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Jewgeni Prigoschin (Archivbild)

© Foto: imago/ITAR-TASS

„Putin braucht ihn“: Söldnerchef Prigoschin wird immer mächtiger – aber seine Feinde lauern

Der Milliardär Jewgeni Prigoschin besitzt eine Privatarmee und fordert die Eliten heraus. Wie stark lässt der russische Präsident Putin ihn noch werden?

| Update:

An der Fassade eines gerade fertiggestellten, grauen Bürokomplexes im wenig attraktiven Osten von St. Petersburg tauchte dieser Tage in großen weißen Buchstaben das Namenschild der Betreiber auf: „TschWK Wagner Center“, gefolgt von einem großen, runenartigen W zum Abschluss des Logos.

Die berüchtigte Söldnerarmee des Milliardärs und Putin-Vertrauten Jewgeni Prigoschin hat jetzt ihr offizielles Hauptquartier. Es etabliert sich nicht irgendwo, sondern in Russlands nördlicher Hauptstadt, wie die Millionenmetropole an der Newa auch genannt wird.

Dies sei kein Gebäude, sondern eine Herausforderung, kommentierte die Internet-Plattform „Fontanka.ru“ die Eröffnung. Den Angehörigen von Prigoschins Terrormiliz „Wagner“ werden Gräueltaten in zahlreichen Ländern vorgeworfen. Vielerorts, wo sich Autokraten mit militärischer Gewalt an die Macht klammern, sind auch Prigoschins Söldner nicht weit.

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Putin braucht ihn jetzt, weil er um jeden Preis Effektivität braucht – vor allem militärische.

Der Publizist Andrej Kolesnikow

In St. Petersburg ist nach Prigoschins eigener Aussage offenbar kein militärisches Oberkommando geplant. Vielmehr scheint er hier seine Trollfabriken konzentrieren zu wollen. Dass diese sich mit ihren Umtrieben in den Online-Netzwerken in die US-Wahlen eingemischt haben und dies auch weiter tun werden, hat der Unternehmer gerade erst öffentlich zugegeben.

Auch im Krieg, den Russland gegen die Ukraine führt, spielen Prigoschins Truppen neben den regulären Streitkräften des Kreml eine zentrale Rolle. Mehr noch: Die „Washington Post“ behauptete kürzlich, Prigoschin sei der letzte, der es wage, dem russischen Präsidenten Wladimir Putin die Wahrheit über die Fehlschläge seiner regulären Truppen bei der Aggression im Nachbarland zu berichten.

Das lässt sich nicht überprüfen, aber Tatsache ist, dass der 61-jährige Prigoschin längst weit über die Rolle hinausgewachsen ist, die ihm den Spitznamen „Putins Koch“ einbrachte, weil er das Catering der Kreml-Empfänge ausrichtete.

Die weithin sichtbare Zentrale in St. Petersburg ist ein weiteres Indiz dafür, das der noch vor kurzem verdeckt operierende Prigoschin zunehmend eine öffentliche Rolle in Russland spielt.

Dessen Einfluss erinnere ihn immer mehr an die Rolle, die Rasputin am Hofe von Zar Nikolaus II. am Beginn des 20. Jahrhunderts spielte, sagt der Politologe und Kolumnist Andrej Kolesnikow. Die dunkle Gestalt des Mönchs Rasputin gilt bis heute in Russlands weithin als Synonym für dunkle, verhängnisvolle Machenschaften in der Nähe der Macht.

Prigoschin kann tun, was ihm beliebt: die Armeespitze für ihre erfolglose Kriegführung in der Ukraine kritisieren, Rekruten als Kanonenfutter in den Gefängnissen rekrutieren, die Macht- und Geldeliten kritisieren, weil sie angeblich die Mobilisierung für diese Aggression hintertreibe. Gerade hat er angekündigt, er werde in den russischen Regionen Kursk und Belgorod, die an die Ukraine grenzen, paramilitärische Einheiten aufbauen.

Die Söldner der Wagner-Gruppe spielen eine zentrale Rolle in Russlands Krieg gegen die Ukraine.

© Foto: Imago/SNA/Sputnik Luhansk Peoples Republic/Viktor Antonyuk

Ein Privatkrieg im Innern, eine schlagkräftige Privatarmee, die Einmischung in die Außenpolitik mit Hilfe von Online-Diversion - wie groß lässt Putin Prigoschin noch werden? Prigoschin gelinge derzeit tatsächlich sehr vieles, sagt der Experte Kolesnikow.

Nach Prigoschins Beschreibung erinnern sie ein wenig an die Kampfgruppen der DDR. Die Unternehmen der Region sollen jeden Vierten ihrer männlichen Belegschaft freistellen für die militärische Ausbildung – und dann für einen regelmäßigen Dienst „in den Schützengräben“, wie sich Prigoschin ausdrückte. Ausbildung und Ausrüstung will der Milliardär bezahlen, der sein Geld auch mit weltweiten Waffengeschäften verdienen soll.

Prigoschin darf auch seine seit Jahren schwelende Privatfehde gegen Alexander Beglow, den Gouverneur von St. Petersburg, führen. Dabei stört es ihn anscheinend nicht, dass Putin auch Beglow braucht. Der Kreml hat St. Petersburg die „Patenschaft“ über die okkupierte und in Ruinen liegende ukrainische Hafenstadt Mariupol zugewiesen. Der Gouverneur von St. Petersburg muss das Geld für den Wiederaufbau auftreiben.

Prigoschin sei ziemlich klug, bescheinigt ihm auch sein Kritiker Kolesnikow

„Putin braucht ihn jetzt, weil er um jeden Preis Effektivität braucht – vor allem militärische“, ist er überzeugt. „Faktisch übernimmt Prigoschin derzeit durch Outsourcing staatliche Funktionen. So war es schon länger, aber jetzt ist es offensichtlich“. Jede Scham, jede Suche nach Verschleierung und Ausreden seien verschwunden. „Niemand rechtfertigt sich, niemand erklärt etwas.“

Prigoschin ist in der Offensive. Gefragt, ob er ein reguläres politisches Amt anstrebe, wiegelt Prigroschin, dessen Name auf Sanktionslisten der Europäischen Union, Großbritanniens und der USA steht, jedoch ab.

Der Unternehmer sei ziemlich klug, bescheinigt ihm auch sein Kritiker Kolesnikow: „Es wäre selbstmörderisch.“ Putin brauche Prigoschin gerade. „Deswegen ist ihm vieles erlaubt, deshalb kann er vieles absolut ungestraft sagen.“

Aber der Unternehmer hat auch mächtige Gegner, die ihn rasch zu Fall bringen könnten. Da sind die Spitzen von Armee und Geheimdiensten, die fürchten, ihr Gewaltmonopol teilen zu müssen, wenn Prigoschin zu stark wird.

Und da sind die Regionalfürsten, nicht nur der Gouverneur von St. Petersburg, die die Einmischungen in ihre „inneren Angelegenheiten“ mit Argwohn beäugen. „Ich gehe davon aus, dass Prigoschin mit dem Einfluss, den er gegenwärtig hat, zufrieden ist“, glaubt Kolesnikow.

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