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Ulrike Demmer leitet seit Anfang September der Rundfunk Berlin-Brandenburg.

© obs/Thomas Ernst

Kontroverse um RBB-Staatsvertrag: „Unpraktikabel und bürokratisch“

Weitreichende Vorgaben der Novelle entzweien Politik und RBB. Experten teilen die Bedenken des Senders.

„Wir sind unendlich froh, dass wir den RBB haben und eine unabhängige, faktenbasierte, seriöse Berichterstattung, denn das braucht unsere Demokratie in diesen Zeiten mehr denn je“, sagte Petra Budke, Fraktionsvorsitzende und medienpolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen im Brandenburger Landtag. „Genau darum gehe es der Politik, den Sender mit dem neuen Staatsvertrag zu stärken.“

Diesen Teil des Statements von Petra Budke, die dem Untersuchungsausschuss zur Rechtsaufsicht des Landes zum RBB vorsitzt, dürfte die neue RBB-Intendantin Ulrike Demmer am Mittwochabend auf der Podiumsdiskussion „Nach der Krise: Wie regional, digital und unabhängig muss der RBB sein?“ noch gerne gehört haben.

Bis dann zum Thema Regionalität das große Aber kam. „Wir haben in den vergangenen Jahren wahrgenommen, dass sich der RBB unter der alten Intendantin – gemeint war Skandal-Chefin Patricia Schlesinger – zum Ziel gesetzt hat, ein Hauptstadtsender zu werden. Da fühlten sich viele Brandenburger und Brandenburgerinnen nicht mitgenommen“, erinnerte Budke.

Die Menschen, die fernab der Hauptstadt leben, möchten jedoch ebenfalls, dass ihre Region, ihre Stadt, ihr Dorf mehr im RBB vorkommt. Um dies zu verstärken, fordert die Politik des Bundeslandes unter anderem ein Regionalstudio in Brandenburg an der Havel. Später wird die Grünen-Politikerin noch erwähnen, dass man wie bei anderen Mehrländeranstalten auch auf die Einrichtung eines Landesfunkhauses drängen könne.

Wir sind nicht Hauptstadtsender, sondern Heimatsender – und zwar für die Berliner und die Brandenburger.

Ulrike Demmer, seit Anfang September neue Intendantin des RBB.

Der RBB unter seiner neuen Leitung teilt die Idee mit weiteren Regionalstudios indes nicht. „Ich betrachte regionale Berichterstattung als Daseinsberechtigung und Kernauftrag des RBB“, wiederholte Ulrike Demmer, was sie bereits anlässlich ihrer Wahl im Juni gesagt hat. „Wir sind nicht Hauptstadtsender, sondern Heimatsender – und zwar für die Berliner und die Brandenburger mit zwei regionalen Büros und zwei Studios“, ergänzte sie.

Wegen der begrenzten Ressourcen – der Sender muss bis Ende 2024 rund 50 Millionen Euro einsparen – wolle sie jedoch lieber mehr Geld in den Journalismus investieren. „Ich möchte lieber Mittel in zwei neue Reporterstellen stecken als in die Miete für ein neues Büro.“

Die Kontroverse um Regionalbüros oder -studios ist Ausdruck eines erheblich tiefer gehenden Konflikts zwischen dem sowohl finanziell als auch in Sachen Reputation in Schieflage geratenen Sender und der Politik. Sowohl der FU-Medienwissenschaftler Christoph Neuberger als auch der DJV-Landesvorsitzende Steffen Grimberg zeigten sich auf der Podiumsveranstaltung erstaunt, wie weit der neue Staatsvertrag in der derzeitigen Form in die Führung der RBB-Geschäfte und die Programmgestaltung eingreifen würde. So ist unter anderem eine Ausdehnung des Regionalfensters für „Abendschau“ und „Brandenburg aktuell“ auf eine Stunde vor.

„Ich war überrascht von den präzisen Vorgaben in diesem Gesetzentwurf“, konstatierte Neuberger. Eine allgemeine Formulierung über Strukturen, Programmvorgaben, Personalplanung und Ressourcenverteilung hätte ausgereicht. Mit Blick auf Staatsferne, Rundfunkauftrag und Programmautonomie sei dies auch gar nicht die Aufgabe der Politik, so der Professor am Institut für Publizistik und Kommunikationswissenschaft.

Man sollte es die machen lassen, die sich am besten auskennen.

Steffen Grimberg, Landesvorsitzender des Deutschen Journalistenverbandes in Berlin und Brandenburg

„Man sollte es die machen lassen, die sich am besten auskennen“, sagte DJV-Mann Steffen Grimberg mit Blick auf die journalistische Arbeit des Senders. Ob die Vorgaben der Novelle bereits die Staatsferne gefährden, wolle er gar nicht bewerten. „Das ist vor allem unpraktikabel und führt am Ende nur zu mehr Bürokratie.“ So ist auch vorgesehen, dass der Rundfunkrat zwei Programmbeauftragte bestimmt. Auch sollen der Intendantin zwei Direktoren als „Kollegialorgan“ zur Seite gestellt werden.

„Grundsätzlich freuen wir uns über den neuen Staatsvertrag, weil das ein Bekenntnis von Berlin und Brandenburg zum RBB ist“, sagte RBB-Intendantin Ulrike Demmer. „Aber der Staatsvertrag sollte ein Aufgabenbuch sein, in dem steht, was wir tun sollen – aber nicht wie wir es tun sollen.“

„Wir haben ein hohes Interesse, dass dieser Staatsvertrag möglichst schnell beschlossen wird“, gerade wegen der Vorgänge im Sender in den vergangenen anderthalb Jahren, betonte der Berliner CDU-Abgeordnete Christian Goiny, der auch dem RBB-Rundfunkrat angehört. Dabei machte er auf ein weiteres Problem aufmerksam. Der Staatsvertrag wird von den Staatskanzleien der beiden Bundesländer ausgehandelt. Die Parlamente können die Novelle am Ende anders als bei Gesetzesvorhaben nur noch bestätigen – oder ablehnen.

Petra Budke rechnet mit einem Kabinettsbeschluss in Brandenburg im November und einer Entscheidung des Parlaments zu Jahresanfang. Noch wird allerdings diskutiert. Nicht zuletzt über die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Novelle mit ihren weitreichenden politischen Vorgaben.

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