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Ein Tempolimit könnte dem Klima helfen. Eine Pkw-Maut noch mehr.

© picture alliance / SvenSimon / dpa/Sven Simon

Grüne machen Druck auf FDP: Ein Tempolimit könnte das Klima stärker schützen als gedacht

Eine Studie des Umweltbundesamts hält Tempo 120 auf deutschen Autobahnen für eine effektive Maßnahme für mehr Klimaschutz. Die FDP winkt jedoch erneut ab.

Eigentlich ist der Koalitionsvertrag der Ampel-Parteien eindeutig. „Ein generelles Tempolimit wird es nicht geben“, heißt es auf Seite 52 kurz und deutlich. Und doch streiten SPD, Grüne und FDP seit Beginn der Legislaturperiode über kaum eine Maßnahme so erbittert wie über ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen.

Nun hat die Kontroverse neuen Zündstoff erhalten. Auf mehr als 350 Seiten kommt das Umweltbundesamt (UBA) in einer Studie zu dem Schluss, dass ein Tempolimit von 120 Stundenkilometern deutlich mehr CO₂ einsparen würde als bislang gedacht.

Waren die Wissenschaftler in einer früheren Untersuchung noch von einer Minderung der Emissionen um 2,6 Millionen Tonnen CO₂ pro Jahr ausgegangen, schätzen sie die Einsparungen inzwischen auf 6,7 Millionen Tonnen. Damit könnten die CO₂-Emissionen im gesamten Verkehrsbereich um 4,2 Prozent zurückgehen. Die Fahrzeit auf den Straßen würde sich mit der Einführung eines Tempolimits nach Einschätzung der Wissenschaftler im Schnitt nur um ein Prozent erhöhen.

Eine Pkw-Maut könnte noch mehr Emissionen einsparen

Die deutlich höheren Einsparungen erklären die Forscher der Universität Stuttgart und Graz mit einer neuen Methodik ihrer Berechnungen. Anders als in der Vergangenheit habe man dieses Mal auch Verhaltensmuster von Autofahrern mitberechnet. Demnach würde ein Tempolimit Autobahnen unattraktiver machen im Vergleich zu Landstraßen. „Es wird direkter gefahren, da die Nutzung der Autobahn meist mit längeren Umwegen verbunden ist“, heißt es in der Studie.

Zudem würde eine Geschwindigkeitsbegrenzung die Attraktivität des Autos reduzieren, mehr Menschen würden auf andere Verkehrsmittel umsteigen. Ein kleiner Teil der Menschen dürfte dann ganz auf das Auto verzichten und etwa auf die Bahn setzen. „Die gesamte Reduzierung der Fahrleistung auf allen Streckentypen beträgt 1,8 Prozent und 2,1 Prozent beim Pkw-Verkehr“, heißt es.

Die größte Einsparung, so die Wissenschaftler, würde aber nicht ein Tempolimit, sondern eine Pkw-Maut erbringen. Dadurch könne man die Emissionen im Verkehrsbereich um jährlich neun Prozent drücken, ist das Ergebnis der Studie.

Verkehrsminister Wissing läuft den Klimazielen in seinem Bereich bislang hinterher.

© Robert Rieger

Die Grünen, die sich schon lange für ein Tempolimit einsetzen und gerne auch das Verkehrsministerium besetzt hätten, sehen sich bestätigt. „Die Klimaschutzlücke im Verkehrssektor ist riesig“, sagte der verkehrspolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Stefan Gelbhaar, dem Tagesspiegel.

In der Koalition gibt es seit Monaten Streit über die sogenannten Sektorziele. Demnach muss jedes Ministerium CO₂-Einsparungen in seinem Bereich bis 2030 erreichen. Doch das Verkehrsministerium von Volker Wissing (FDP) scheint dieses Ziel deutlich zu verfehlen. Denn dort klafft eine Lücke von 120 bis 170 Millionen Tonnen CO₂, die bis 2030 eingespart werden müssen.

Verkehrsminister Volker Wissing dürfe mit seiner Politik nicht länger gegen das Klimaschutzgesetz verstoßen, mahnte Gelbhaar. „Die neuen Daten aus dem Umweltbundesamt bieten einen guten Anlass, die Position zum Tempolimit zu ändern“, sagte der Berliner Verkehrspolitiker. „Das Tempolimit kann einen Beitrag zum Klimaschutz und vor allem auch zur Sicherheit leisten.“

Die neuen Daten aus dem Umweltbundesamt bieten einen guten Anlass, die Position zum Tempolimit zu ändern.

Der verkehrspolitische Sprecher der Grünen, Stefan Gelbhaar, wirbt bei der FDP für ein Tempolimit.

Zum Jahreswechsel hatte genau das ausgerechnet der einzige Ministerpräsident der Grünen, Winfried Kretschmann, bezweifelt. „Ob wir ein Tempolimit umsetzen oder nicht, ist für den internationalen Kampf gegen den Klimawandel völlig irrelevant“, sagte er damals dem Tagesspiegel. Zwar befürwortete er ein Tempolimit, aber der Glaube, mit dem „radikalsten Klimaschutz die Welt retten zu können“, sei trügerisch, so der Ministerpräsident von Baden-Württemberg.

FDP spricht von „ideologischer Agenda“

Die FDP lehnte am Freitag ein Tempolimit erneut vehement ab. „Die CO₂-Einsparung durch ein generelles Tempolimit ist mehr ideologische Agenda als ein wirksames Mittel“, sagt der verkehrspolitische Sprecher der Liberalen, Bernd Reuther, dem Tagesspiegel. Man müsse aufhören, die Klimafrage im Klein-Klein von Einzelmaßnahmen und symbolpolitischen Irrwegen auszubremsen.

„Damit der Verkehrssektor nachhaltig dekarbonisiert werden kann, brauchen wir zielgerichtete Maßnahmen wie den Ausbau der Ladeinfrastruktur für elektrische Pkw und Lkw sowie die schnelle Zulassung von synthetischem Dieselkraftstoff. Hier muss auch das Umweltbundesamt tätig werden“, sagte Reuther.

Der Linken-Bundestagsabgeordnete Bernd Riexinger kritisiert die Blockade der Ampel-Regierung via Twitter. „Ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen ist prima fürs Klima“, schrieb er am Freitag. Dies sei ein wichtiger Baustein für eine klimagerechte Mobilitätswende. Es gebe aber einen Haken, so Riexinger: „SPD, Grünen und FDP ist es egal!“

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