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Die AfD könnte in Sonneberg den ersten Landrat besetzen (Symbolbild).

© dpa/Hendrik Schmidt

Bundesweit erster AfD-Landrat?: „Das Signal wäre: Eine Stimme für die AfD ist keine vergebene Stimme mehr“

Der thüringische Landkreis Sonneberg könnte am Sonntag den ersten deutschen AfD-Landrat wählen. Politologe André Brodocz sagt, was ein Sieg der Partei bedeuten könnte.

Herr Brodocz, die AfD erlebt gerade deutschlandweit ein Umfragehoch. Im thüringischen Sonneberg könnte mit Robert Sesselmann am Sonntag der erste AfD-Landrat per Stichwahl gewählt werden. Inwiefern hängt das zusammen?
Man sieht hier gewissermaßen das deutschlandweite Erstarken der AfD im Kleinen. Herr Sesselmann hat im Wahlkampf genau die gleichen Probleme angesprochen, die auch die Bundes-AfD anspricht und für die sie gegenwärtig Rückenwind erhält.

Zum Beispiel die Verunsicherung der Bevölkerung, was die aktuelle Klimapolitik angeht, und die Politik der Bundesregierung zu Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine. Die AfD ist in diesen beiden Punkten ein scharfer Kritiker und hat damit Erfolg. Das hat auch in Sonneberg verfangen.

Warum funktioniert das ausgerechnet bei einer kommunalen Wahl?
Wir beobachten immer wieder, dass viele Wählerinnen und Wähler auch bei Kommunal- und Landtagswahlen am stärksten auf bundespolitische Themen reagieren. Dabei geht es in Sonneberg tatsächlich um die Wahl eines Beamten, der für die Ausführung von Gesetzen verantwortlich ist. Er kann nicht groß mitgestalten, insbesondere nicht bei bundespolitischen Themen.

Ist den Wähler:innen klar, dass Herr Sesselmann, der zum Beispiel die deutsche Asylpolitik kritisiert und aus dem Euro rauswill, daran gar nichts ändern kann?
Es gibt sicher Menschen in Sonneberg, die nicht wissen, dass Herr Sesselmann als Landrat dazu gar keine Kompetenzen hat. Aber vielen Menschen, die die AfD wählen, ist das schon bewusst. Sie wollen mit ihrer Wahl gezielt ein Signal in die Bundes- und Landespolitik senden.

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Heißt das, wir haben es in Sonneberg hauptsächlich mit Protestwähler:innen zu tun?
Ich glaube, dass Protestwählerinnen und -wähler vor allem der Grund für den Zuwachs der AfD sind. Für den Wahlerfolg allein sind sie nicht verantwortlich. Es gibt mittlerweile eine solide AfD-Stammwählerschaft, sowohl im Bund als auch in Thüringen. Das sind Menschen, die sich von der Partei wirklich vertreten fühlen. Ich schätze ihren Anteil auf 15 Prozent.

In Sonneberg haben im ersten Wahlgang vor zwei Wochen 47 Prozent AfD gewählt.
Stimmt, das Ergebnis lag deutlich über den Werten, die wir gerade in deutschlandweiten Umfragen sehen. Da liegt die AfD bei um die 20 Prozent. Aber: Die Wahlbeteiligung war vergleichsweise niedrig, nur 50 Prozent der Sonneberger waren wählen. 47 von 50 Prozent sind im Grunde das knappe Viertel der Bevölkerung, die wir gerade auch in bundesweiten Umfragen bei der AfD sehen.

Chancen in Sonneberg: AfD-Kandidat Robert Sesselmann (Archivbild von 2021)

© dpa/Martin Schutt

Warum mobilisiert die AfD hier offenbar besser als die anderen Parteien?
Sie sucht nach Konflikten, bei denen sie alleine auf der einen Seite steht und alle anderen auf der anderen. Bei polarisierenden Themen wie Asylpolitik oder Klimaschutz heißt das für die Bürgerinnen und Bürger: Wenn sie der AfD-Position in diesen Fragen näher sind, gibt es keine andere Partei, die sie repräsentiert. Damit ist die Wahlentscheidung sehr einfach.

Auf Bundes- und Landesebene steht die Brandmauer der CDU – noch.

André Brodocz, Politologe der Universität Erfurt

Und wenn man sich der AfD-Position nicht nahe fühlt?
Dann hat man wiederum mehrere Parteien zur Auswahl und muss erst mal die Unterschiede zwischen ihnen suchen. Wenn diese nicht klar genug sind, kann das demotivierend sein. Dann bekommen Menschen das Gefühl: Es ist eh egal, wen ich wähle.

Wenn die AfD am Sonntag in Sonneberg gewinnt: Welche Auswirkungen hat das auf künftige Wahlen in Deutschland?
Das Signal wäre: Eine Stimme für die AfD ist keine vergebene Stimme mehr. Sie werden diesen Erfolg genau deshalb in den Vordergrund stellen und sagen: Sonneberg ist ein gutes Beispiel dafür, wie sehr die AfD inzwischen in der Bevölkerung verankert ist. Und, dass sie alleine Wahlen gewinnen kann.

Das könnte für strategische Diskussionen innerhalb der Partei relevant werden: Sind sie überhaupt auf Koalitionen mit der Union angewiesen und müssen sich hier annähern und mäßigen? Oder profitieren sie mehr von einer noch schärferen Abgrenzung, um langfristig alleine Mehrheiten zu gewinnen?

Was könnte das für die politische Landschaft bedeuten – bröckelt dann die Brandmauer der Union?
Aus Thüringen sprach sich der CDU-Politiker und Präsident des Thüringer Gemeinde- und Städtebunds, Michael Brychcy, bereits für Gespräche mit der AfD aus. Auf der kommunalen Ebene, sagte er, könne man durchaus pragmatisch zusammenarbeiten.

Bekommt Sonneberg einen AfD-Landrat, dann werden sich CDU-Landräte in Thüringen bei bestimmten politischen Fragen mit ihm abstimmen, um Gespräche mit der Landesregierung zu suchen. Dann strahlt die Zusammenarbeit auf der kommunalen bereits auf die Landesebene aus. Auf Bundes- und Landesebene steht die Brandmauer der CDU – noch. Aber mit einem AfD-Sieg in Sonneberg wird die Partei die Debatte, wie der künftige Umgang mit der AfD aussieht, sicher intensiver führen.

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