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Das Bundeskanzleramt

© Imago/Photothek/Florian Gaertner

Experten kritisieren Deutschland: Bundesregierung tut zu wenig gegen Korruption

Die Bundesregierung setzt Empfehlungen zur Vorbeugung von Korruption in ihren eigenen Reihen nicht um. Was Experten des Europarats bemängeln – eine Analyse.

Der frühere Bundestagsabgeordnete Volkmar Vogel hat einen neuen Job: Der CDU-Politiker arbeitet heute als selbständiger Berater für die Lobbyagentur Eutop Europe. Weil er nicht nur einfacher Abgeordneter war, sondern parlamentarischer Staatssekretär im Bundesinnenministerium, musste er sich seine neue Tätigkeit von der Bundesregierung genehmigen lassen.

Das Kabinett entschied allerdings im August vergangenen Jahres, Vogel die Aufnahme der neuen Tätigkeit für den Zeitraum von zwölf Monaten nach dem Ausscheiden aus dem Amt zu untersagen.

Auch der ehemalige parlamentarische Staatssekretär im Bundesjustizministerium, Christian Lange (SPD), bekam einen ähnlichen Bescheid. Er durfte seine neue Arbeit als Unternehmensberater für Roland Berger ebenfalls erst ein Jahr nach dem Ende seiner Amtszeit beginnen.

Karenzzeit für Ex-Regierungsmitglieder gilt als zu kurz

Die Bundesregierung kann ehemaligen Ministern und parlamentarischen Staatssekretären die Aufnahme einer neuen Tätigkeit für bis zu 18 Monate verbieten, falls dadurch „öffentliche Interessen beeinträchtigt werden“. In der Regel wird allerdings nur für maximal ein Jahr eine Untersagung ausgesprochen. Nur in besonders schweren Fällen kann eine Sperre für 18 Monate ausgesprochen werden. Das ist allerdings bisher nicht ein einziges Mal vorgekommen.

Nach Ansicht der Staatengruppe gegen Korruption (Greco), die beim Europarat angesiedelt ist, geht die Regelung in Deutschland nicht weit genug. In einem neuen Bericht bemängeln die Greco-Experten, dass die Bundesregierung Empfehlungen zur Prävention von Korruption bei hochrangigen Entscheidungsträgern bisher nicht umgesetzt hat.

Bereits 2020 hatten die Experten in einer Evaluierung empfohlen, eine Verlängerung der Karenzzeit zu erwägen und auch Sanktionen für Verstöße einzuführen.

Nun bemängelt Greco in dem Bericht zur Umsetzung der Empfehlungen, dass „eine Verlängerung der Frist rundweg abgelehnt wird“. Die Experten weisen darauf hin, dass auch die EU-Kommission in ihrem Bericht zur Rechtsstaatlichkeit in Deutschland die kurzen Abkühlzeiten für ehemalige Regierungsmitglieder beanstandete.

Beide Gremien kritisierten, dass die Karenzzeiten für Minister und parlamentarische Staatssekretäre deutlich geringer sind als für beamtete Staatssekretäre und Abteilungsleiter, für die eine Frist von bis zu fünf Jahren gilt.

Aus Sicht der Bundesregierung sind jedoch beide Gruppen nicht vergleichbar, da die Beamten in der Regel während ihres gesamten Arbeitslebens im Staatsdienst bleiben. Politische Spitzenämter in der Bundesregierung würden aber nur zeitlich begrenzt ausgeübt, was eine berufliche Neuorientierung erforderlich mache.

Die Bundesregierung geht grundsätzlich von der Eigenverantwortung ehemaliger Regierungsmitglieder für rechtstreues Verhalten auch nach dem Ausscheiden aus dem Amt aus.

Bericht der Staatengruppe gegen Korruption (Greco)

Sollte ein ehemaliges Regierungsmitglied die Aufnahme einer Tätigkeit nicht melden oder sich über eine Entscheidung zur Karenzzeit hinwegsetzen, drohen bisher keine Konsequenzen. Sanktionen für mögliche Verstöße hält die Bundesregierung nicht für notwendig, wie sie in ihrer Stellungnahme an Greco darlegte.

Die Korruptionsexperten fassen die Position der Bundesregierung so zusammen: „Sie geht grundsätzlich von der Eigenverantwortung ehemaliger Regierungsmitglieder für rechtstreues Verhalten auch nach dem Ausscheiden aus dem Amt aus.“ Dagegen fordern die Experten einen „wirksamen Durchsetzungsmechanismus für Beschlüsse zu Karenzzeiten“.

Auch in einem weiteren Punkt hat die Bundesregierung nach Auffassung der Korruptionsexperten „keine konkreten Fortschritte“ erzielt. Greco hatte 2020 empfohlen, dass ranghohe Regierungsvertreter künftig ihre finanziellen Interessen offenlegen. Die Bundesregierung lehnt dies ab, weil es sich dabei um „Grundrechtseingriffe“ handele.

Zuletzt hatte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) mit einem hohen Bankkredit für einen Hauskauf Schlagzeilen gemacht. Der Vorgang war erst durch einen „Spiegel“-Bericht bekannt geworden.

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