zum Hauptinhalt
Haftbefehl

© Tarek Mawad/Azzlackz Records

Neues Album von Haftbefehl: Heute gebe ich meine Krone weg

Ein Jahrzehnt lang prägte Haftbefehl mit komplexen Reimen und harten Beats den deutschen Straßenrap. Nun kündet das Album „Mainpark Baby” von einer Krise.

Das Frankfurter Bahnhofsviertel gehört zu den berühmt-berüchtigtsten Orten in Deutschland. Bevor in den vergangenen Jahren Szene-Bars und hippe Restaurants auf der Rotlichtmeile eröffneten, galt die Gegend als gefährliche No-go-Area. Dazu trugen Fernsehteams bei, die mit ihren Kameras Drogensucht, Dreck und Prostitution einfingen, und Rapper, die das Viertel und seine Kriminalität mit düsteren Songs rühmten. Allen voran Haftbefehl. .

Über Berge von Kokain, blutige Nasen und Sex im Luxuswagen rappt Haftbefehl, bürgerlich Aykut Anhan, 36, auch auf seinem neuem Album „Mainpark Baby”. Der Offenbacher erzählt in Songs wie „Immer noch” von seiner Jagd nach Euros, gefährlichen Drogendeals und Großeinsätzen der Polizei.

Begleitet werden seine Reime von einem wummernden Beat, der mit stechenden Hi-Hats zum Kopfnicken einlädt. In einer Strophe brüllt er: „Kanacken tanzen zwischen Freiheit oder Knast”.

Haftbefehls siebtes Studioalbum ist der titelgebenden grauen Offenbacher Hochhaussiedlung gleich hinter dem Frankfurter Stadtrand gewidmet, in der er aufwuchs. So wie viele andere Kinder von sogenannten Gastarbeitern. Schon als Jugendlicher lernte Anhan das (Über-)Leben auf der Straße kennen.

Gefangen im Teufelskreis der Straße

Nachdem sich sein Vater das Leben genommen hatte, brach er mit 14 die Schule ab und wurde kriminell. Er geriet, wie auf dem Album beschrieben, in einen „Teufelskreis der Straße”. Einen Teufelskreis zwischen Rotlicht und Blaulicht, den er schon auf vorherigen Alben thematisierte. Allerdings besser.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Sein Akzent, die aggressive Stimmlage und geschickte Wortspiele machten ihn bekannt. Hits wie „Chabos wissen wer der Babo ist“ kletterten an die Spitze der deutschen Charts. Haftbefehl machte Straßenrap mit Alben wie „Russisch Roulette” tauglich für das Feuilleton, das auch seine zuletzt erschienenen Platten - das „weiße Album” und das „schwarze Album” - als Konzeptkunst abfeierte.

Auf „Mainpark Baby” (Azzlackz Records/Universal) macht Haftbefehl mit dunkel klingenden Beats vom Kölner Produzenten Benjamin Bazzazian und mehrsilbigen Reimen vieles richtig. Hochkarätige Feature-Gäste wie die Rapper OG Keemo, Ufo 361 und Kool Savas sind vertreten, Songs wie „Die braune Tasche” haben ein hohes Ohrwurm-Potenzial.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Trotzdem ist das Album nicht auf dem Niveau seiner vorherigen Werke. Zeilen wie „Ich bin der King, ihr hängt an meinen Klöten“ wirken austauschbar. Fast jeder der 13 Songs handelt vom Kokainhandel und -konsum, einige Verse sind vernuschelt und schwer zu verstehen. Dabei zeichnete Haftbefehls klarer, harter Flow ihn immer aus. Der Rapper scheint nicht mehr in Topform zu sein.

Besinnungslos berauscht bei Konzert in Mannheim

Vor einem halben Jahr schockte Haftbefehl seine Fans. Bei einem Auftritt in Mannheim torkelte er mit Gucci-Brille und roter Cap auf die Bühne und schien fast besinnungslos berauscht zu sein. Er stammelte vor sich hin und hielt sich am Pult seines DJs fest, bis er nach wenigen Minuten die Bühne wieder verließ. Kurz darauf sagte Haftbefehl seine gesamte Tour ab und zog sich für eine Auszeit nach Dubai zurück, wo strenge Drogengesetze gelten und ihm die Entziehungskur leichter fallen sollte.

Vor der abgesagten Tour war sein Album bereits fertig. Lyrisch enttäuscht es. In mehreren Songs inszeniert Haftbefehl sich als misogyner Macker, der Frauen im Maybach „knallt“ und sie danach aus seinem Wagen schmeißt.

Ein Reim in dem Song „PIMP” ist besonders daneben: „Ich sag, ich finde Russinnen geil, sie sagt, sie kommt aus Ukraine“. Mit seiner Frauenverachtung lässt Haftbefehl den deutschen Rap ein weiteres Mal in schlechtem Licht dastehen.

„Mainpark Baby” endet mit dem Song „Letzter Track”, den man als überraschende Ankündigung eines Karriereendes interpretieren könnte. Haftbefehl blickt auf sein Leben zurück und reimt: „Ich schmeiß das Mic hin und nimm’ für meine Kinder Zeit“. Auf einem hallenden Orgel-Beat beschreibt er nochmal, wie er es „aus der Gosse” in die Charts geschafft und Deutschrap geprägt hat: „Ich habe die Sprache verändert”.

Sein harter Flow und die Texte, die einen ungefilterten Einblick in postmigrantische Erfahrungen, Perspektivlosigkeit und Verbrechen lieferten, machten ihn zum König des Straßenrap. Dem Vers „Heute gebe ich meine Krone weg” ist zu entnehmen, dass Haftbefehl einsieht: Diese Ära ist nun vorbei. Sein Album wirkt nur noch halbgar, er scheint reif für den Rap-Ruhestand.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false