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14.12.2021, Schleswig-Holstein, Schenefeld: Ein neunjähriges Mädchen wird in Begleitung ihrer Mutter und ihres Kuscheltieres bei einer Impfaktion im Einkaufszentrum ·Stadtzentrum Schenefeld· bei Hamburg mit dem Impfstoff von Biontech/Pfizer geimpft. In Schleswig-Holstein haben am Dienstag die Corona-Impfaktionen für Kinder im Alter von fünf bis elf Jahren begonnen. Foto: Christian Charisius/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

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Charité-Experte Sander: „Eltern und Kinder können sich mit gutem Gefühl für die Impfung entscheiden“

Bundesweit beginnen die Impfungen für Kinder im Alter von fünf bis elf Jahren. Diese seien „sehr gut verträglich“, sagt Impfstoff-Forscher Leif Erik Sander im Interview.

In dieser Woche beginnen in Deutschland die Impfungen von Kindern im Alter von fünf bis elf Jahren. Was raten Sie Eltern, die noch keine Entscheidung getroffen haben?
Ich empfehle Eltern von Kindern in dieser Altersgruppe sich zu informieren und eine zeitnahe Impfung in Betracht zu ziehen. Die Wahrscheinlichkeit für Kinder, sich mit dem Coronavirus anzustecken, ist gerade sehr hoch. Die bisher vorliegenden Daten zeigen, dass die Impfung eine sehr gute Option ist, Kinder zu schützen.

Wie sicher ist der Impfstoff?
Aus der Zulassungsstudie mit ein paar tausend Kindern wissen wir, dass der Impfstoff eine sehr gute Wirksamkeit zeigt und es keine relevanten Nebenwirkungen gab. Am Wochenende sind außerdem Daten der Gesundheitsbehörden in den USA öffentlich geworden, wo schon fünf Millionen Kinder geimpft wurden. Auch da hat es keine Auffälligkeiten gegeben, insbesondere keine Hinweise auf Herzmuskelentzündungen.

Leif Erik Sander bei einer Pressekonferenz.
Leif Erik Sander bei einer Pressekonferenz.

© picture alliance/dpa

Die Ständige Impfkommission empfiehlt im Moment die Impfung ausdrücklich nur für Kinder mit Grunderkrankungen, die das Risiko von schweren Covid-19-Verläufen erhöhen. Heißt das umgekehrt, dass gesunde Kinder lieber nicht geimpft werden sollten?
Nein, das heißt es nicht, denn die Stiko hätte auch die Möglichkeit, die Impfung explizit nicht zu empfehlen. Das tut sie aber nicht. In der Stellungnahme heißt es, dass auch gesunde Kinder nach ärztlicher Beratung geimpft werden können. Meiner Meinung nach können sich Eltern und Kinder mit gutem Gefühl für die Impfung entscheiden. Sie müssen immer auch bedenken, dass ein Großteil der Kinder ohne Impfung sich in diesem Winter infizieren wird.

Bei Jugendlichen gab es zuerst auch nur eine eingeschränkte Impf-Empfehlung für Vorerkrankte, später dann die allgemeine. Erwarten Sie, dass es auch bei den Kindern so kommen wird?
Ich möchte der Stiko nicht vorgreifen, aber die Stiko empfiehlt erst dann, wenn sie ausreichend Daten für eine evidenzbasierte Empfehlung vorliegen hat. Irgendwann müssen die bei der Bewertung einen Schnitt machen. Die Daten vom Wochenende aus den USA werden sie wahrscheinlich noch nicht betrachtet haben.

Verträgt ein 11-Jähriger die Impfung besser als eine 5-Jährige?
Da sind mir keine generellen Unterschied bekannt. Die Impfung scheint nach den bisherigen Daten sehr gut verträglich zu sein. Kinder erhalten ja zudem nur ein Drittel der Erwachsenen-Dosis.

Mit welchen Impfreaktionen müssen Kinder rechnen?
Das sind die üblichen Impreaktionen wie Schmerzen im Arm, Müdigkeit, vielleicht auch mal eine Nacht lang Fieber. Aber wie gesagt: Die bisherigen Studien zeigen eine sehr gute Verträglichkeit.

Jugendlichen und Erwachsenen wird nach der Zweit-Impfung oder der Auffrischung geraten, ein paar Tage keinen Sport zu machen. Gilt das auch für Kinder?
Das ist eine Empfehlung ein bisschen aus dem Bauch heraus, die ich aber sehr praktikabel finde. Der Verzicht auf starke körperliche Anstrengung soll das ohnehin extrem seltene Risiko einer Herzmuskelentzündung weiter verringern. Aber noch einmal: Bei Kindern gibt es bisher keine Hinweise auf Herzmuskelerkrankungen.

Die Stiko hat bisher argumentiert, für gesunde Kinder bestehe nur ein geringes Risiko einer schweren Covid-19-Erkrankung.
Zum Glück befällt das Virus Kinder nicht so schlimm, es besteht kein Grund zur Panik. Doch die Krankheitslast ist auch nicht null. In sehr seltenen Fällen gibt es schwere Krankheitsverläufe, Post-Covid-Komplikationen oder das inflammatorische Syndrom, mit dem Kinder dann doch im Krankenhaus behandelt werden müssen.

Ich finde außerdem, dass wir auch die kindliche Psyche im Blick haben sollten. Bei Infektionen müssen Kinder in Quarantäne. Anders als ihre geimpften Eltern oder ältere Geschwister müssen sie sich häufig testen. Wenn Kinder durch eine Impfung geschützt werden, kann das für sie alle auch befreiend sein.

Was ändert sich in diesem Winter durch die hohen Infektionszahlen oder durch neue Virusvarianten wie Omikron für Kinder?
Im Moment bewegen wir uns bei Omikron im Bereich der Mutmaßungen. Klar ist, dass bei einer ungehemmten Verbreitung der neuen Variante auch mehr Kinder infiziert werden. Ob es auch zu schwereren Verläufen kommen kann, wissen wir nicht.

Sie gehören dem neuen Expertengremium an, das die Bundesregierung bei der Pandemiebekämpfung beraten soll. Was sollte die Politik in dieser vierten Welle beherzigen?
Die Konstellation in diesem Winter ist extrem kritisch: Die Infektionstätigkeit durch Delta ist immer noch sehr hoch, auch wenn wir gerade zum Glück eine leichte Seitwärts- oder Abwärtsbewegung erleben.

Die Zahl der Omikron-Infektionen wird parallel sehr, sehr rasch ansteigen. In Dänemark wird Omikron gerade zur dominanten Variante. In England, Schottland, den Benelux-Staaten und der Schweiz sieht es ähnlich aus. In Deutschland sind wir etwas hinterher, aber auch hier wird es ganz schnell gehen.

Was heißt das für die Impfkampagne?
Wichtig ist, dass wir weiter Impflücken schließen. Wir müssen aber auch mit sehr hohem Tempo boostern. Unsere Studien mit der Universitätsklinik Köln zeigen, dass eine Booster-Impfung das Risiko schwerer Erkrankungen auch bei Omikron deutlich reduziert. Je mehr Impfungen wir in den nächsten Tagen schaffen, desto besser.

Welche Vorkehrungen muss die Bundesregierung fürs nächste Jahr treffen?
Aus diesem Sommer haben wir als Gesellschaft eins gelernt: wir sollten uns im Hintergrund noch besser vorbereitet sein, wir müssen uns auch für den schlimmsten Fall wappnen. Entscheidend ist, dass wir im nächsten Jahr genug Impfstoff haben und eine stabile Datenbasis. In den nächsten Monaten wird es auch Impfstoffe geben, die an die neue Omikron-Variante angepasst sind.

Vermutlich wird es in der kalten Jahreszeit immer wieder zu Infektionswellen kommen. Bei älteren Menschen müssen wir aufpassen, dass sie dann noch ausreichenden Impfschutz haben – oder es werden neue Auffrischungen nötig.

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