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Der Versuch eines Spagats: Außenministerin Annalena Baerbock und die Parteichefs Omid Nouripour und Ricarda Lang suchen nach einem Kurs in der Asylpolitik der Grünen.

© Boris Roessler/dpa

Elf Vorschläge für Migrationspolitik: Grünen-Chefs für Senkung der Flüchtlingszahlen und Ausbau der Infrastruktur

In der Migrationspolitik mussten die Grünen zuletzt harte Kompromisse eingehen. Auf dem Parteitag will die Grünen-Spitze nun eine grundsätzliche Linie neu festlegen.

Humanität, aber auch mehr Ordnung: Zwei Wochen vor ihrem Parteitag in Karlsruhe hat die Grünen-Spitze in einem Dringlichkeitsantrag ihre Vorstellung für eine Asyl- und Migrationspolitik vorgelegt. Darin spricht sich der Bundesvorstand um die Parteichefs Ricarda Lang und Omid Nouripour für einen Ausbau der sozialen Infrastruktur für Geflüchtete, aber auch für Abschiebungen aus.

„Steuerung, Ordnung und Rückführung gehören zur Realität eines Einwanderungslandes wie Deutschland dazu“, heißt es in dem Antrag, über den die Delegierten auf dem Parteitag abstimmen werden. Gleichzeitig wird in dem Papier betont: „Deutschland als eines der größten Aufnahmeländer der Welt darf seine Empathie und Menschlichkeit nicht aufgeben.“

Daneben müssen, wo die Kapazitäten erschöpft sind, durch rechtsstaatliche und menschenwürdige Maßnahmen auch die Zahlen sinken.

Bundesvorstand der Grünen, Antrag zur künftigen Migrationspolitik

Seit Monaten gibt es innerhalb der Partei Streit und Diskussionen über den richtigen Kurs in der Migrationspolitik. Der realpolitische Flügel der Partei um Baden-Württembergs Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann oder Vizekanzler Robert Habeck fordert, dass sich die Grünen zu einer restriktiveren Flüchtlingspolitik durchringen. Der linke Flügel der Partei betont dagegen die humanitäre Verantwortung und das Grundrecht auf Asyl.

Die Grünen-Spitze versucht in ihrem Antrag nun einen Spagat: „Humanität kann es dauerhaft nur mit geordneten Verfahren geben“, schreiben Lang und Nouripour. Zwar wolle man die Kapazitäten zur Unterbringung und Registrierung Geflüchteter ausbauen, aber dort heißt es auch: „Daneben müssen, wo die Kapazitäten erschöpft sind, durch rechtsstaatliche und menschenwürdige Maßnahmen auch die Zahlen sinken.“

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Asylverfahren in Drittstaaten lehnt die Partei ab

Dieser Satz dürfte in Teilen der Partei nicht gut ankommen. Schon für einen gemeinsamen Gastbeitrag im Tagesspiegel von Lang und Kretschmann hatte es parteiintern heftige Reaktionen gegeben, weil sich die beiden Spitzengrünen dort an mehreren Stellen für eine Reduzierung der Zahlen ausgesprochen hatten.

Im neuen Papier taucht die Formulierung nun nur einmal auf und wird auch mehrfach relativiert. „Eine Obergrenze ist weder machbar noch rechtens noch human“, heißt es etwa.

Für die Reduzierung der Geflüchteten-Zahlen setzen die Parteichefs auf bekannte Maßnahmen: Fluchtursachen sollen bekämpft und Migrationsabkommen mit anderen Staaten geschlossen werden. „Eine bessere Steuerung von Migration kann nur gelingen, wenn wir mit den Herkunftsstaaten zusammenarbeiten“, heißt es.

Diese Staaten sollten einerseits ihre abgeschobenen Staatsbürger zurücknehmen, andererseits aber auch Möglichkeiten für legale Migration erhalten. Bislang ist es Deutschland nicht gelungen, solche Migrationsabkommen im großen Stil zu vereinbaren.

Zudem spricht sich die Grünen-Spitze für eine gemeinsame europäische Migrationspolitik aus, um eine „faire Verteilung von Schutzsuchenden“ zu erreichen. Dafür sei es aber auch nötig, dass alle Geflüchteten an den europäischen Außengrenzen registriert werden.

Asylverfahren in Nicht-EU Drittstaaten lehnen die Grünen dagegen ab. „Die Einführung des auch in Großbritannien gescheiterten Ruanda-Modells lehnen wir entschieden ab“, heißt es. Dabei hatten die Ministerpräsidenten und der Bundeskanzler erst am Montag vereinbart, dass solche Verfahren in Transit- oder Drittstaaten geprüft werden sollten.

Diese Beschlüsse, bei deren Verhandlungen auch Habeck und Kretschmann beteiligt waren, werden in dem Papier des Grünen-Bundesvorstandes nun teilweise kritisiert, etwa die geplante Verlängerung des Asylbewerberleistungsgesetzes von 18 auf 36 Monate.

Grüne Verhandler: Vizekanzler Robert Habeck und Ministerpräsident Winfried Kretschmann am Rande der Ministerpräsidentenkonferenz im Kanzleramt.
Grüne Verhandler: Vizekanzler Robert Habeck und Ministerpräsident Winfried Kretschmann am Rande der Ministerpräsidentenkonferenz im Kanzleramt.

© IMAGO/dts Nachrichtenagentur

Andere Punkte, etwa die Finanzierung der Kommunen, lobt die Grünen-Spitze ausdrücklich. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und die Länderchefs hatten sich darauf geeinigt, dass künftig jede Kommune pro Geflüchteten 7500 Euro bekommen solle. „Dafür haben wir lange gekämpft“, schreiben die Parteivorsitzenden.

Insgesamt formulieren sie elf Punkte, um ihre Migrationspolitik zu skizzieren. So sollen Geflüchtete leichter in Arbeit gebracht werden können und eine „Integrationsoffensive“ gestartet werden. Dafür fordern die Grünen eine Ausweitung von Sprachkursen in den Abendstunden, eine Stärkung der Migrationsberatung und mehr Integrationskurse.

Zudem soll die soziale Infrastruktur – Wohnraum, die Zahl der Lehrer und Erzieher sowie Schul- und Kitaplätze – ausgebaut werden. „Dieses Problem ist keines, das wir allein für die Geflüchteten angehen müssen, sondern für die gesamte Gesellschaft.“

Mit dem Dringlichkeitsantrag scheinen Lang und Nouripour der Partei nun eine neue grundlegende Linie in der Asyl- und Migrationspolitik vorzuschlagen. Auch innerhalb der Grünen hatte es zuletzt selbstkritische Stimmen gegeben, die eine Führungslosigkeit bei dem Thema festgestellt hatten. Inwieweit die Basis dem Vorschlag jedoch zu folgen bereit ist, wird sich wohl erst bei der Debatte auf dem Parteitag in Karlsruhe zeigen.

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