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Ein Strandabschnitt mit Meer.

© Bearbeitung: Tagesspiegel/imago/imagebroker

Ab in die Sonne: Muss es ein Recht auf Urlaub geben? 

Wer arbeitet, braucht Zeit, um sich zu erholen. Eine Auszeit am Meer oder in den Bergen kommen da genau richtig. Doch geht es um den Urlaubsanspruch, gibt es viele offene Fragen. Drei Meinungen zum Thema.

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Laut Bundesurlaubsgesetz besteht für alle Arbeitnehmerinnen und Ar­beit­neh­mer mit einer 5-Tageswoche in Deutschland ein Mindesturlaubsanspruch von 20 Tagen pro Jahr. Tarifvertraglich sind aber meist höhere Ur­laubs­an­sprü­che vereinbart.

Doch inwiefern haben Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen ein Recht auf Urlaub? Drei Autor:innen nehmen in unserer Kolumne „3 auf 1“ dazu Stellung. (Alle Folgen von „3 auf 1“ finden Sie hier.)


Urlaub ist längst kein Luxus mehr

Es beginnt in der Grundschule, wenn Kinder nicht auf Klassenfahrt fahren können. Bloß, weil sie das Pech hatten, in Armut geboren worden zu sein. Was für eine Schande, wenn sich in einer der reichsten Gesellschaften der Welt jeder fünfte Mensch keinen Urlaub leisten kann.

Wer sich angesichts der Idee der Linken über sozialistische Gleichmacherei ereifert, sollte kurz innehalten: Es gibt Millionen Kinder hierzulande, die noch nie das Meer gesehen haben, geschweige denn im Ausland waren. Aber Gutscheine sind viel zu wenig. Denn Urlaub ist längst kein Luxus mehr – sondern in einer immer fordernderen Lebenswelt notwendig, um ein Mindestmaß an Arbeitsfähigkeit aufrechtzuerhalten. Eher Flucht statt Ferien.

Die Fehltage durch psychische Erkrankungen sind im vergangenen Jahr mal wieder auf einen neuen Höchststand gestiegen. Urlaubsgutscheine wären da nur eine Kompensation, um die Wundmale der Gesellschaft zu überdecken, die ihrem eigenen Anspruch bis heute nicht gerecht wird: Dem Menschen ein Dasein in Würde zu garantieren.


Gute Zeitpolitik würde die Gesellschaft gesünder und sozialer machen

„Jeder Mensch hat das Recht auf Erholung und Freizeit, eine vernünftige Begrenzung der Arbeitszeit und regelmäßigen bezahlten Urlaub“ – das stammt nicht von der Linkspartei, sondern ist Artikel 24 der Erklärung der Menschenrechte der UN von 1948. Natürlich gehört zu einem guten Auskommen auch die Freiheit zu Erholung und Horizonterweiterung, für Bildung und Genuss, für Familien und Freunde (und nicht bloß ein, zwei Tage Sonderurlaub zu Geburt und Tod und Umzug).

Reisegutscheine mögen im Wahlkampf lukrativ wirken. Aber das Bürokratiemonster lässt grüßen, wenn die Sommerfrische zur Staatsaffäre wird: Darfs Sylt sein oder „nur“ Usedom? Chips und Bier und Zigaretten satt – oder nur mit Walking oder Yoga? Geht richtig Urlaub nur sommers in Shorts oder auch mit Übergangsjacke im Herbstwind? Müssen passionierte Stubenhocker und Balkonier mit, die Teenies und Oma – und was ist mit dem Hund?

Erwerbsleben und gesunde, soziale Freizeit(en) und Freiheit(en) dürfen nicht weiter zu Gegensätzen stilisiert werden. Gebt uns Zeit und Wertschätzung für alles, was außer der Arbeit auch Kraft braucht! Klar: Der Weg ist weiter als einmal Malle mit alles – gute Zeitpolitik aber würde die Gesellschaft gesünder und sozialer machen.


Eine Infantilisierung der Gesellschaft

Urlaub gehört zu einem schönen Leben dazu, da sind sich hierzulande viele inzwischen einig. Aber zugleich gibt es laut der Europäischen Statistikbehörde eine wachsende Zahl von Menschen, die Verreisen für unbezahlbar halten. Wenn die Linkspartei nun mit Verweis auf deren Situation nach staatlich finanzierten Garantie-Urlauben ruft, kann sie mit spontanem Applaus rechnen. Aber besser wird die Idee, die von der Partei 2014 schon einmal präsentiert wurde, ohne dass sie umgesetzt worden wären, davon nicht.

Es sind den Daten zufolge vor allem Alleinerziehende und zunehmend Rentnerinnen und Rentner, die auf Urlaube verzichten. In beiden Gruppen gibt es also möglicherweise ernsthafte Probleme. Und genau diese Probleme gehören in den Fokus einer ernsthaften Politik und nicht Almosen-Verteilaktionen, die es den Betroffenen angenehmer machen sollen, in ihren misslichen Situationen zu verweilen. Motto: „Wenn der Staat den Urlaub zahlt, will ich mal nicht so viel meckern.“ Am Ende führt das aber nur zu einer Infantilisierung der Gesellschaft, die sich daran gewöhnt, Geld zu kriegen, statt dass Probleme angegangen würden.

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