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Luiz Inacio Lula da Silva nach seinem Sieg über den noch amtierenden brasilianischen Präsidenten Bolsonaro.

© Foto: dpa/Lincon Zarbietti

Dämpfer für extreme Rechte um Bolsonaro: Lulas Sieg offenbart die Stärke der brasilianischen Demokratie

In seiner ersten Rede nach dem Zittersieg mahnt Lula da Silva die Brasilianer zur Geschlossenheit. Ihm stehen harte Zeiten bevor – das Land ist tief gespalten. Eine Wahlanalyse.

„Es gibt keine zwei Brasilien, es gibt nur ein Brasilien.“ Die Botschaft des Wahlgewinners war versöhnlich und ein Angebot an eine tief gespaltene Nation. Lula da Silva wird am 1. Januar erneut Präsident Brasiliens, nachdem er das Land bereits zwischen 2003 und 2011 regierte.

Der 76-Jährige gewann am Sonntag die Stichwahl gegen Amtsinhaber Jair Bolsonaro in der knappsten Präsidentschaftswahl seit Brasiliens Rückkehr zur Demokratie 1989. Lula erhielt 50,9 Prozent der gültigen Stimmen, Bolsonaro 49,10 Prozent. Der Unterschied zwischen beiden betrug etwas mehr als zwei Millionen Stimmen.

In einer ersten Rede kündigte Lula die Wiederaufnahme seiner im Grunde sozialdemokratischen Agenda an: die Bekämpfung der Armut, mehr sozialen Wohnungsbau, die Unterstützung unterrepräsentierter Gruppen wie Schwarze und Frauen sowie Investitionen in Bildung und Gesundheit.

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Er versprach außerdem, die Abholzung des Amazonaswalds zu reduzieren und Brasilien wieder zu einem international verlässlichen Partner zu machen, nachdem der ultrarechte Bolsonaro das Land international isoliert hat.

Lulas wichtigste Botschaft aber war der Aufruf zu Frieden und zur Versöhnung. Die gelbgrüne Fahne des Landes sei die Fahne aller Brasilianer, sagte er, Hass und Division müssten ein Ende haben. Vielen von Lulas Anhängern, die die Auszählung in Bars, Restaurants und auf öffentlichen Plätze verfolgten, standen bei den Worten Tränen in den Augen.

Im Zentrum São Paulos kamen Zehntausende zusammen, um den Wahlsieg Lulas frenetisch zu feiern; in Rio de Janeiro zogen spontan Karnevalskapellen durch die Straßen, es gab Feuerwerk. Es war vor allem eine große Erleichterung spürbar. „Der Alptraum hat ein Ende“, war ein Satz, den man immer wieder hörte.

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Lula gilt vielen Brasilianern als Hoffnungsträger

Tatsächlich waren die vergangenen vier Jahre unter Bolsonaro geprägt von stetigem Krawall, Provokationen, Lügen, Umweltzerstörung, der Beschimpfung von Gegnern sowie der Schwächung demokratischer Institutionen und Gepflogenheiten.

Viele Brasilianer litten regelrecht darunter, dass ihr Land derart hässlich präsentiert wurde. Für sie wurde Lula trotz seines Alters und der Korruptionsskandale während seiner Amtszeit zum Hoffnungsträger für ein zivilisiertes und menschlicheres Brasilien. Es ist gleichzeitig ein Armutszeugnis für Brasiliens Progressive, dass es niemanden gibt, der auch nur annähernd an das Charisma, den Machtwillen und die Eloquenz Lulas heranreicht.

Es wird nun die größte Herausforderung für Lula sein, wieder so etwas wie demokratische Umgangsformen herzustellen, um überhaupt regieren zu können. Im Kongress sind gemäßigt rechte bis rechtsextreme Abgeordnete und Senatoren sehr stark vertreten. Die drei wichtigsten Bundesstaaten des Landes – São Paulo, Rio de Janeiro und Minas Gerais – werden von bolsonaristischen Gouverneuren regiert.

Luiz Inacio Lula da Silva zusammen mit der ehemaligen Umweltministerin Marina Silva ab nach Abgabe seiner Wahlstimme.

© Foto: REUTERS/Mariana Greif

Lula hat bereits angekündigt, dass er mit allen reden werde. Er hat im Wahlkampf bewiesen, dass er Bündnisse schmieden und ehemalige Gegner mit ins Boot holen kann, darunter sein künftiger Vize-Präsident Geraldo Alckmin sowie die ehemalige Umweltministerin Marina Silva.

Bolsonaro und seine Anhänger schweigen

Die Frage bleibt, wie ein Dialog mit einer christlich-fundamentalistischen Opposition aussehen soll, die Waffen und Gewalt verherrlicht und deren tiefer Hass auf den „Kommunisten“, „Dieb“ und „Teufel“ Lula zu den Hauptantrieben gehört.

Nur wenige Stunden vor der Wahl hatte eine weiße bolsonaristische Abgeordnete mit gezogener Waffe einen Schwarzen durch die Straßen São Paulo gejagt, weil er sie angeblich beleidigt habe. In der Wahlnacht errichteten Lastwagenfahrer brennende Barrikaden im von der Agrarindustrie dominierten Hinterland und kündigten an, den Sieg Lulas nicht anzuerkennen.

Vor der Wahl hatte es die Furcht gegeben, dass Präsident Bolsonaro das Votum im Fall einer Niederlage nicht anerkennen und seine Anhänger zum Widerstand aufrufen werde – so wie es Donald Trump in den USA bis heute tut. Immer wieder hatte Bolsonaro die Sauberkeit des Wahlprozesses in Frage gestellt und angekündigt, dass einzig Gott ihn aus dem Präsidentenpalast holen werde.

Am Wahltag gab es dann eine Vielzahl beunruhigender Berichte von illegalen Polizeikontrollen und Einschüchterungsversuchen aus dem ärmeren Nordosten Brasiliens, wo Lula besonders viele Wähler hat.

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Als dann jedoch der Wahlsieg Lulas feststand, waren die Bolsonaristas erstaunlich still. Nichts drang aus dem Präsidentenpalast heraus. Weder der Präsident noch seine Söhne oder Minister äußerten sich. Es hieß, Bolsonaro sei verbittert, er wolle mit niemandem sprechen und sei früh ins Bett gegangen.

Mit seiner Weigerung, Lula zum Wahlsieg zu gratulieren, brach er mit einer weiteren demokratischen Tradition. Für Erleichterung sorgte hingegen, dass Brasiliens Streitkräfte still hielten, deren Nähe zu Bolsonaro kein Geheimnis ist.

Ohnehin zeigte sich, dass die zweitgrößte Demokratie Amerikas stabil ist. Der Wahlprozess in Brasilien, der mit elektronischen Urnen durchgeführt wird, gehört zu den schnellsten und zuverlässigsten der Welt – nicht zu vergleichen beispielsweise mit dem chaotischen und undemokratischen Wahlsystem der USA.

Das Endergebnis stand vier Stunden nach Schließung der Wahllokale fest. Die Wahlbehörden, die Medien aber auch die Spitzen des Kongresses erkannten Lulas Wahlsieg umgehend an und ließen keinen Raum für Zweifel an der Korrektheit des Ergebnisses. Der Wahlsieg bedeutet die Rückkehr Brasiliens zur demokratischen Normalität und ist eine Niederlage für die neue extreme Rechte, die rund um die Welt für Rückschritt und Unruhe sorgt.

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