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Thomas Strobl (CDU), Innenminister von Baden-Württemberg, vor dem Landtags-Untersuchungsausschuss.

© dpa / Bernd Weißbrod

Pressefreiheit in der „Strobl-Affäre“: Wie Minister und Medien heimlich zusammenwirken

Baden-Württembergs Innenminister musste 15.000 Euro zahlen, weil er anonym ein Dokument aus seinem Haus in die Öffentlichkeit spielte. Ist das üblich?

In Baden-Württemberg beschäftigt eine Affäre das Land, die Innenminister Thomas Strobl (CDU) das Amt kosten könnte. Es geht um den ranghöchsten Polizisten des Landes Andreas Renner, der eine untergebene Beamtin sexuell genötigt haben soll. Es geht daneben aber auch um die vertrauliche Weitergabe eines amtlichen Dokuments durch Strobl und damit um ein Zusammenspiel von Medien und Politik, wie es selten ans Tageslicht kommt. Und das hier weit reichte: Am Mittwoch teilt die Stuttgarter Staatsanwaltschaft sogar mit, der Investigativreporter der „Stuttgarter Nachrichten“ Franz Feyder habe einen Enthüllungsartikel über die Affäre, der auch Strobls Ministerium betraf, vor Veröffentlichung dem Ministerium vorgelegt.

Offenbar wollte Strobl gegen seinen Ober-Polizisten Stimmung machen

Es war nur eine Notiz am Rande. Aber sie illustriert Strobls Verhalten in der Affäre. Offenbar hatte der Minister als ungenannter und unerkannter Informant über die Presse Stimmung gegen seinen vom Dienst suspendierten Ober-Polizisten Renner machen wollen, mit amtlichen Unterlagen aus dem eigenen Haus. Macht man das als Innenminister? Macht man als Journalist dabei mit? Das gehört zu den offenen Fragen, denen derzeit ein Untersuchungsausschuss im Landtag nachgeht. Ein Ermittlungsverfahren gegen Strobl wegen „verbotener Mitteilungen über Gerichtsverhandlungen“ (Paragraf 353d Strafgesetzbuch) wurde gegen Zahlung von 15.000 Euro eingestellt, wie die Staatsanwaltschaft am Mittwoch ebenfalls erklärte. Feyder kam ohne Geldauflage davon.

Es entspricht nicht den Gepflogenheiten des Innenministeriums, sich Presseartikel zur Freigabe vorlegen zu lassen.

Ein Sprecher des Baden-Württemberger Ministeriums

Den Anstoß für die Affäre hatte Landespolizeiinspekteur Renner gegeben. Während der Ermittlungen wegen der Sex-Vorwürfe steckte Strobl, zugleich Renners Dienstherr, dem Reporter Feyder ein Schreiben von Renners Anwalt zu. Feyder machte eine Schlagzeile zum Nachteil Renners daraus – ohne den Minister als Quelle zu nennen. Das Ministerium tat zunächst so, als habe es mit dem Artikel nichts zu tun. Als Strobls Mitwirken ruchbar wurde, leitete die Staatsanwaltschaft gegen ihn und Feyder die Ermittlungen ein. Paragraf 353d, so ihre Argumentation, schütze amtliche Dokumente aus laufenden Strafverfahren davor, in der Öffentlichkeit ausgebreitet zu werden – und damit auch das Schreiben von Renners Anwalt.

Der Minister plädierte auf unschuldig, weil das Schreiben kein Dokument im Sinne des Paragrafen gewesen sei. Er rechtfertigte die „Transparenz“, wie er sein Handeln nannte, damit, dass der Brief ein Gesprächsangebot enthalten habe, das eine „Mauschelei“ gewesen sei. Bei der Staatsanwaltschaft kam er nicht damit durch. Also zahlte Strobl, sonst wäre der Fall wohl vor Gericht gelandet.

In Wahrheit bestimmte der Minister, was berichtet wurde

Das Ganze sah wie eine journalistische Recherche aus, aber in Wahrheit bestimmte der Minister, was berichtet wurde. Die den Polizeiinspekteur belastende „Enthüllung“ ging allein auf das Konto Strobls, der hier als geheimer Informant agierte. Der Journalist Feyder wiederum bot sich offenbar als medialer Partner an, um Strobls „Spin“ vom skandalösen Schreiben in die Öffentlichkeit zu tragen, ohne Strobl zu nennen.

Auf Anfrage des Tagesspiegels betont das Ministerium, der Reporter habe seinen Artikel „zur Information“ übersandt, nicht zum Abnicken. Zudem sei es Strobl „nicht erinnerlich“, ob er mit Feyder eine Art „Quellenschutz“ verabredet habe, um anonym zu bleiben. Reporter Feyder erklärte dagegen auf Anfrage, er habe Strobl auf dessen eigenen Wunsch hin Quellenschutz zugesichert. Die Opposition im Landtag will dem Widerspruch zu Strobls Aussage jetzt nachgehen.

Risiken für den Journalismus oder die Pressefreiheit durch verborgene Kollaborationen zwischen Staat und Presse erkennen die „Stuttgarter Nachrichten“ offenbar keine. Für ihn sei Strobl „eine zu schützende Quelle“ gewesen, erklärte Feyder und verglich den Fall mit dem des Whistleblowers Edward Snowden vom US-Geheimdienst NSA. Er habe den Artikel auch nicht dem Ministerium vorgelegt, sondern Strobl – „dem zu schützenden Informanten“.

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