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Ein Bikini-Oberteil liegt am Rand eines Schwimmbeckens.

© Mauritius Images/Pixtal/WE052008

Brust-Streit vor Gericht beendet: Diskriminierung muss gar nicht so schlimm sein

Das jüngste Urteil zu einer der unzähligen Geschlechterfragen kann irritierend wirken, weil es mit den politischen Ambitionen der Klägerin ins Gericht geht. Aber hat sie nicht genau das gewollt?

Eine Kolumne von Jost Müller-Neuhof

Die Einsicht, Gleiches gleichzubehandeln, dürfte die wirkmächtigste gesellschaftspolitische Idee mindestens der letzten hundert Jahre sein. Zudem führte sie zu der Erkenntnis, dass zwischen Frau und Mann im Prinzip kein Unterschied besteht, nicht mal ein kleiner.

Die Folge ist ein stabil entwickeltes Antidiskriminierungsrecht, etwa durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) oder, eher neu und bundesweit einzigartig, das Berliner Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG), das ausdrücklich Behörden und Landeseinrichtungen verpflichtet.

Umso bemerkenswerter ist das erste Urteil, das zum LADG ergangen ist, zum Brust-Streit am Berliner Wasserspielplatz „Plansche“. Die Klägerin wehrte sich erfolgreich gegen einen Platzverweis wegen fehlender Brusttextilien. Ihr schlagendes Argument: Brüste sind Brüste. Wenn bei Männern ein Stoff untenrum reicht, reicht er auch bei Frauen.

Schamkultur war gestern, hier gilt das nackte Verfassungsrecht. Da das Land einen Entschädigungsanspruch anerkannte, ging es im Schlussurteil um dessen Höhe, die das Kammergericht auf 750 Euro begrenzte, und die Prozesskosten – die es überraschend der Klägerin auferlegte.

Begründung: Dass man „entwürdigend“ mit ihr umgegangen sei, wie sie behaupte, sei nun mal typisch für eine Diskriminierung. Zudem habe sie ihr „gesellschaftspolitisches Anliegen“ mit großer öffentlicher Resonanz verfolgt, die Bäder hätten ihre Nutzungsordnung geändert. Das müsse genug Genugtuung sein. Sie habe die Konfrontation gesucht und sei alles andere als schutzlos ausgeliefert gewesen. Die behauptete „Traumatisierung“ – nun ja.

Möglich, dass noch weitere Prozesse zum Thema gefochten werden. Aber die nötige Klarheit gibt es. Rein rechtlich dürfen alle oben ohne in die Bäder. Trotzdem scheinen viele, wenn nicht gar die meisten Frauen, darauf zu verzichten. Entweder ein fataler Sieg patriarchaler Sitte – oder das Ganze war nicht so wichtig, wie es von klägerischer Seite gemacht wurde.

Recht ist für die Schwachen da, pflegte eine frühere deutsche Justizministerin zu sagen. Stimmt halb, denn auch die Starken nutzen es für sich. Ob es zur Durchsetzung übergeordneter politischer Anliegen da ist, erscheint mitunter zweifelhaft.

Diskriminierung ist nicht immer das Drama, das daraus gemacht wird.

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