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Stephan Weil.

© AFP / Foto: AFP/RONNY HARTMANN

Mit Popularität und Führungsstärke: Stephan Weil stemmt sich erfolgreich gegen den SPD-Bundestrend

Die Niedersachsen-SPD konnte sich dem Einfluss ihrer schwächelnden Bundespartei entziehen. Das hat sie ihrem Spitzenkandidaten zu verdanken, gegen den die CDU keine Chance hatte.

Von Hans Monath

| Update:

Der Wahlsieger strahlte über das ganze Gesicht, nutzte seinen Auftritt vor seinen jubelnden Genossinnen und Genossen aber trotzdem zu einer Erinnerung an die Herausforderung der Politik in Krisenzeiten.

„Wir stehen am Ende eines harten, man kann auch sagen, sehr unangenehmen Wahlkampfes“, meinte Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) am Sonntagabend auf der Wahlparty der Sozialdemokraten, bevor er allen dankte, die trotzdem für seine Partei gekämpft hatten.

Auch sein Herausforderer Bernd Althusmann von der CDU sprach bei seinem Auftritt vor seiner Partei von „einem Wahlkampf, der wahrscheinlich noch nie so herausfordernd war wie dieser hier“.

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Althusmann und andere CDU-Vertreter scheuten sich nicht, offen auszusprechen, was auch neutrale Wahlanalytiker als entscheidend für den Ausgang der Landtagswahl bezeichnen: Ihr im Vergleich zum desolaten Zustand der Bundes-SPD relativ gutes Abschneiden verdanken die niedersächsischen Sozialdemokraten vor allem der Beliebtheit ihres alten und voraussichtlich neuen Ministerpräsidenten.

Dessen Zugkraft hatte seit 2013, als er gemeinsam mit den Grünen eine schwarz-gelbe Landesregierung abgelöst hatte, kontinuierlich zugenommen. Damals hatten nur 19 Prozent der SPD-Wählerinnen und -Wähler erklärt, sie hätten wegen Weil für die SPD gestimmt. Bei der Wahl 2017 betrug der Wert dann schon 30 Prozent, am Sonntag dann 38 Prozent. Der ausgleichende, nicht polarisierende, sachliche Politikstil des 63-Jährigen wurde auch von Anhängern anderer Parteien geschätzt.

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Zudem war Weil das Kunststück gelungen, sich zwar nicht offen von der in der Krise wenig überzeugenden Ampelkoalition im Bund unter seinem Parteifreund Olaf Scholz abzusetzen, aber doch eine gewisse Distanz zwischen sich und deren Agieren herzustellen. Unter anderem dokumentierte er seine Eigenständigkeit, in der er immer wieder drängend an die Bundesregierung appellierte, substanziellere und schnellere Entscheidungen zur Entlastung von Bürgern und Unternehmen zu treffen.

Dies war ein wichtiges Signal in einer Zeit, in der zwei Drittel der Deutschen mit der Amtsführung des SPD-Kanzlers unzufrieden sind. „Es ist ihm gelungen, sich vom Bundestrend vollständig abzusetzen“, bescheinigte ihm CDU-Generalsekretär Mario Czaja.

Der alte und voraussichtlich auch künftige niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) mit Julia Willie Hamburg, Spitzenkandidatin der Grünen, und Bernd Althusmann, Spitzenkandidat der CDU.

© dpa / Marcus Brandt

Dabei hatte Weils Partei im Vergleich zu 2017 sogar einige Prozentpunkte verloren. Laut der Analyse der Wählerwanderung von infratest dimap für die ARD, verlor die SPD 50.000 Wähler an die Gruppe der Nichtwähler, 50.000 an die Grünen und 30.000 an die AfD. Bei den jüngeren Jahrgängen schwächelte die Landes-SPD, bei älteren konnte sie vor allem von der CDU Wähler gewinnen.

Die Strategie von Herausforderer Althusmann, der eine Art Anti-Ampel-Wahlkampf führte und davor warnte, wer Stephan Weil wähle, wähle auch Olaf Scholz, ging nicht auf, wie das Wahlergebnis zeigt. Damit gelang es ihm nur unzureichend, Gründe für eine Abwahl von Weil aufzuzeigen – gegen dessen Popularität und zugeschriebener Führungsstärke kam er nicht an. Vor allem in ländlichen Gebieten hatte Althusmanns CDU laut infratest dimap große Mobilisierungschwächen.

70.000 frühere Stimmen verlor sie demnach an die Nichtwähler, 50.000 an die AfD, 40.000 an die Grünen und 25.000 an die SPD. Von der schwächelnden SPD konnte sie dagegen nur 25.000 Wähler herüberziehen. Auch das trug bei zum schlechtesten CDU-Ergebnis in Niedersachsen seit 1955.

Musste einen Abend lang um den Einzug in den Landtag bangen: FDP-Spitzenkandidat Stefan Birkner.

© dpa / Moritz Frankenberg

Genau diese 25.000 Wähler hätten wohl gereicht, um die FDP früh über die Fünf-Prozent-Hürde zu hieven. Als Ursache der eigenen Schwäche in Niedersachsen benannte Vizeparteichef Wolfgang Kubicki in der ARD die Unzufriedenheit der eigenen Klientel mit der eigenen Bundesregierung. Es sei offensichtlich, „dass ein wesentlicher Teil unserer Wählerinnen und Wähler mit der Ampel fremdelt“, meinte der Bundestagsvizepräsident.

Eine These der Analytiker von infratest dimap scheint die Analyse zu stützen. Demnach waren 48 Prozent der Niedersachsen der Meinung, die Bundesregierung denke bei den Entlastungen zu wenige an die Wirtschaft – und genau dieser Punkt ist vielen Wählerinnen und Wählern der FDP wichtig. Doch auch selbst verschuldete Schwächen trugen zum schlechten Abschneiden bei: Nur acht Prozent der Niedersachsen schrieben der Landes-FPD überhaupt Wirtschaftskompetenz zu.

Die Grünen fuhren zwar das beste Ergebnis ihrer Geschichte in Niedersachsen ein, büßten aber im Vergleich zu weit besseren Vorhersagen von noch vor wenigen Wochen mehrere Prozentpunkte ein.

Auffällig ist: Das Abschmelzen ihrer Werte lief parallel zum Ansehens- und Beliebtheitsverlust von Vizekanzler und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck. Dem hatten im Sommer noch 70 Prozent der Deutschen in Umfragen zugetraut, die Energieversorgung zu sichern. Nach Wochen teils chaotischer Politik und unerfüllter Versprechungen war der Wert zuletzt auf nur 45 Prozent gefallen.

Trotzdem hatten die Grünen 50.000 Wähler von der SPD und 40.000 von der Union holen können. Die höchsten Gewinne fuhren sie bei den 18- bis 44-Jährigen ein, gewannen aber auch bei den Senioren hinzu, wenn auch in kleinerem Maßstab.

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