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Das Berliner Ensemble war restlos ausverkauft.

© Mark Feigman

Worte und Klänge der Hoffnung: Ein Konzert gegen das Schweigen

Zusammen mit Michel Friedman hat am Montag der Star-Pianist Igor Levit zu einem Solidaritätskonzert gegen Antisemitismus in das Berliner Ensemble eingeladen.

Als Igor Levit an diesem Abend im Berliner Ensemble erstmals die Tasten auf dem Flügel anschlug, wurde sofort offensichtlich: politische Parolen, verkürzte Stellungnahmen würde es nicht geben. Stattdessen ein Konzert. Stattdessen ein kurzes Innehalten. Schmerzlich machten die ersten Klänge auch bewusst, was in den vergangenen Wochen gefehlt hatte: ein Raum, der nach den blutigen Angriffen der Hamas am 7. Oktober alle für einen Moment hält. Ein Raum, der durch Worte und Musik wieder Hoffnung gibt.

Die Initiative eines solchen Solidaritätskonzerts war von Levit selbst ausgegangen. Der weltberühmte deutsche Pianist zeigte sich geschockt von der mangelnden Empathie in Folge der Anschläge. Immer wieder war er mit Relativierungen des Hamas-Terrors konfrontiert worden. Der eskalierende Antisemitismus weltweit und eben auch in Deutschland hatte ihn in einen Alarmzustand versetzt.

Empathie und Menschlichkeit

Gewünscht hatte er sich das Naheliegende: einen Moment bei den Opfern dieses Anschlags zu sein. Und sich jeder Form des Antisemitismus entgegenzustellen. Zusammen mit Michel Friedman hob er in Folge diesen Abend aus der Taufe. Oliver Reese, Intendant des Berliner Ensembles, war sofort dabei und änderte kurzerhand den Spielplan seines Hauses. Innerhalb von vier Minuten war das Konzert ausverkauft. Reese betonte in seiner Eröffnungsrede, dass derzeit nicht nur unser Selbstverständnis als Gesellschaft bedroht sei. „Unsere jüdischen Freunde sind in Gefahr. Und mit ihnen die Demokratie.“

Es folgte ein beachtliches Line-Up. Prominente Künstlerinnen und Künstler zitierten Passagen aus Gedichten, Romanen und philosophischen Abhandlungen von Jean-Paul Sartre, Theodor W. Adorno, Paul Celan oder Caroline Emke. Es ging um Hass, um Antisemitismus, um das Zweifeln. Andere kamen mit Musik: Igor Levit allein am Klavier. Und zusammen mit Malakoff Kowalski. Oder mit Sven Regener, der den Element-of Crime-Klassiker „Weißes Papier“ sang.

Solange wir noch die Energie, die Hoffnung und den Glauben daran haben, dass morgen etwas besser werden kann, so lange haben wir die verdammte Pflicht, diesen Schritt zu gehen.

Igor Levit, Pianist und Initiator des Solidaritätkonzerts

Dass es an so einem Abend, der eigentlich „nur ein Konzert“ sein sollte, möglich ist, stille politische Botschaften zu senden, zeigten alle Beteiligten. Besonders deutlich wurde Wolf Biermann, der an die Palästinenser appellierte, sich von der Terrormiliz zu befreien.

Margot Friedländer appellierte eindringlich an die Menschlichkeit.

© Mark Feigman

Ovationen für Friedländer

Es ging nicht den ganzen Abend andächtig und still zu. Nach den eindringlichen Worten der Holocaust-Überlebenden Margot Friedländer gab es stehende Ovationen und lang anhaltenden Beifall. Katharina Thalbach brachte das Publikum mit dem Stück „Die Fremden“ von Karl Valentin zum Lachen. Auch Paul Zichner wirbelte den Saal ordentlich auf mit dem BE-Tanzorchester. Am Ende rockten noch die Toten Hosen und sangen von der Freiheit unter den Wolken.

Und doch war die Stimmung insgesamt gefasst. Ganz anders als bei dem Solidaritätsabend mit den Protestierenden im Iran genau vor einem Jahr im Berliner Ensemble zeigte sich der Protest dieses Mal diffuser, das „Gegenüber, der „Feind“ blieb deutlich weniger greifbar. Auch waren weniger junge Künstlerinnen und Künstler als noch vor einem Jahr dabei – die Geigerin Cosima Soulez Larivière, die Klimaaktivistin Luisa Neubauer, Igor Levit selbst. Die Frage, ob dies Zufall ist oder ob sich die ältere Generation mit dem Ansatz des Abends leichter tut, ließ sich nicht beantworten.

Wabender Antisemitismus

Dass es bei diesem Konzertabend nicht bleiben kann, dass derzeit nicht zuletzt unser gesellschaftliches Zusammenleben auf dem Spiel steht, dafür fanden Igor Levit und auch Michel Friedman klare, persönliche Worte. Schließlich las Maria Schrader noch ein kurzes Gedicht des deutsch-israelischen Lyrikers Jehuda Amichai, es hallte besonders lange nach.

Bei Amichai heißt es: „An dem Ort, an dem wir recht haben, werden niemals Blumen wachsen im Frühjahr. Der Ort, an dem wir recht haben, ist zertrampelt und hart, wie ein Hof. Zweifel und Liebe aber lockern die Welt auf. Wie ein Maulwurf, wie ein Pflug.“

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