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Vertrauensverhältnis im Bild.

© Debora Ruppert

„Home Street Home“ in Berlin: Bilder vom Ende der Obdachlosigkeit

Eine Ausstellung mit Bildern von Debora Ruppert im Paul-Löbe-Haus führt Abgeordneten tagtäglich prekäre Lebenswirklichkeiten vor Augen.

Eine Frau mit Irokesenschnitt sitzt lesend auf ihrem Sofa. Ein Mann steht in seiner Küche, trägt einen Schottenrock und kocht. Ein anderer Mann raucht eine Zigarette auf seinem Balkon. Ganz normaler Alltag eben. Oder nicht?

Vermeintlich, denn das war nicht immer so. Was Janita, Ralf-Peter und Jens gemeinsam haben: Alle waren sie obdachlos und haben erst seit kurzem eine eigene Wohnung. Und noch eines verbindet sie: Sie sind Teil der Ausstellung „Home Street Home“ in der Halle des Paul-Löbe-Hauses im Deutschen Bundestag. Die gezeigten Fotoarbeiten von Debora Ruppert geben intime Einblicke in das neue Zuhause von 18 ganz unterschiedlichen Menschen. Einigen der Porträtierten sieht man die Spuren des harten Lebens auf der Straße an, doch alle strahlen große Würde und Stolz aus. Der Fotografin Ruppert ist ein empathischer Kamerablick auf die Personen gelungen, der an die Ästhetik der Ostkreuz-Fotograf:innen erinnert. Die Aufnahmen zeugen von Respekt und Vertrautheit.

Was ich hier zeige, sind keine Happy Ends

Debora Ruppert

Ruppert hat über einen Zeitraum von zehn Monaten 29 ehemalige Obdachlose immer wieder in ihren neuen Domizilen besucht, mit ihnen gesprochen, ein Vertrauensverhältnis aufgebaut, bevor sie ihre Kamera hervorholte. Die Porträtierten bestimmten selbst, was sie von ihrer Wohnung zeigen wollten. Janita etwa wollte nur das Wohnzimmer abgebildet haben, alle anderen Zimmer blieben verschlossen. Julia hingegen stimmte zu, ihr privates Bett und das „Arbeitsbett“, in dem sie ihre Freier empfängt, quasi als Stillleben zu zeigen.

Lebenswelt.

© Debora Ruppert

Mit der Kuratorin Jessica Fritz hat Ruppert dann 18 Lebensgeschichten für die Ausstellung ausgesucht. „Die Auswahl fiel mir außerordentlich schwer. Jede der Begegnungen war prägend.“, erinnert sich Ruppert. „Schließlich haben wir versucht, die Geschlechter paritätisch auszuwählen und ein breites Spektrum abzubilden.“, ergänzt Fritz. So sind auch Paare, Transpersonen und eine Familie unter den Abgebildeten. Ihre Geschichten in Form von Begleittexten und gefilmten Interviews erzählen von Schicksalsschlägen, von schwierigen Familienverhältnissen, Diskriminierung, von Gewalterfahrungen und Missbrauch. Aber sie erzählen auch von Träumen und Wünschen - und Hoffnung. Denn ein Zuhause bietet erst einmal Sicherheit, so der Tenor aller Interviewten.

Die Würde des Menschen: Vom Blick der Fotografin unangetastet.

© Debora Ruppert

Der Wohnungsmangel ist ein großes Problem in Deutschland. Laut Bundesstatistik sind über 262.600 Personen wohnungslos und davon 37.400 obdachlos. In vielen deutschen Städten wird derzeit das Housing First Programm erprobt, das Wohnräume ohne Bedingungen an Obdachlose vergibt. Das ist insofern spektakulär, weil bisherige Hilfsmaßnahmen nach dem Belohnungsprinzip funktionierten: Zuerst Entzug oder Therapie, dann eine Wohnung. Bei Housing First wird nichts dergleichen gefordert. Denn, so der Glaube dahinter, wer einen sicheren Rückzugsort hat, kann danach andere Probleme anpacken. Die Erfolgsquote bestätigt den Ansatz: Zwischen 97 und 100 Prozent der Menschen bleiben dauerhaft in ihrem neuen Zuhause, wie Studien in Berlin belegen.

Rupperts Bilder zeigen keine Happy Ends.

© Debora Ruppert

„Was ich hier zeige, sind aber keine Happy Ends.“, stellt Ruppert klar. Die eigene Wohnung sei ein großer, erster Schritt, aber eben nicht mehr. Die Politik ist gefragt, tiefer greifende Lösungen zu finden. Die Ausstellung ist nicht umsonst im Paul-Löbe-Haus ausgerichtet, unterstützt vom Büro Hanna Steinmüller (MdB, Die Grünen). Hier laufen die Abgeordneten jeden Tag an den Fotos vorbei.

Die Menschen am Rande der Gesellschaft sind mit einem Mal überlebensgroß in Leuchtkästen sichtbar gemacht – und landen idealerweise als Thema auf der Tagesordnung oder werden sogar als Gesprächspartner eingeladen. Die Betroffenen formulieren konkrete Forderungen: mehr ausgebildete und besser bezahlte Sozialarbeiter:innen, mehr Wohnräume durch Bau oder Umnutzung und keine Gefängnisstrafe für wiederholtes Schwarzfahren.

Und wir? Was können wir leisten? Die Betroffenen sagen ganz offen, was sie von uns brauchen: „Geld geben, ohne vorzuschreiben, für was es ausgegeben wird.“ „Schaut nicht weg, sondern hin.“ „Zuhören.“

Schutzräume.

© Debora Ruppert

In den Interviews kommt eine Frage immer wieder vor: Welche Farbe hat Zuhause für dich? Für Danny ist es Orange, weil es an ein wärmendes Lagerfeuer erinnert. Für Rüdiger ist es Rot-Weiß, weil er Fortuna Düsseldorf Fan ist. Für Loredana und Dorel ist es ganz klar grün, weil es für Oase und Hoffnung steht. Auf einer Postkarte sind ihre Farben mit ihrem Wohnungsschlüssel vereint. Besucher:innen können den Porträtierten eine Nachricht hinterlassen. Es gibt ja jetzt eine Adresse.

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