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Ampel und Gemüse

© Adobe Stock (3), Gestaltung: Sabine Wilms

Ernährungsstrategie: Die Ampel will mehr Gemüse und weniger Fleisch

Den Grünen hängt der Vorwurf an, den Speiseplan der Bevölkerung vorschreiben zu wollen. Mit der Ernährungsstrategie macht die Ampel nun gesunde Vorschläge, aus der Opposition kommt Kritik.

Eine Sache ist Cem Özdemir am Mittwoch nach dem Beschluss im Bundeskanzleramt besonders wichtig: „Da hat niemand jemandem etwas vorzuschreiben“, sagt der Bundeslandwirtschaftsminister über die neue Ernährungsstrategie. Zwei Jahre hat sein Haus daran gearbeitet, nun wurde das 69-seitige Papier vom Kabinett verabschiedet. „Ich will, dass jeder eine echte Wahl für gutes Essen bekommt“, sagt der Grünen-Politiker.

Doch in der Strategie, die sich die Ampel in den Koalitionsvertrag geschrieben hatte, macht sie sehr deutlich, welche Ernährung sie sich von den Deutschen in Zukunft erhofft.

„Ziel ist es, eine pflanzenbetonte Ernährung mit einem hohen Anteil an möglichst unverarbeitetem, saisonal-regionalem Gemüse und Obst, ballaststoffreichen Getreideprodukten und Hülsenfrüchten sowie Nüssen einfacher zugänglich zu machen“, heißt es dort detailliert. Der Konsum tierischer Lebensmittel soll dagegen „gesundheitsförderlich und nachhaltig“ gestaltet werden.

„Veggie-Days“ in Kantinen

Seit der Idee des sogenannten Veggie-Days in Kantinen stehen gerade die Grünen unter Verdacht, der Bevölkerung den Speiseplan diktieren zu wollen. Zumindest mit Blick auf die Kantinen in Kitas und Schulen fordert die Ampel tatsächlich Änderungen. Der Anteil an Gemüse, Salat und Rohkost sei zu gering, der Anteil an Fleisch zu hoch. „Vollkornprodukte und Fisch sind ebenso unterrepräsentiert wie ökologische Produkte“, heißt es kritisch.

600
Gramm Fleisch sollen laut Experten maximal pro Woche verzehrt werden. Bislang liegt der Durchschnitt in Deutschland bei mehr als einem Kilo.

Dort will die Ampel nun verbindlich die Standards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung durchsetzen. Dort werden etwa drei Portionen Gemüse, zwei Portionen Obst und mehr Vollkornprodukte, statt Weißmehlprodukte gefordert. Der Konsum von Salz soll dagegen auf sechs Gramm pro Tag, der Verzehr von Wurst und Fleisch auf 300 bis 600 Gramm pro Woche reduziert werden.

Die Kantinen sollten ein gesundes und abwechslungsreiches Essen bieten, so Özdemir: „Wir dürfen nicht akzeptieren, dass Menschen gezwungen werden, sich monoton zu ernähren, wenn sie das nicht wollen.“

Keine konkreten Maßnahmen

SPD, Grüne und FDP sehen vor allem mit Blick auf die Gesundheitssituation im Land Handlungsbedarf. Angesichts von 8,5 Millionen Diabetikern, 15 Prozent übergewichtiger Kinder und gesamtgesellschaftlicher Kosten wegen Adipositas in Höhe von 63 Milliarden Euro brauche es eine gesündere Ernährung und mehr Bewegung.

Und auch aus Klimaschutzgründen will die Ampel handeln. Das globale Ernährungssystem sei für 21 bis 37 Prozent der weltweiten und für ein Fünftel der hiesigen Treibhausgasemissionen verantwortlich. Zudem sei das Ernährungssystem mitverantwortlich für das Artensterben. „Das derzeitige Ernährungssystem stößt an planetare Belastungsgrenzen.“

Cem Özdemirs Ernährungsstrategie ist das Ankündigungspapier eines Ankündigungsministers.

 Albert Stegemann, agrarpolitischen Sprecher der Union im Bundestag, hält wenig von dem 69-seitigen Papier.

Die neue Strategie hat einige Ideen - etwa Ernährungskampagnen auf Social Media, eine Ausweitung von Herkunftskennzeichnung für Lebensmittel oder die Halbierung der elf Millionen Tonnen Lebensmittelabfälle - doch konkrete Maßnahmen sieht sie zunächst nicht vor. Auch beim Werbeverbot für zuckerhaltige Produkte für Kinder, dem Zukunftsprogramm Ökolandbau und dem Tierschutzgesetz hat der Grünen-Politiker bislang zwar öffentlichkeitswirksam Pläne vorgelegt, beschlossen wurde davon jedoch noch nichts.

Entsprechend reagieren am Mittwoch Verbände und Opposition: „Cem Özdemirs Ernährungsstrategie ist das Ankündigungspapier eines Ankündigungsministers“, sagt Albert Stegemann, agrarpolitischen Sprecher der Union im Bundestag, dem Tagesspiegel.

Der Abgeordnete, der auch Landwirt ist, befürchtet, die pflanzenbetonten Ernährung könne zulasten der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung gehen. „Erneut versucht die Ampel mit dieser Strategie mehr Bio in die Regale zu drücken, obwohl dafür nur ein kleiner Markt existiert.“

Die frühere Landwirtschaftsministerin Renate Künast, lobt dagegen die Strategie ihres Parteifreunds. Für die Bauern sei sie ein Fingerzeig. „Der Bedarf an Fleisch reduziert sich und gleichzeitig deckt die heimische Gemüse-Produktion nicht einmal 40 Prozent“, sagte sie dem Tagesspiegel. Darauf müssten die Landwirte reagieren.

„Länder wie Dänemark und die Niederlande sind da schon viel weiter und haben diesen Wirtschaftszweig für sich entdeckt. Wir sollten in der Landwirtschaft nicht ständig zu spät sein.“

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