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Stephan Weil bei der Stimmabgabe zur Landtagswahl 2022 im Wahllokal.

© Imago/Future Image / IMAGO/Ulrich Stamm

Stephan Weil und Bernd Althusmann: Zwei ungleiche Wahlkämpfer

Der eine will Ministerpräsident bleiben, der andere ihn ablösen. Wie die Spitzenkandidaten von SPD und CDU in Niedersachsen versuchten, ihre Chancen zu wahren.

Von Hans Monath

Die Kontrahenten gaben ihre Stimme weit entfernt voneinander ab. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) kam in Hannover am Sonntag mit seiner Ehefrau ins Wahllokal. Herausforderer Bernd Althusmann (CDU) brachte neben seiner Frau und fünf Kindern in Südergellersen im Landkreis Lüneburg auch Familienhund „Lucky“ mit.

Ob „Lucky“ mit seinem Namen dem Vize-Ministerpräsidenten und Wirtschaftsminister bei der Entscheidung über die nächste Landesregierung tatsächlich Glück bringen würde, schien zumindest vor der Schließung der Wahllokale am Sonntag eher unwahrscheinlich.

Denn in den meisten Umfragen lag Weils SPD um einige Prozentpunkte vor Althusmanns CDU. Weil die Grünen mit rund 17 Prozent gemessen wurden, deutete einiges darauf hin, dass der SPD-Ministerpräsident seinen Plan verwirklichen würde können, die CDU als Koalitionspartner abzulösen und durch die Grünen zu ersetzen.

Hinter den beiden Politikern lag ein sehr ungewöhnlicher Wahlkampf, in dem Landesthemen kaum eine Rolle gespielt hatten. Denn die Wählerinnen und Wähler zwischen Spiekeroog und dem Harz trieb vor allem die Sorge über die explodierenden Energiepreise um, viele Unternehmer im Land sehen ohne massive Staatshilfe Insolvenzen auf sich zurollen.

Familienhund „Lucky“ vorneweg: CDU-Spitzenkandidat Bernd Althusmann vor der Stimmabgabe.

© REUTERS / Fabian Bimmer

Der in seinem Bundesland sehr beliebte Weil, der eine dritte Amtszeit in der Staatskanzlei anstrebt, hatte nicht nur für den Fall seiner Wiederwahl ein eigenes Landes-Entlastungsprogramm angekündigt. Er forderte von der Ampelkoalition in Berlin und ihrem SPD-Kanzler Olaf Scholz auch immer wieder öffentlichkeitswirksam und energisch substanziellere und schnellere Hilfen für Bürger und Unternehmen. Der Gipfel von Bund und Ländern am vergangenen Dienstag aber brachte kaum Fortschritte in dieser Hinsicht. Doch aus Rücksicht auf den eigenen Parteifreund Scholz durfte der niedersächsische Regierungschef seine Enttäuschung nicht allzu laut verkünden.

Für Althausmann wiederum verbot es sich, den eigenen Ministerpräsidenten allzu hart anzugreifen - er hätte damit die Arbeit der großen Koalition in Niedersachsen und die der CDU-Minister schlechtreden müssen. Deshalb attackierte der CDU-Spitzenkandidat gemeinsam mit Unionsfraktions- und CDU-Parteichef Friedrich Merz die Ampelkoalition in Berlin und deren zumindest im Moment wenig überzeugendes Krisenmanagement. Die Botschaft von Althusmann und Merz lautete: Wer Stephan Weil wählt, wählt auch Olaf Scholz, Saskia Esken und Kevin Kühnert.

Althusmann und Merz warben für längere Laufzeiten der Atomkraftwerke, brachten mit diesem Thema aber ihre niedersächsischen Regierungswunschpartner von den Grünen gegen sich auf. Auch die FDP schonte Althusmann nicht. "Bernd Althusmann wird nicht Ministerpräsident werden", sagte der Generalsekretär der Landes-Partei, der Bundestagsabgeordnete Konstantin Kuhle voraus.

Weibliche Spitzenkandidatin der Grünen: Julia Willie Hamburg.

© dpa / Hauke-Christian Dittrich

Die Liberalen mussten sich vor Schließung der Wahllokale auf einen langen Wahlabend einstellen. Denn die Umfragen hatten der FDP in Niedersachsen nur fünf Prozent der Stimmen vorhergesagt. Bei knappen Ergebnissen ist oft bis spät in die Nacht nicht sicher, ob eine Partei es über die Fünf-Prozent-Hürde schafft oder nicht.

Die FDP hatte vor allem auf Kernkraft gesetzt, und ging damit vor allem zu den Grünen auf maximale Distanz. Die Liberalen forderten, alle drei noch am Netz befindlichen Atomkraftwerke weiterlaufen zu lassen, auch das Atomkraftwerk Emsland in Niedersachsen. Dass Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) ausgerechnet Emsland Ende des Jahres abschalten will, hielten die Liberalen für reine Wahlkampftaktik.

Weil ein Jamaika-Bündnis zwischen Union, Grünen und FDP in den vergangenen Wochen angesichts der Umfragewerte der drei Parteien unwahrscheinlicher wurde, warben die Liberalen damit, möglichst Teil einer Ampel-Koalition zu werden und damit eine linke Regierung im Land zu verhindern. "Denn es ist besser, aus der Mitte zu regieren, als von außen zu beobachten, wie das Land nach links rückt", hatte Parteichef und Bundesfinanzminister Christian Lindner während des Wahlkampfs gesagt.

Warb für Atomkraft: Stefan Birkner, Spitzenkandidat der FDP.

© dpa / Moritz Frankenberg

Entspannter als die Liberalen konnten die Grünen dem Wahlabend entgegensehen. Das Ergebnis von 2017 (8,7 Prozent) könnte die Partei verdoppeln, eine Regierungsbeteiligung mit Rot-Grün könnte möglich werden.. Es wäre die zwölfte Landesregierung, an der die Grünen beteiligt sind - eine Machtmanifestation der früheren Anti-Parteien-Partei.

Weil ihre Umfragewerte seit Wochen fielen, sehnten die Grünen die Wahl herbei. Als mögliche Gründe für ein Abrücken galten steigende Energiepreise, das Abbaggern des Braunkohledorfs Lützerath und Waffenlieferungen an Saudi-Arabien. Mehr als 20 Prozent wurden für die beiden Spitzenkandidaten - Fraktionschefin Julie Hamburg und Ex-Umweltminister Christian Meyer - noch vor einigen Wochen prognostiziert. Inzwischen wären 15 Prozent wohl schon ein Erfolg.

Die AfD in Niedersachsen könnte von der Krise profitieren - und laut mehreren Umfragen mit einem knappen zweistelligen Ergebnis in den Landtag einziehen. Für eine Regierungsbildung spielt die Rechtspartei keine Rolle, niemand möchte mit ihr koalieren. Doch die anderen Parteien würde ein relativ gutes Abschneiden der AfD vor die Aufgabe stellen, deren Wähler wieder ins Spektrum der demokratischen Mitte zu holen.

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