Die Scorpions zeigen in der Berliner Mercedes-Benz-Arena, dass sie weiter Deutschlands größte Hardrockband sind. Auch nach über 50 Jahren rühren sie ihre Fans noch immer zu Tränen.

Kontrastreicher könnte die Vorband der Scorpions nicht sein. Thundermother bestehen aus vier Powerfrauen in ihren Dreißigern, sie begrüßen das Publikum selbstbewusst mit ihrem Song „Loud and Free“: „We live loud and free / We will not be forgotten“.

Die drei Frontfrauen schwingen die blonden Mähnen im Rhythmus der Musik, ihre dunkelblauen Kostüme erinnern an den Jeans-Trend der 90er und verleihen ihnen einen Hard-Rock-Britney-Look. Mit ihrer Variante des typischen AC/DC-Motörhead-Sounds heizen die Schwedinnen die Mercedes-Benz-Arena ordentlich auf.

Die Scorpions eröffnen ihre Show mit einem gigantischen Banner und fragen das Publikum: „Are you ready to rock“? Als der Vorhang fällt, stimmt Sänger Klaus Meine in die ersten Töne von „Gas In The Tank“ ein. Ein gigantischer schwarzer Skorpion wackelt über eine Leinwand, durchzuckt von Laserstrahlen und Blitzen. Das Stück stammt vom neusten, 2022 erschienenen Album der Scorpions, „Rock Believer“, das ihrer aktuelle Welttournee den Titel gab.

Es ist der Song einer Wiedergeburt, nachdem die Band bereits ihren Abschied verkündet hatte. Übersetzt aus dem Englischen lauten die Kernzeilen: „Lasst uns lauter und härter spielen / Lässig und ein bisschen dunkel / Gib mir ein dreckiges Riff, mein Freund / Es muss mehr Benzin im Tank sein.“ Dass sie noch viel Benzin im Tank haben, beweisen sie an diesem Abend vor fast 17.000 Fans.

Selbst die Gitarre lodert

Besonders Gitarrist und Gründungsmitglied Rudolf Schenker ist trotz seiner 74 Jahre voller Energie. Mit schwarzem Cowboyhut, Sonnenbrille und seiner Gibson Flying-V Gitarre sprintet, hüpft, kniet und tanzt er über die Bühne. Manchmal dreht er sich wild um die eigene Achse oder „macht die Windmühle“, spielt die Gitarre also mit großen, rotierenden Armbewegungen. Zum Ende der Show befestigt er gar eine Nebelmaschine am Horn seines Instruments.

Gitarrist Rudolf Schenker steckt noch immer voller Energie.

© imago/Jan Huebner/IMAGO/Daniel Lakomski

Lead-Gitarrist Matthias Jabs beeindruckt mit präzisem Gitarrenspiel und technischen Kniffen. So spielt er während des Hits „The Zoo“ sein legendäres Solo mithilfe einer Talkbox: ein Effektgerät, das er per Mundstück bedient und den Klang der Gitarre moduliert. Regelmäßig spielen Schenker und Jabs explosive Gitarren-Duette, die demonstrieren, dass sie ihre Instrumente noch immer präzise kontrollieren und ihnen den patentierten Scorpions-Sound entlocken können.

Bassist Paweł Mąciwoda und Schlagzeuger Mikkey Dee erhalten im letzten Drittel der Show ihre Chance zu glänzen. Mąciwoda steht den Großteil des Abends geflissentlich mit wehendem Haar vor einer Windmaschine und spielt seinen Part. Der 56-Jährige erhält seine ihm gebührende Ruhmesminute, als er mit einem geschliffenen Basssolo seine Fähigkeiten demonstriert.

Bassist Pawel Mąciwoda ist das jüngste Mitglied der Scorpions.

© imago/Jan Huebner/IMAGO/Daniel Lakomski

Nur begleitet von Dee treibt er den Beat voran, als würde er in eine Schlacht reiten. Dann zieht er sich zurück, um Mikkey Dee – ehemaliger Drummer von Motörhead – die Bühne für sein Schlagzeugsolo zu überlassen. Mit Lichteffekten und animiertem einarmigem Banditen auf der Leinwand über ihm hält er das Publikum fünf Minuten lang in Bann.

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Klaus Meine teilt die Bühne mit lauter Energiebündeln, mit denen er mithalten muss. Eine Lieblingspose der Scorpions: Die vier Herren stellen sich eng nebeneinander rockend an den vorderen Rand der Bühne. Doch wenn Schenker, Jabs und Mąciwoda sich mit ihren Klampfen in Rockstarpose schmeißen, muss der einen Kopf kleinere Meine mithalten und schnappt sich kurzerhand ein Tamburin, das er schwungvoll bearbeitet. Für „The Zoo“ schnallt Meine sich selbst eine Gitarre um – Gitarren kann man schließlich nie genug auf der Bühne haben.

Stimmlich merkt man Meine seine 74 Jahre streckenweise an. Zu Beginn des Konzerts klingt seine Stimme noch etwas gepresst und nicht so stark wie auf der Platte. Bei „Gas In The Tank“ verzichtet er auf sein Falsett kurz vor dem Gitarrensolo. Auch mit dem Bühnengebaren von Schenker kann Meine nicht Schritt halten. Doch Meine wärmt sich auf und singt im Verlauf des Abends immer kraftvoller.

Warten auf den Wind

Zum Gänsehaut-Moment wird natürlich die Hymne „Wind of Change“. Die ersten Zeilen hat die Band geändert, der Russlandbezug ist gestrichen, jetzt singt Meine: „Now listen to my heart, it says Ukrainia / Waiting for the wind to change“. Vollzogen haben sie die Neuformulierung bereits vor einem Jahr.

In der Mercedes-Benz-Arena zeigt sie ihre Wirkung. Jabs schnallt sich eine blau-gelbe Gitarre um, Schenker spielt akustisch. Das Publikum schwenkt ein Dutzend ukrainische Flaggen. Die Video-Leinwand zeigt singende Fans, die Rosen hochhalten und sich die Tränen aus den Augen wischen. Der Song endet mit einem blau-gelben Friedens-Symbol auf den Bühnenleinwänden. Nach einer Karriere von über fünfzig Jahren ist die Band aus Hannover noch immer in der Lage, ganz große Gefühle hervorzurufen.

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