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Christian Lindner (l, FDP), Bundesminister der Finanzen, und Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, im Bundestag.

© dpa/Kay Nietfeld

Zwist mit Wirtschaftsminister Habeck: Lindners schlagkräftiges Argument im Etat-Streit

Die Ampel-Koalition ringt heftig um die Aufstellung des Etats 2024. Die Grünen attackieren Christian Lindner. Doch der weiß um die Rückendeckung des Kanzlers – und eine gute Wirtschaftsdynamik.

Gut drei Wochen sind es noch, dann will Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) die Eckwerte für den Bundeshaushalt 2024 im Kabinett vorlegen. Wenn der Streit um die Etataufstellung nicht weiter eskaliert, kann der Termin am 15. März wohl eingehalten werden.

Aber ein Briefwechsel zwischen Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Lindner in der vorigen Woche hat gezeigt, dass es rund geht in der Koalition.

Beide Schreiben landeten flugs in der Öffentlichkeit, für die sie natürlich auch verfasst waren. Habeck teilte im Namen aller Grünen-Minister mit, dass man die im Vorjahr vereinbarten Eckwerte des Etats für 2024 nicht akzeptiere, was bedeutet: Die Grünen wollen zurück auf Los.

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Sie fühlen sich von Lindner schlecht informiert, aus ihrer Sicht fehlt die nötige Transparenz in diesem Haushaltsaufstellungsverfahren. Von „bösen Fouls“ ist sogar die Rede.

Habeck brachte zur Deckung der von den Grünen gewünschten Mehrausgaben Steuererhöhungen ins Gespräch, was die FDP ausschließt. Zudem schlug der Wirtschaftsminister den Abbau umweltschädlicher Subventionen vor, wo Grün und Gelb womöglich eher zusammenkämen.

Kanzler Olaf Scholz (SPD) hat dazu über einen Sprecher nur mitteilen lassen, es bestehe innerhalb der Bundesregierung Konsens, „dass die finanziellen Spielräume in den kommenden Haushaltsjahren sehr begrenzt sein werden“.

Damit kann sich Lindner wohl zufriedengeben, Habeck dagegen weniger. Dass die Schuldenbremse im Grundgesetz auch 2024 gelten soll, hat der grüne Vizekanzler erst gar nicht in Frage gestellt.

Doch auf welchem Weg könnten die Grünen an mehr Geld für eigene Projekte kommen? Es wird schwierig. Denn die aktuelle wirtschaftliche Situation spielt eher dem Finanzminister in die Hände. Die Rezessionsfurcht hat deutlich nachgelassen, mit großen Einbrüchen bei den Steuereinnahmen ist nicht zu rechnen.

Staatliche Gegenmaßnahmen über höhere Ausgaben sind derzeit nicht gefragt. Die könnten ohnehin die Inflation antreiben, worauf Lindner seit Wochen verweist. Diese scheint sich derweil hartnäckiger zu halten als gedacht.

70
Milliarden Euro mehr als veranschlagt fordern die Kabinettskollegen vom Finanzminister.

Die allgemeinen Preis- und Lohnsteigerungen könnten wiederum automatisch zu Mehreinnahmen beim Staat führen – Lindner nutzt dies, um Entlastungen vor allem der Wirtschaft zu fordern.

Mit der Inflation steigen die Zinsen, noch eine Entwicklung, die Lindner hilft. Denn damit wird das Schuldenmachen teurer. In seinem Antwortbrief an Habeck hat der Finanzminister daher darauf verwiesen, dass die Schuldenbremse angesichts steigender Zinslasten für den Staat „ökonomisch weise“ sei.

200 Milliarden Euro im Nebenhaushalt

Allerdings gibt es seit vorigem Herbst einen Nebenhaushalt, den Wirtschafts- und Stabilisierungsfonds (WSF), der neue Kredite in Höhe von 200 Milliarden Euro bis 2024 ermöglicht. Schielen die Grünen auf dieses Instrument?

Über den WSF sollen die Energiepreisbremsen und andere Stützungsmaßnahmen wegen der hohen Öl- und Strompreise finanziert werden. Per Gesetz sind die WSF-Ausgaben zwar streng zweckgebunden, aber Gesetze lassen sich auslegen oder auch ändern. Und damit könnte die Verwendung der Milliarden auch zeitlich gestreckt werden.

Jedoch würde sich damit die Zinslast im Etat erhöhen, mit ersten Auswirkungen wohl schon im Etat 2024. Denn der Bund hat sich insbesondere in der Corona-Phase zwar günstig verschuldet wegen der Nullzinsphase.

Aber das hohe Ausmaß der Krisenkredite geht einher mit sehr kurzen Laufzeiten vieler Anleihen. Deren Refinanzierung steht daher zügig an, was zu einer steil wachsenden Zinslast im Etat führen wird.

Bis wohin steigt der Zins?

Schon jetzt rentieren zehnjährige Bundesanleihen, ein Hauptinstrument der Staatsverschuldung, am Finanzmarkt mit 2,53 Prozent. Entsprechend muss Lindner den Zins bei neuen Anleihen ansetzen. Zuletzt konnte die Finanzagentur des Bundes eine Anleihe nur noch mit einem Zinssatz von mehr als 2,8 Prozent am Markt platzieren. Der Trend geht in Richtung drei Prozent.

Isabel Schnabel, die dem Führungsteam der Europäischen Zentralbank angehört, hat erst am Freitag betont, dass die Notenbank noch weit von einem Sieg über die Inflation entfernt sei. Es könnte also noch weiter nach oben gehen als die 3,5 Prozent, die bisher als obere Zielmarke gehandelt werden.  

Lindner wird daher bei der weiteren Schuldenaufnahme massiv auf das Bremspedal treten. Die Zinslast im Bundeshaushalt wird wohl schon bald bei 40 Milliarden Euro oder sogar mehr pro Jahr liegen. Denn die Schulden des Bundes sind von etwa einer Billion Euro im Jahr 2020 krisenbedingt auf mehr als 1,5 Billionen im Vorjahr gestiegen.

Und darin ist der Großteil der neuen kreditfinanzierten Nebenhaushalte der Ampel-Koalition (Sondervermögen Bundeswehr, Klima- und Transformationsfonds, WSF) noch nicht enthalten. Das Bewusstsein für das wachsende Zinslastrisiko ist im Bundestag zwar angekommen. Aber das Verabschieden von den Träumen einer kreditfinanzierten Fortschrittspolitik dauert wohl noch etwas.

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