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Steffi Lemke wirbt im Bundestag für den Gesetzentwurf

© imago/Christian Spicker / IMAGO/Christian Spicker

Neue Atomstrategie der Regierung: Bundestag bringt Streckbetrieb auf den Weg

Lange hat die Ampel-Koalition über die Weiternutzung der drei verbliebenen Kernkraftwerke gestritten. Den neuen Gesetzesentwurf kritisiert die Opposition im Parlament scharf.

Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) sprach gegen ihre Überzeugungen. Es wäre ihr lieber, wenn man nicht noch einmal das Atomgesetz ändere, sagte die Ministerin am Mittwoch im Bundestag. „Atomenergie ist und bleibt gefährlich“, sagte Lemke und verwies auf die Kämpfe um die Atomkraftwerke in der Ukraine und die technischen Probleme in Frankreich.

„Atomkraft ist nicht die Zukunft, sondern die Vergangenheit“, sagte Lemke zum Ende ihrer Rede und warb dann für Zustimmung zu ihrem Gesetzentwurf - und damit einem temporären Weiterbetrieb der verbliebenen drei Atomkraftwerke Neckarwestheim II, Isar II und Emsland. „Atomkraft kann jetzt einen Beitrag dazu liefern, besser über den anstehenden Winter zu kommen.“ 

Lange hatten Lemke und die Grünen genau das geleugnet und sich mit aller Kraft gegen einen AKW-Streckbetrieb gestemmt. Man habe keine Stromkrise, hatten Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Lemke über Monate betont. Nach einem zweiten Stresstest im Sommer hatten die beiden sich lediglich für eine sogenannte Einsatzreserve der beiden süddeutschen Meiler offen gezeigt, ein Parteitagsbeschluss der Grünen hatte dies gestützt.

Ein Weiterbetrieb könnte viel CO2 einsparen

Doch wegen anhaltenden Streits mit der FDP, die den Kauf neuer Brennelemente und einen deutlich längeren Weiterbetrieb forderte, brauchte es am Ende das Machtwort von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Bis zum 15. April sollen alle drei Atomkraftwerke nun doch noch einmal weiterlaufen und damit über den eigentlich geplanten Atomausstieg zum Jahreswechsel hinaus.

Den Kauf von neuen Brennelementen lehnt die Ampel-Koalition jedoch ab. Am Mittwoch wurde das Gesetz in erster Lesung ins Parlament eingebracht. Die Opposition kritisiert den Deal scharf. „Mit ihrer Politik verspielen Sie das Vertrauen der Bürger“, sagte Anja Weisgerber (CSU). „Wir brauchen einen Weiterbetrieb bis mindestens Ende 2024 und natürlich einen Kauf neuer Brennelemente. “

Sie kritisierte, die Ministerien von Habeck und Lemke hätten einen Weiterbetrieb nicht ergebnissoffen geprüft. So seien Klimaschutz-Aspekte und Auswirkungen auf den Strompreis nicht untersucht worden. Tatsächlich legen jüngste Medienberichte nahe, dass im Wirtschafts- und Umweltministerium kritische Stimmen ausgeblendet wurden.

Finanzminister Christian Lindner (l.) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (m.) hatten sich lange gestritten - dann sprach der Bundeskanzler ein Machtwort.

© Foto: Imago/Fotostand/Reuhl

Zuletzt hatte das Haus von Habeck zugegeben, dass allein durch den Streckbetrieb bis Mitte April rund 1,4 Millionen Tonnen CO2 eingespart würden. Bei Volllast und neuen Brennstäben rechnet die Union mit jährlichen Einsparungen von 70 Millionen Tonnen - einem Zehntel der deutschen Emissionen.

„Eine Entschuldigung wäre angebracht“, sagte Weisgerber und verwies auf Untersuchungen, wodurch der Strompreis um bis zu 13 Cent pro Kilowattstunde sinken könnte durch den Weiterbetrieb.

Allein die Zwischen- und Endlagerung von Atommüll verschlingt mehr als eine Milliarde Euro jedes Jahr

Jakob Blankenburg, SPD-Abgeordneter

Dem widersprach Jakob Blankenburg, SPD-Abgeordneter aus dem Wendland. „Atomenergie ist teuer“, sagte er und verwies auf die ungeklärte Endlagersuche. „Allein die Zwischen- und Endlagerung von Atommüll verschlingt mehr als eine Milliarde Euro jedes Jahr.“

Ob die Atom-Debatte am Freitag mit der Schlussabstimmung wirklich ein Ende findet, ist fraglich. Die Union will gegen den Gesetzentwurf stimmen und auch bei den Liberalen bleiben kritische Stimmen. „Nach diesem Winter kommt garantiert wieder ein Winter“, sagte Vize-Fraktionschefin Carina Konrad im Bundestag. Der Energiekrieg von Russlands Präsident Waldimir Putin gegen Europa sei ein Stresstest. Auch für die Ampel. „Wir werden auch weiter miteinander streiten“, kündigte Konrad an.

Der energiepolitische Sprecher der Liberalen, Michael Kruse, forderte vor dem endgültigen Atomausstieg erneute Stresstests. Dieser müsse auf wissenschaftlicher Grundlage, „die im Gegensatz zu den vorangegangenen „Analysen“ des Wirtschaftsministers vorurteilsfrei und ohne politische Einflussnahme durchgeführt werden“, sagte Kruse. Der Ampel-Stresstest ist noch nicht vorbei.

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