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Rainald Goetz

© imago images / 3S PHOTOGRAPHY

Rainald Goetz ist zurück: Die Ursensation der täglichen Zeitungen

Wieder einmal back in business: Der Berliner Schriftsteller feiert in der „Zeitschrift für Ideengeschichte“ das Kleingedruckte und die Printausgaben von Zeitungen und Zeitschriften.

Was ist eigentlich mit Rainald Goetz? Was treibt der Schriftsteller und Georg-Büchner-Preisträger des Jahres 2015? Diese Fragen machten in den vergangenen Jahren in Mitte, Kreuzberg, Frankfurt und den angeschlossenen Kulturbetrieben immer mal die Runde, obwohl Goetz ja 2020 mit „Reich des Todes“ immerhin ein Theaterstück für Karin Beier und das Hamburger Schauspielhaus geschrieben hatte.

Passionierter Radfahrer

Aber einen Roman? Ein entscheidendes Buch, wenigstens ein Büchlein wie „Rave“ oder „Loslabern“? Nein, nichts angekündigt. So wurde er höchstens zumeist in Mitte auf dem Fahrrad mit einem seiner Kinder hinten drauf gesichtet, in der Regel guter Dinge. Ein glücklicher Familienvater.

Jetzt aber hatte Goetz doch wieder einmal einen großen Auftritt, am Wissenschaftskolleg Berlin, unweit des Halensees, um hier einen neuen Text zu lesen, einen Text, den er für die „Zeitschrift für Ideengeschichte“ zum Thema „Das Kleingedruckte“ geschrieben hat.

Im Zeichen Hegels und des absoluten Idealismus

Das Radfahren, große Kreuzungen, Ampeln und die Polizei sind darin ebenfalls Thema, vermutlich ist das nicht nur Goetz-Alltag, sondern eine neue Obsession, die sich am besten mit Hegel verknüpfen lässt. Vor allem aber findet sich in dem Text auch: die alte, bekannte Obsession von Goetz für das Lesen von Printerzeugnissen, Zeitschriften, Zeitungen, das Ausschneiden und Aufheben von Artikeln, das Feiern des Gefühls „von allhafter Teilhabe an Welt“.

Man würde Sätze aus seinem Text natürlich gern ausschneiden und plakatieren, gerade hier in den Tagesspiegel-Büros, in denen tagtäglich mit viel Leidenschaft und Aufwand eine Printzeitung produziert wird. Solche wie „die all diese Spezialinteressantheiten überbietende Sammelstelle für alles bleibt die Zeitung, die URSENSATION der täglich Zeitung.“

Hier abermals Hegel, wohl wissend, dass das Kleingedruckte inzwischen vor allem digital konsumiert wird. Schön auch der Hinweis auf ein Romanprojekt, „das ich seit vielen Jahren unter dem Titel ‘Der Henker’ verfolge“, was an seinen gescheiterten Politroman aus den nuller Jahren erinnert. In denen hatte man von Goetz ewig nichts gehört, bis zu dem Tag, da er aus eigenen Antrieb bei Ulf Poschardts „Vanity Fair“ aufschlug und für diese Zeitschrift begann, die für ihn typischen Gegenwartsmitschriften zu liefern. (Später wurde daraus „Klage“)

Oder, ebenfalls ganz schön, das Bekenntnis, mit dem verfehlten Romanprojekt in Verbindung stehend, sich immer mal verrannt, sich überschätzt zu haben, vieles eben nicht zu können.

Auch das Bashing von Maxim Biller und dessen Text „Warum ich kein Schriftsteller mehr sein will“ nach dem Angriff der Russen auf die Ukraine ist zunächst amüsant und nicht ganz falsch, „Irrsinnsartikel“, „unglaublicher Quatsch“.

Eher irritierend aber Goetz’ eigene Erfahrung vor Jahresfrist, was den russischen Überfall auf die Ukraine betrifft, der Biller so in seinem Selbstverständnis als Schriftsteller getroffen hatte. Goetz schreibt nämlich, „endlich (...) den historischen Moment vom August 1914 wirklich nachempfinden“ zu können, „die kollektive Bereitschaft zum Krieg, so hatten die Leute das damals also erlebt, (...).“

Er meint hier im Februar und März 2022 „andeutungsweise“ eine ähnliche Stimmung erkannt zu haben. Wirklich? An dieser Stelle hat sich Rainald Goetz doch arg verhoben, was für ein Quatsch das – so schön seine Liebeserklärungen an das Gedruckte sind, seine Begeisterung, seine Geistbeflügelungen.

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