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Rammstein, Olympiastadion Muenchen. 07.06.2023 / 070623

***Opening concert of the band Rammstein in the Olympic Stadium in Munich GERMANY 06/07/23***

© action press/MARTIN_HANGEN

Warum distanziert sich Universal erst jetzt von Rammstein?: Drei Wochen Schweigen

Der Musikkonzern Universal hat seine Marketing- und Promoarbeit für Rammstein auf Eis gelegt. Faktisch ändert sich dadurch wenig bis gar nichts.

Ein Kommentar von Christian Schröder

Die Worte klingen markig und entschlossen, nach einer echten Beziehungskrise. Der Musikkonzern Universal zeigt sich „schockiert“ von den Vorwürfen, die gegen Till Lindemann erhoben werden, und bekundet „größten Respekt“ vor den Frauen, die den Mut hatten, sich öffentlich über das, was der Sänger ihnen mutmaßlich angetan hat, öffentlich zu äußern.

Allerdings hat es bis zu diesem Statement auch sehr lange lange gedauert. Drei Wochen sind vergangen, seit Shelby Lynn am 25. Mai bei Twitter und Instagram ihre Backstage-Begegnung mit Lindemann am Rande eines Rammstein-Konzerts geschildert hat.  Es folgten viele weitere Berichte von Konzertbesucherinnen, in denen es um Gewalt und Missbrauch geht.

Doch Universal schwieg so lange, bis die Berliner Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen Lindemann aufnahm. Will sich die Plattenfirma nun tatsächlich mit den Frauen solidarisieren, die beklemmende Erfahrungen mit einer ihrer erfolgreichsten Bands gemacht haben? Oder möchte sie nur den eigenen Imageschaden eindämmen?

Universal geht auf Distanz, in ganz kleinen Schritten. Das Unternehmen kündigte an, die „Marketing- und Promotion-Aktivitäten“ bis auf Weiteres auszusetzen. Faktisch ändert sich dadurch wenig bis gar nichts. Denn eine Plattenfirma kümmert sich hauptsächlich dann um Marketing und Promotion für seine Künstler, wenn die eine neue Platte veröffentlichen. Das letzte Rammstein-Album „Zeit“ ist im April 2022 herausgekommen, Lindemanns jüngstes Solowerk „Ich hasse Kinder“ im Mai 2021. PR war danach unnötig.

Den Vertrieb der Musik hat Universal nicht auf Eis gelegt. Man kann die Songs von Lindemann und Rammstein weiter auf Tonträgern erwerben und bei Streamingdiensten aufrufen.

„Wenn unsere Zeit gekommen ist / Dann ist es Zeit zu gehen / Aufhören, wenn es am schönsten ist / Die Uhren bleiben stehen“, reimen Rammstein im Titelsong ihres „Zeit“-Albums. Einen Abschied in Ehren, dann „wenn es am schönsten ist“, haben der Sänger und seine Bandkollegen verpasst.

Der Kiepenheuer & Witsch-Verlag hat sich vom Lyriker Lindemann getrennt. Ist es völlig naiv oder weltfremd, sich vorzustellen, dass Universal sagen könnte: Wir wollen mit ihm keine Platte mehr machen?

Ergänzung: Mittlerweile wurde das im Text erwähnte Ermittlungsverfahren von der Staatsanwaltschaft mangels hinreichenden Tatverdachtes nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.

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