zum Hauptinhalt
 Austin Butler in der Folge 1  der Apple TV+ Serie  ·Masters of the Air·

© dpa/Robert Viglasky

Spielbergs Apple-Serie „Masters of the Air“: Der Krieg an Hitlers Türschwelle

Männer in fliegenden Festungen: Mit dem Apple-Neunteiler „Masters of the Air“ blicken Steven Spielberg und Tom Hanks tief ins Innere augenscheinlich cooler Helden.

Dass Krieg ein Handwerk ist, bestreiten nicht nur Pazifisten. Schließlich klingt Handwerk nach Schaffenskraft und Entstehen, Krieg nach Zerstörungswut und Vergehen. Kriegsfilme mit „Anti“ davor mögen somit moralisch einwandfrei sein; handwerklich sind sie oft öde. Es sei denn, Steven Spielberg und Tom Hanks sind beteiligt.

Ihren Hang zu militärischen Details haben der Regisseur und sein Schauspieler erstmals 1997 durchexerziert, vier Jahre nach „Der Soldat James Ryan“ als Produzenten der HBO-Serie „Band of Brothers“ verfeinert, und mit „The Pacific“ an selber Stelle vollendet. So schien es 2010. Jetzt setzen sie ihr Werk minutiös sezierter Kampfhandlungen fort und reisen von der japanischen Weltkriegsfront zurück an die europäische.

„Top Gun“ im Frühjahr 1943

Der Tod, lernen wir in „Masters of the Air“, bleibt zwar ein Meister aus Deutschland. Wie ihn vier Regisseure um Cary Joji Fukunaga („True Detective“) jedoch nach John Orloffs Büchern in seine Einzelteile zerlegen und neu verschrauben, wie sie Krieg zum Handwerk machen, als seien Krieger Monteure – das ist ein filmästhetisches Kunststück. Allerdings beginnt es, als hätten Spielberg und Hanks „Top Gun“ für Apple TV ins Frühjahr 1943 verlegt.

Am Vorabend einer bild- und tongewaltigen Luftschlacht turteln zwei schneidige Offiziere mit sexy Soldatenbräuten im Casino, bevor sie ihre B-17 Flying Fortress gegen Naziflieger verteidigen – dann hetzt Komponist Blake Neely seine John-Williams-Gedächtnisfanfaren über den heroischen Vorspann, als würde Tom Cruise die Welt retten, nicht leibhaftige Piloten der US Army Air Force.

Wie in ihren anderen Weltkriegsepen erzählen Hanks und Spielberg auch in „Masters of the Air“ vom Leben und Sterben historisch verbürgter GIs. An vorderster Front: der coole Major Gale „Buck“ Cleven (Austin Butler), der lässige Major John „Bucky“ Egan (Callum Turner), der smarte Major Robert „Rosie“ Rosenthal (Nate Mann) und Major Harry Crosby (Anthony Boyle), der offenbar zu normal ist für Spitznamen.

GIs der Geschwader-Legende „The Bloody Hundred“.

© Apple

Sie sind Teil der Geschwader-Legende „The Bloody Hundred“, dem Donald L. Miller ein literarisches Denkmal setzte, das Spielberg und Hanks nun so verarbeiten, wie man es von ihnen gewohnt ist: Als kriegshandwerkliches Jobprofil tollkühner Helden in fliegenden Festungen. Animations- und tricktechnisch am Oberrand des CGI- und SFX-Möglichen sehen wir Bucky, Buck, Harry und Rosie nebst Fliegerstaffeln und Bodencrews bei der Arbeit zu.

Gebrauchsanweisung für den Krieg

Nachdem der Einsatzleiter, gespielt von Klaus Kinskis Sohn Nikolai, tagesaktuelle Marschbefehle („Teil 1 Bremen, Teil 3 Regensburg, Teil 5 Münster, Teil 7 Berlin“) erteilen, lauscht man Funkverkehr, Gefechtslärm, Befehlsketten. Sieht Formationsflüge, Reparaturen, Gebete. Riecht Angriffslust, Angst, meist beides. Mitunter wirkt es, als hätte Orloff ein achtstündiges Kriegstutorial gedreht, kein Historytainment – würde er zwischen den Gebrauchsanweisungen nicht die Gefühlshaushalte einer Notgemeinschaft im Ausnahmezustand betonen.

Drei Dutzend handlungsrelevanter Kerle (bei einer Handvoll Frauen), die ihr Wirken physisch spürbar machen und dabei nie den Zeigefinger heben. Wenn das deutsche Flakfeuer endet und der Captain sagt, „ihr wisst, was das bedeutet, Jungs“ (nämlich Jagdflieger). Wenn die Lederjacken-Kernigkeit gewöhnlicher Haudegen unter Beschuss erst Schweigen weicht, bald Stille, zuletzt Panik. Wenn sie zurück am Boden unters Flugzeug kotzen, bevor das letzte bisschen Tapferkeit in der Triage-Station gut gefüllter Lazarette versiegt. Stets erzeugen diese Luftmeister eine Form von distanzierter Nähe, selbst dann noch, als „Masters of the Air“ in der sechsten Folge an „Gesprengte Ketten“ erinnert.

Wer in Gefangenschaft gerät, wer unter die Erde, wer einfach wieder und wieder startet, kämpft, landet, tankt, startet – das wird natürlich nicht verraten. Doch ob die Serie amerikanische Soldaten, französische Partisanen, schwarze Piloten oder braune Schergen begleitet: aus jeder nüchternen Schilderung vom Krieg als Prinzip und Exzess menschlicher Zivilisationen dringt das Bedürfnis, ihn in jeder Facette plausibel zu machen.   

Wie bei Spielberg und Hanks üblich, wird hier so manches Klischee bemüht. Doch sobald der nimmermüde Neely seine Dauerbeschallung mal unterbricht, um herabregnende Piloten zu zeigen oder Todeszüge Richtung KZ, brüllt die Stille vom Bildschirm so laut wie selten im filmhandwerklichen Kriegshandwerk. „Die meisten von uns waren nie im Ausland oder einem Flugzeug, kamen aber für ein Ziel nach Europa“, sagt Erzähler Buck aus dem Off: „Den Krieg an Hitlers Türschwelle bringen.“ Nach dieser Serie ist man umso dankbarer, dass sie es getan haben.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
false
showPaywallPiano:
false