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Die Progose von Christian Linder (l.) und Habeck (r.) ist düster.

© IMAGO/dts Nachrichtenagentur/IMAGO/dts Nachrichtenagentur

Lindner und Habeck : Erschreckend einig – und kein Ausweg in Sicht

Wirtschaftsminister und Finanzminister teilen die Analyse, dass die Standortfaktoren „nicht mehr wettbewerbsfähig“ seien. Über die Instrumente sind sie sich uneinig.

Es ist ein kleiner Satz, der viel verrät. Im Interview mit dem „Handelsblatt“ sagt Christian Lindner, Bundesfinanzminister und FDP-Chef, auf die Frage, warum in der Vorhabenplanung des Kanzleramts Wirtschaftspolitik nicht auftauche, der Kanzler habe „einen realistischen Blick auf die Lage“.

Es wirkt wie ein Schuldeingeständnis. Auf diesem bedeutenden Politikfeld sei von dieser Regierung nicht mehr viel zu erwarten. Dabei sind sich ausgerechnet jetzt die beiden Streithähne der Ampel, Lindner und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) in ihrer Analyse einig. Deutschland sei nicht mehr wettbewerbsfähig, sagen beide. Doch was folgt daraus? SPD, Grüne und FDP sind sich darüber völlig uneinig.

Die Zahlen sprechen für sich: Die Exporte brachen 2023 um 1,4 Prozent ein, das Wirtschaftswachstum stagniert wohl auch 2024 im Null-Komma-Bereich und schon zuletzt sank das Bruttoinlandsprodukt um 0,3 Prozent. Während anderswo die Wirtschaft boomt, rutscht Deutschland seit Corona-Pandemie, Lieferkettenproblemen und Energiekrise in die Rezession. Und die Ampel schaut zu.

Donnerstag vergangener Woche im Bundestag. Habeck steht am Rednerpult und wendet sich an Oppositionschef Friedrich Merz. Doch seine Worte gelten auch Lindner. Weil man über die Schuldenbremse nicht diskutieren könne, mache er einen anderen Vorschlag: ein Sondervermögen für die Wirtschaft. Dieses könnte, so Habecks Idee, über Steuervergünstigungen und Abschreibungsmöglichkeiten ausgezahlt werden. „Das ist das, was ich aus der Wirtschaft, von der Opposition, von den Liberalen höre“, sagt er.

Wegen mir hätte es diese Rede im Bundestag nicht geben müssen.

Christian Lindner wurde von Robert Habecks Plänen überrascht.

Ein Vorschlag, der durchaus ernst gemeint war, das glaubt man sogar in der FDP. Doch wieder einmal war er nicht abgesprochen. Lindner wunderte sich darüber öffentlich. „Wegen mir hätte es diese Rede im Bundestag nicht geben müssen“, sagt er in der ARD. „Das hätten wir auch anders miteinander besprechen können.“ 

Es ist ein politisches Dilemma: Ohne Absprachen zwischen Koalitionspartnern funktionieren Ideen meist nicht, schon weil nicht genug Zeit bleibt, um über Feinheiten nachzudenken. Manchmal wird ein Vorschlag allein deshalb zerredet. Aber es gehört zum Politik-Stil Habecks, über die Öffentlichkeit Druck aufzubauen. Schon beim Industriestrompreis warb der Vizekanzler über Monate und sammelte Unterstützer, um Linder und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zu überzeugen.

Nun läuft Habeck mit seinen Vorschlägen wieder gegen Widerstände in der eigenen Koalition. „Wir würden unseren Haushalt rasch strangulieren“, sagt Lindner im Handelsblatt zum Sondervermögen. Statt Schulden zu machen, will er Steuererleichterungen. Immerhin begrüßt Lindner Habecks grundsätzliche Diskussionsbereitschaft. Anders als in der Vergangenheit sind auch konstruktive Töne zu vernehmen. Auch er glaube, dass es eine „Wirtschaftswende“ brauche, sagt Lindner.

Ein weiteres Problem aber ist der Kanzler. Olaf Scholz bleibt bei seiner zurückhaltenden Rolle. Er finde, man müsse sich auf Lindners Wachstumschancengesetz fokussieren, sagt der SPD-Politiker am Montag: „Darauf sollte man sich konzentrieren. Das ist praktisch, anfassbar und wirkt schnell.“

Doch das Wachstumschancengesetz stockt, die Bundesländer wollen nicht zustimmen, weil ihnen dadurch Einnahmen wegbrechen. Deswegen hängt es im Vermittlungsausschuss zwischen Bundesländern und Bundesregierung. Ginge es nach Habeck und Lindner, müsste es größer werde. „Wachstumschancengesetz mal 10, vielleicht mal 50“, so nennt Habeck es im Bundestag. Die Realität: es schrumpft gerade zusammen, von rund drei Milliarden Euro ist noch die Rede.

Trotz der Rufe aus der Wirtschaft und aus der Regierung rechnet zeitnah niemand mit einem großen Wurf. Stattdessen dreht die Ampel an den Stellschrauben. Eine schnellere Bürokratieentlastung fordert Justizminister Marco Buschmann (FDP) in einem Brief an Habeck, dessen Ministerium dazu Eckpunkte vorgelegt hat.

Auch auf eine Erhöhung der Startup-Förderung von 1,75 Milliarden Euro im Rahmen des Zukunftsfonds haben sich Finanz- und Wirtschaftsministerium nach Tagesspiegel-Informationen geeinigt. Immerhin etwas, könnte man sagen. Noch immer nicht genug, würden wohl Habeck und Lindner sagen. Es sind nur kleine Schritte angesichts der Wirtschaftskrise.

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