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Wladimir Putin.

© IMAGO/SNA/IMAGO/Ilya Pitalev

Den Haag erlässt Haftbefehl: Putin kommt nicht hinter Gitter, aber eine Ächtung ist wichtig

Der Internationale Strafgerichtshof wirft dem russischen Präsidenten die Deportation von Kindern vor. Ausliefern wird Russland Putin sicher nicht, bedeutend ist dieser Schritt dennoch.

Ein Kommentar von Frank Herold

Es ist etwas Unerwartetes, sogar Unerhörtes geschehen. Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag hat einen Haftbefehl gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin ausgestellt.

Wer geglaubt hatte, dieses Weltgericht wage es nur, gegen Gestalten wie den sudanesischen Machthaber Umar al Bashir vorzugehen, ist eines besseren belehrt. Die Richter in Den Haag sehen einen hinreichenden Tatverdacht gegen den Führer einer Großmacht - und sie kehren ihn nicht unter den Teppich.

Putin zur Last gelegt werden nicht Verbrechen gegen den Frieden, Kriegsverbrechen und auch nicht Völkermord. Vielleicht noch nicht, denn ausreichend Indizien gibt es auch dafür. Das Gericht in Den Haag wirft dem russischen Präsidenten die persönliche Verantwortung für die Deportation von Kindern aus den okkupierten Gebieten der Ukraine nach Russland vor. Es beschuldigt ihn damit des Tatbestands der Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Es geht um kriminelle Schuld

Wenn der Haager Strafgerichtshof aktiv wird, geht es nicht um die politische Verantwortung Putins für den Ukraine-Krieg. Die wird auch von manchen im Westen nach einem Jahr des Terrors gegen die ukrainische Zivilbevölkerung immer noch bezweifelt. Der Kreml bestreitet Verantwortung für diesen Krieg ohnehin, er nennt ihn nicht einmal so und lügt sich vom Täter zum Opfer um.

Es geht um kriminelle Schuld. Die Richter müssen einen hinreichenden Verdacht sehen, dass der russische Präsident direkt in Straftaten verstrickt ist. Dafür müssen objektiv nachweisbare Handlungen vorliegen, die eindeutig gegen Recht verstoßen. Tatbestände müssen zuverlässig festgelegt werden. So sind die Grundsätze in rechtsstaatlichen Verfahren - und sie sehen die Haager Richter offensichtlich als gegeben an.

Putin wird vor dem Haager Gerichtshof nicht seine Strafe finden, das kann als sicher gelten. Allein schon, weil Russland die Instanz in Den Haag nicht anerkennt und niemanden ausliefert. Schon gar nicht einen Präsidenten, der sich im nächsten Jahr seiner „Wiederwahl“ sicher sein kann.

Doch das ist nicht vorrangig. Entscheidend ist jetzt ein Verfahren, in dem die Schuld Putins eindeutig und für alle Welt sichtbar festgestellt wird. Das bringt ihn zwar nicht hinter Gitter, aber es ächtet ihn. Es leistet einen Beitrag, Putins Platz in der Geschichte gut begründet zu bestimmen: als einen furchtbaren, verbrecherischen Machthaber.

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