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Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) – hier beim Besuch der Ausstellung „Macht, Raum, Gewalt“ in der Akademie der Künste am Pariser Platz in Berlin.

© dpa/Pool AP/Markus Schreiber

Vor dem Baugipfel im Kanzleramt: Die Regierung muss im Immobilienmarkt mehr Härte zeigen

Bauwirtschaft und Bundesregierung beraten am Montag über die Linderung der Wohnungsnot. Ideen und Wünsche gibt es viele – aber die Politik darf sie nicht alle blind erfüllen.

Ein Kommentar von Kevin P. Hoffmann

Jedes Mal, wenn Christine Lagarde vor die Presse tritt, müssen Tausende Familien ihre Umzugspläne begraben. Die Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB) hatte im Juli 2022 eine Abkehr von der Nullzins-Politik verkündet, in Stufen verkündete sie seither eine Anhebung des Leitzinses, seit Donnerstag liegt er bei 4,5 Prozent, so hoch wie seit gut 20 Jahren nicht.

Für Investoren ist damit klar: Traumrenditen wie in der Nullzinsphase lassen sich auf Immobilienmärkten im Euro-Raum vorerst nicht erzielen, das Kapital ist anders besser angelegt. Warum noch Wohnungen bauen?

Vor dem Hintergrund will auch Deutschlands größter Wohnungskonzern Vonovia teures Bauen vor seinen Aktionären nicht mehr rechtfertigen. Am Mittwoch teilte er mit, dass alle aktuell geplanten 60.000 Wohnungen vorerst nicht fertiggestellt werden. Dabei bräuchte Deutschland jedes Jahr eigentlich 700.000 neue Wohnungen, wegen der Zuwanderung, sagte Vonovia-Chef Rolf Buch. Neu ist sein Entschluss nicht, der Manager hatte ihn so ähnlich schon einmal im Januar verkündet. Aber Buch will Druck machen auf die Bundesregierung, damit sie seiner Branche finanzielle Brücken baut bis zur nächsten Niedrigzinsphase.

Der Kanzler und die Bauministerin haben die Bau- und Immobilienwirtschaft für kommenden Montag zur neuen Runde im „Bündnis bezahlbarer Wohnraum“ geladen. Dieses Format klingt so vernünftig nach „runder Tisch“, problemlösungsorientierter Diskussion von Politik und Wirtschaft auf Augenhöhe. Es weckt Erinnerungen an das erfolgreiche „Bündnis für Arbeit“ der späten 1990er. Doch die Voraussetzungen sind völlig andere. Alle Beteiligen sollten sich ihrer Rollen schnell bewusst werden.

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Keine Gespräche auf Augenhöhe

Die damalige rot-grüne Regierung hatte ab 1998 eine moderierende Rolle zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern einnehmen können. Jede der drei Seiten musste etwas zum erfolgreichen Kampf gegen die seinerzeit extrem hohe Arbeitslosigkeit beitragen. Heute – im Kampf gegen die Wohnungsnot – gibt es in Wahrheit keine Gespräche auf Augenhöhe; Immobilienwirtschaft und Bundesregierung stehen sich in einer asymmetrischen Beziehung gegenüber: Die eine Seite will ran an das Geld der Steuerzahler und versucht es mit Appellen und Erpressung. Und die andere Seite soll Milliarden geben.

Anstatt ernsthaft und öffentlich nach Instrumenten zu suchen, die helfen könnten, das Menschenrecht auf Wohnraum aus der Logik der Kapitalmärkte wenigstens ein Stück weit zu lösen, verschleiert die Bundesregierung ihre starke Geldgeberposition hinter harmonischen Formulierungen wie „Hand in Hand“ (Bauministerium).

Initiativen wie Deutsche Wohnen & Co. enteignen finden Zulauf, weil die Argumentation aus der Immobilienbranche so unverschämt unschlüssig ist.

Kevin P. Hoffmann, Verantwortlicher Redakteur

Und die Immobilienwirtschaft versteckt Wünsche nach Steuererleichterungen in Milliardenhöhe und Absenkung der Klimaschutzauflagen hinter einem Streit um das Effizienzhaus: „EH-40-Standard“ oder nur „EH-55“? Abschreibung mit der „degressiven Afa“? Laien sind bei dieser Debatte raus. Und das ist auch gewünscht.

Der nötige Druck kommt allein aus der Zivilgesellschaft. So will die Initiative „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“, die schon 2021 im Land Berlin erfolgreich einen Volksentscheid organisiert hatte, jetzt einen neuen Anlauf nehmen und einen konkreten Gesetzentwurf zur Abstimmung bringen. Eine Kommission mit Verfassungsrechtlern hatte ihr zuletzt bescheinigt, dass das Instrument der „Vergesellschaftung“ juristisch wohl durchsetzbar wäre.

Schiefe Argumentation privater Investoren

Derartige Initiativen finden Zulauf, weil die Argumentation aus der Immobilienbranche so unverschämt unschlüssig ist: In den Jahren der Niedrigzinsen hatten private Investoren die Prinzipien des freien Marktes hochgehalten, kaum mehr als Bürokratieabbau gefordert. Nun aber braucht es ein beherztes Eingreifen der staatlichen Hand, um weiter auskömmliche Renditen zu gewährleisten und so Wohnungsbau zu ermöglichen? Das passt nicht zusammen.

Bund, Länder und Kommunen sollten sich und das Steuergeld stark darauf konzentrieren, die öffentlichen Wohnungsgesellschaften zu ertüchtigen. Diese sollen und müssen private Baufirmen beschäftigen. So kommt Geld in Umlauf.

Aber die Öffentlichkeit kann langfristig nur wieder ein relevanter Spieler auf dem Markt werden, wenn ihr die Wohnungen auch gehören. Betont destruktive Politikansätze wie Vergesellschaftungen bräuchte es dann nicht mehr.

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