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Die Journalistin und Schriftstellerin Marlen Hobrack. Sie wurde 1986 in Bautzen geboren und lebt in Leipzig.

© Amac Garbe

Marlen Hobracks Roman „Schrödingers Grrrl“: Digital leben, analog performen

Die Leipziger Journalistin und Schriftstellerin hat mit „Schrödingers Grrrl“ eine Mischung aus Literaturbetriebssatire und Generationenroman geschrieben.

Man kann den Literaturbetriebsspaß, den sich Marlen Hobrack mit ihrem Debütroman „Schrödingers Grrrl“ erlaubt, natürlich auch auf sie selbst anwenden: Hat sie wirklich diesen Roman geschrieben? Oder hat sie nur ihren Namen und ihre Person dafür hergegeben, weil der Berliner Verbrecher Verlag so überzeugt war von einem Manuskript, dessen nicht so ganz vernachlässigender Schönheitsfehler es ist, von einem Schriftsteller in seinen Fünfzigern zu stammen, einem alten weißen Mann, wie es heutzutage gern diffamierend heißt

Allerdings, und das unterscheidet Hobrack von ihrer etwas über zwanzig Jahre alten Protagonistin Mara Wolf, ist sie knapp doppelt so alt, studierte Literatur-,Kultur- und Medienwissenschaften, schreibt für die „taz“, die „Zeit“ und die „Welt“ und hat mit „Klassenbeste. Wie Herkunft unsere Gesellschaft spaltet“ auch schon ein Sachbuch herausgegeben.

Mara Wolf dagegen ist ohne Schulabschluss, Hartz-IV-Empfängerin, lebt in Dresden, lebt in den Tag hinein, lebt vor allem in den sozialen Medien, insbesondere Instagram, wo ihre Verweildauer bei knapp fünf Stunden liegt.

Spiel mit autofiktionaler Literatur

Dann aber kommt der Moment, in dem ihr ein PR-Mann über den Weg läuft und ein unmoralisches Angebot macht: „Es gibt da einen Autor (...), der ein kleines Experiment wagen möchte. Er hofft, dass sich sein Text besser verkauft, wenn – wenn jemand wie du, wenn eine junge Frau den Text als ihren ausgibt.“ Denn: „Niemand will die Coming-of-Age-Geschichte eines Twens aus der Feder eines alten Mannes lesen, schon gar nicht diese Bookstagrammerinnen.““

Wolf stimmt zu – und schon ist sie nicht mehr so klamm bei Kasse, hat ihr Leben einen anderen Move. Das allerdings nicht so stark, wie man nach dieser Exposition erwarten würde. Hobrack hat mit „Schrödingers Grrrl“ schon auch eine Literaturbetriebssatire geschrieben, darin eingebettet eine Mischung aus Spiel und Abrechnung mit der autofiktionalen Literatur sowie eine Kritik der Fixierung der Verlags- und Literaturwelt auf junge, bestenfalls diverse Autorinnen, auf gut verkäufliche biografische Stoffe jenseits der wohlsituierten Mittelschichtswelt der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur.

Und doch ist ihr noch mehr an einem Porträt einer jungen Frau aus bescheidenen Verhältnissen gelegen, die sich in ihrem Dasein zwischen analoger und digitaler Welt nicht so recht zurechtfindet: die also hier mit ihrer Messie-Mutter putzen geht, um Geld zu verdienen, und wiederum dort ständig an ihrer Performance auf Instagram arbeitet

Zentral dabei ist die Liebesgeschichte mit Paul, einem jungen Liverpooler, den Mara in der Wohngemeinschaft von Freunden kennenlernt. Die Liebe entfaltet sich, nicht zuletzt aufgrund der Distanz, als rein digitale, von Bildern über geschriebene Worte und Emojis bis zum Sexting. Und ja, wie Mara sich fragt, diese digitale Liebe ist doch real? Das bin doch ich! Nur haut es bei einem Spontanbesuch ihrerseits in Liverpool so gar nicht hin, und das ist schlimmer, einschneidender, bewusstseinsdestabilisierender für sie als ihre Auftritte als Autorendarstellerin.

Nun wirkt Hobracks unterhaltsamer Roman selbst zunächst etwas ungeordnet, richtungslos, allein die Hinweise gleich zu Beginn auf die letztendlich schlecht ausgehenden Kerngeschichten mit Paul und Maras Hochstaplerinnendasein wirken irritierend, wie eine notdürftige literarische Konstruktion, um die Chronologie der Ereignisse zu brechen, sind also überflüssig.

Auch der Wechsel zwischen personaler und Ich-Perspektive ist nicht immer stimmig, genauso wenig wie die einmaligen Perspektiven des PR-Agenten und von Paul. Trotzdem funktioniert hier die Parallelisierung des real digitalen Lebens in den sozialen Medien mit dem real authentischen Leben, das die autofiktionale Literatur vortäuscht. Ob Schrödingers Katze noch lebt, ob die Umarmung einer mütterlichen Freundin oder ein digitales Herzchen besser ist – dass muss eine jede und ein jeder für sich selbst herausfinden. Die Chancen stehen immer fünfzig zu fünfzig.

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