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Andrij Melnyk beim Hoffest des Tagesspiegel am 3. Oktober.

© TSP/Lydia Hesse

Scheidender ukrainischer Botschafter Melnyk: „Ich bereue nicht, was ich in Deutschland getan habe“

In neun Tagen geht Andrij Melnyk zurück nach Kiew. Der umstrittene Diplomat lobt zum Abschied die deutsche Rüstungsindustrie.

| Update:

Andrij Melnyk hat wie kein Zweiter die Bundesregierung getrieben, was die Lieferung von Waffen für den Überlebenskampf der Ukraine betrifft. Immer wieder hat er sich mit Kanzler Olaf Scholz (SPD) angelegt, ihn als Zauderer und „beleidigte Leberwurst“ kritisiert. In wenigen Tagen endet seine Aufgabe als ukrainischer Botschafter in Berlin, dann soll er Vize-Außenminister in Kiew werden.

Bei einem seiner letzten öffentlichen Auftritte als Botschafter hat er nun ein Loblied auf die deutsche Rüstungsindustrie gesungen. „Ich muss Ihnen sagen, ich bin ein Kenner geworden der deutschen Rüstungsindustrie “, sagte Melnyk beim Hoffest des Tagesspiegel zum Tag der Deutschen Einheit. „Sie können stolz sein auf diese Industrie.“ Er kenne inzwischen viele Menschen aus der Branche, die all die Jahre gelitten hätten, „dass sie keine Chance gesehen haben, etwas zu produzieren“, sagte Melnyk.

Melnyk lobt die deutsche Rüstungsindustrie

„Und diese Industrie ist für die Deutschen genauso wichtig wie die Autoindustrie.“ Das klinge für viele jetzt schrecklich, weil alle gegen Krieg seien. „ Wir sind auch gegen Krieg. Aber wir haben diesen Krieg nicht gewollt, er wurde uns aufgezwungen“, sagte Melnyk. „Das ist die gute Botschaft: Die Waffen, die Sie hier produzieren, die sind in mancher Hinsicht sogar besser als das, was die Amerikaner produzieren“, sagte Melnyk. „Sie können mit diesen Waffen Menschenleben retten.“

Melnyk auf der Bühne beim Hoffest des Tagesspiegels.

© TSP/Lydia Hesse

Melnyk hatte sich in den vergangenen Wochen immer wieder als oberster Waffenhändler seines Landes bezeichnet und sich zum Beispiel mit um die Beschaffung des Luftabwehrsystems Iris-T des Rüstungsunternehmens Diehl gekümmert. „Das System wird hoffentlich nächste oder übernächste Woche geliefert“, sagte Melnyk.

Ein solches System kostet rund 150 Millionen Euro und die Ukraine will weitere davon beschaffen. „Dieses System wird nur eine Großstadt wie Kiew besser schützen können. Aber die Ukraine ist ja, wie Sie wissen, flächenmäßig das größte Land in Europa.“

Melnyk gilt als der streitbarste Diplomat in Deutschland. In neun Tagen kehrt er zurück nach Kiew. Der erste Teil seiner gewaltigen Bibliothek ist inzwischen in die Ukraine verschickt. Seine Frau versucht noch händeringend Stromgeneratoren und Akkus zu besorgen, Melnyk erwartet Angriffe der Russen auf die Energieinfrastruktur, auf Kraftwerke und Stromleitrungen – und deshalb einen kalten Winter in Kiew und anderen Städten, um so den Willen der Ukrainer zu brechen.

Ich bereue nicht, was ich hier in Deutschland getan habe.

Andrij Melnyk

Er geht ohne Reue weg aus Deutschland. „Natürlich gibt es viele Äußerungen, die man im Nachhinein bedauert. Wir sind ja alle Menschen“, sagte Melnyk bei der Veranstaltung des Tagesspiegels. „Dieser Rückblick wird auch für mich irgendwann kommen, wo ich sagen werde: Wie konnte ich so laut und unhöflich sein seit dem Kriegsbeginn?“, so Melnyk. „Aber ich muss Ihnen trotzdem sagen, dass ich das nicht bereue. Ich bereue nicht, was ich hier in Deutschland getan habe.“ 

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Melnyk hofft auf die ukrainische Wiedervereinigung

Er habe in seinem ersten Interview in Deutschland als Botschafter, vor knapp acht Jahren mit dem Tagesspiegel gesagt, dass er sich zutraue, die Herzen der Deutschen zu gewinnen für die Ukraine. Das sei nicht immer leicht gewesen und in diesen Kriegszeiten habe er anders agieren müssen.

Daher wolle er sich nun ausdrücklich nochmal bedanken bei den Menschen in Deutschland, die sich trotz Inflation und Energiekrise immer noch in großer Mehrheit für die Unterstützung der Ukraine aussprechen.  „Das ist für mich das beste Zeichen. Ohne diesen Druck von den Menschen glaube ich nicht, dass uns diese Regierung so stark unter die Arme gegriffen hätte“, sagte Melnyk.

Er äußerte sich auch sehr persönlich zum Tag der Deutschen Einheit. „Diese Vereinigung vor 32 Jahren war ein Wunder. Wenige haben noch im Sommer 89 an so ein Wunder geglaubt.“

Dieser Tag sei deswegen für die Ukrainer so wichtig, „weil wir auch an Wunder glauben.“ Es sei für ihn ein Anlass weiterzukämpfen, damit „der Tag der Wiedervereinigung mit den Gebieten, die besetzt sind, auch mit der Krim, schneller kommt, als manche denken.“

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