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Neuer Vorstoß: Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne).

© dpa/Marijan Murat

Billigere Energie bis Ostern 2024: Robert Habecks teure Ideen

Der Wirtschaftsminister fordert Preisbremsen für Strom und Gas bis Ostern 2024. Zugleich will er den Industriestrompreis generell deckeln. Das wäre teuer – und die FDP will Schulden deckeln.

Vor einem Jahr etwa schwante der Ampelkoalition, dass es ein Winter der Unzufriedenheit werden könnte, wenn sie nicht zügig handelt. Putins Krieg trieb die Energiepreise nach oben.

Der Ölpreis fiel zwar schon wieder nach dem Hoch im Frühjahr. Doch der Einfuhrpreis für Erdgas erreichte einen neuen Rekordwert im August 2022. Die Kurve beim Strompreis führte steil nach oben. Die EU-Kommission machte sich daran, den Mitgliedstaaten Preisbremsen zu erlauben. In Berlin begann die Arbeit an den Strom- und Gaspreisbremsen.

Es dauerte dann noch einige Monate, bis das Gesetz stand. Die Finanzierung war schwierig – über ein gewagtes Konstrukt wurden im Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) 200 Milliarden Euro an neuen Krediten für das Projekt bereitgestellt und auf das Jahr 2022 gebucht, weil Finanzminister Christian Lindner (FDP) im Jahr 2023 die Schuldenbremse wieder einhalten wollte.

Vorsicht ist jetzt die Mutter der Porzellankiste.

Robert Habeck (Grüne), Bundeswirtschaftsminister

Rückwirkend zum 1. Januar dieses Jahres deckelte die Bundesregierung dann den Gaspreis beim Heizen für Verbraucher und kleinere Unternehmen bei 12 Cent je Kilowattstunde. Fernwärme wurde bei 9,5 Cent gedeckelt.

Die Strompreisbremse griff bei einem Preis oberhalb von 40 Cent pro Kilowattstunde bei privaten Haushalten und Kleinunternehmen. In der Großindustrie wurde der Strompreis bei 13 Cent gedeckelt, der Gaspreis bei sieben Cent.

Für 2023 sah der Wirtschaftsplan des WSF 40 Milliarden Euro für die Gaspreisbremse vor, 43 Milliarden für die Strompreisbremse. Dazu kamen weitere Milliarden für Stützungsmaßnahmen, nicht zuletzt an Krankenhäuser und Pflegeheime. 15 Milliarden Euro wurden zur Rettung des Gaskonzerns Uniper bereitgestellt – der gerade angekündigt hat, mit der Rückzahlung der Hilfsmittel zu beginnen. Mit etwa 120 Milliarden Euro sollten 2023 die Preislawine bekämpft werden.

Nur 18 Milliarden Euro

Es kam nicht so schlimm. Zwar ist erst im kommenden Jahr endgültig klar, wie hoch die Summe am Ende sein wird, die für die Preisdeckelung ausgegeben werden mussten. Aber schon im März gingen die Wirtschaftsweisen wegen geringeren Bedarfs dank mildem Winter, Sparen in der Bevölkerung und sinkender Energiepreise davon aus, dass nur 38 Milliarden Euro tatsächlich notwendig sein dürften. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) rechnet aktuell sogar nur noch mit 18 Milliarden Euro.

Dennoch will er auch für den kommenden Winter Preisbremsen. Rechtlich ist das möglich, das Gesetz macht Zahlungen auch 2024 möglich. Bis Ostern möchte Habeck das Angebot aufrechterhalten. „Vom heutigen Tag aus gesehen bräuchten wir Strom- und Gaspreisbremse eigentlich nicht mehr, weil wir die Extremspitzen gebrochen haben“, sagte er am Donnerstag am Rande seiner Sommerreise durch Süddeutschland. Die Strompreise für Neukunden bewegten sich wieder auf dem Vorkriegsniveau, Gas sei deutlich billiger als noch vor einem Jahr.

Im besten Fall unnötig

Doch fügte er hinzu: „Vorsicht ist jetzt die Mutter der Porzellankiste. Es kann immer wieder etwas passieren.“ Er verwies neben Engpässen auch auf Spekulationen an den Märkten. „Der beste Fall ist, wir verlängern die Preisbremsen und brauchen sie nicht“, sagte Habeck weiter. Für den Fall, dass etwas passiere, habe man eine Sicherheit. Sollten die Märkte stabil bleiben, würden keine Extrakosten entstehen. Habeck betonte jedoch, dass es ihm nur um eine einmalige Verlängerung gehe und die EU dafür ihr Einverständnis erklären müsse.

Mittel mit Sperrvermerk

Allerdings gibt es auch noch eine innenpolitische Hürde. Zwar hat die Regierung in ihrem Etatentwurf für 2024 schon Vorsorge für die Verlängerung getroffen. Für die Deckelung des Strompreises sind 4,4 Milliarden Euro vorgesehen, beim Gaspreis sind es noch knapp zwei Milliarden Euro. Ebenfalls zwei Milliarden Euro sind für Kliniken und Pflegeeinrichtungen reserviert. Im weiteren Gesetzgebungsverfahren oder per Nachtrag wären diese Summen auch noch zu erhöhen – genügend Kreditermächtigungen liegen im WSF.

Doch die Mittel haben einen Sperrvermerk. Freigeben kann sie nur der Haushaltsausschuss des Bundestags. Im Etatentwurf ist dazu ausdrücklich vermerkt: „Voraussetzung für die Aufhebung ist jeweils eine konkrete Darlegung der beabsichtigten Maßnahmen.“ Habeck müsste also eine Notwendigkeit darlegen – Vorsichtsmaßnahme allein dürfte nicht genügen.

Brücke für die Industrie

Habecks Vorstoß dürfte allerdings in einem weiteren Zusammenhang stehen. Am Mittwoch hatte er abermals für seinen Plan eines Industriestrompreises geworben – also einer dauerhaften oder doch längeren Preissubvention für größere Unternehmen mit höherem Energiebedarf. Die schwächelnde Konjunktur und mögliche Verlagerungen von Produktion in Länder mit billigerem Strom nutzt Habeck als Argument für seinen Plan.

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Ein Brücken-Industriestrompreis könne Unternehmen helfen, solange die Energiekosten sehr hoch sind, sagte Habeck am Mittwoch in den „Tagesthemen“. Einig ist sich die Ampelkoalition aber nicht, vor allem die FDP hat Bedenken. Denn Habecks Idee ist teuer – und läuft auf mehr Schulden hinaus.

Der WSF mit seinen immensen Kreditermächtigungen wäre das geeignete Mittel, eine Industriestromförderung wäre unter Umständen auch mit der Zweckbindung der Kredite in Einklang zu bringen. Er verstehe, dass der Finanzminister kritisch darauf schaue, sagte Habeck. „Aber die Frage ist: Keine Gelder aufnehmen oder keine Industrie mehr haben?“

Gerät die FDP nun in eine Zwickmühle zwischen Interessen der Wirtschaft und dem eigenen Wunsch nach möglichst geringer Verschuldung? Vorerst stützt sie Habecks Überlegung, die Preisbremsen weiter wirken zu lassen. „Wir setzen alles daran, dass wir nie wieder derart stark steigende Energiepreise erleben wie im vergangenen Jahr“, sagte FDP-Fraktionsvize Lukas Köhler dem Tagesspiegel.

Dank der „sehr gut gefüllten Gasspeicher“ sowie dem weiteren Ausbau der LNG-Kapazitäten könne man sehr viel optimistischer auf den kommenden Winter blicken, als dies viele noch vor wenigen Monaten erwartet hätten, ergänzte der bayerische FDP-Politiker. „Wir werden aber weiterhin auf alle Eventualitäten vorbereitet sein und eine finanzielle Überforderung der Menschen und Unternehmen auch im derzeit eher unwahrscheinlichen Falle einer abermaligen Preisexplosion verhindern. Die bereits bewährten Preisbremsen können hierzu sicherlich einen wichtigen Beitrag leisten.“

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