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Rockmusiker Gil Ofarim mit einem seiner Anwälte im Saal des Landgerichts in Leipzig.

© dpa/Hendrik Schmidt

Der Sänger als unbekannter VIP-Gast?: Ofarims Verteidiger werfen Hotelmanager Lügen vor

Zeugen schildern im Verleumdungsprozess den Streit in der Lobby. Für die Anwälte des Musikers ist belegt, dass der Mann am Empfang wusste, mit wem er es zu tun bekam.

Es muss einiges los gewesen sein am Abend des 4. Oktober 2021 in der Halle des „Westin“ in Leipzig, einem Hotelbau mit mehr als 400 Zimmern. Nur leider funktionierte das Codiergerät für die Schlüsselkarten nicht. Der Gau zur Check-in-Zeit.

Die Gäste warteten in langen Schlangen. Unter ihnen einer, der auf der VIP-Liste stand und für den Raum 2617 reserviert war: Gil Ofarim, jüdischer Rockmusiker und Schauspieler.

Hotelmanager Markus W. war der prominente Gast gleichwohl unbekannt, betont er am Mittwoch vor dem Landgericht Leipzig.

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Dort muss sich Ofarim unter anderem wegen Verleumdung und Falschverdächtigung verantworten, weil er in einem Instagram-Video und gegenüber der Polizei behauptet hat, Markus W. habe ihn aufgefordert, seinen Davidstern an der Halskette wegzupacken. Ein Antisemitismus-Vorwurf ohne Beispiel, zumal sich der Vorfall in der Lobby eines großen deutschen Business-Hotels abgespielt haben soll.

Das hätte ich auch so gemacht.

Eine Hotelmitarbeiterin zum Entschluss ihres Vorgesetzten, Gil Ofarim den Check-in zu verweigern.

Markus W. ist so etwas wie der Hauptbelastungszeuge in dem Verfahren. Einen Stern, sagt er am Mittwoch vor Gericht, habe er gar nicht wahrgenommen. Zwei Stammgästen hatte er zuvor ihre Karten aushändigen können, weil die benötigten Daten schon im Computer gewesen seien.

Ofarim war darüber offenbar aufgebracht. Er beschwerte sich bei einer Rezeptionistin, die ihn an Markus W. verwies. Dann, so W., habe Ofarim gedroht, das Hotel als „Scheißladen“ im Internet zu verreißen. Antisemitismus? „War gar kein Thema.“.

W., der sich nach eigenen Angaben bedroht gefühlt habe, nahm dem Gast den Meldeschein weg und verweigerte den Check-in.

Ofarims Anwälte glauben, dass der Hotelmanager wusste, wer vor ihm steht

Ofarim und sein vierköpfiges Verteidiger-Team sehen nach der Aussage allen Grund, den Zeugen vereidigen zu lassen – und damit die Strafen für eine mögliche Falschaussage empfindlich zu verschärfen. Aus ihrer Sicht hat Markus W. „bewusst die Unwahrheit gesagt“.

Aus den Untersuchungen einer vom Hotel eingeschalteten Anwaltskanzlei gehe hervor, dass W. entgegen dessen Behauptungen die VIP-Planung gekannt und Ofarim gegoogelt haben soll – und sehr wohl gewusst habe, wer da vor ihm steht.

Das strikte Vorgehen des Hotelmanagers sei „disproportional“ zum Anlass – es sei schließlich üblich, dass Hotelgäste mit schlechten Internet-Rezensionen drohten. Für die Verteidiger „steht und fällt“ der Antisemitismus-Vorwurf mit der Frage, ob Ofarim seinem Kontrahenten als jüdischer Künstler vorab bekannt war.

Ließ Ofarims „schroffer Ton“ die Situation eskalieren?

Das Gericht lehnt den Antrag ab und macht deutlich, dass es den Hotelmanager als einen Zeugen sieht, dessen Aussage es „intensiv zu prüfen“ gelte. Die Aussage sei „interpretationswürdig“, aber „nicht völlig unplausibel“.

Zudem gebe es mehrere Aussagen zum Geschehen, und die von W. habe „unbestreitbar Bedeutung“. Jedoch sei sie nicht so gewichtig, wie die Verteidiger meinten.

Dass zumindest das Vorgeschehen so ablief, wie W. es schilderte, bestätigt die Rezeptionistin vor Gericht, die es zunächst mit Ofarim zu tun bekam. Sie selbst war an jenem Abend für eine Kollegin eingesprungen. Auch ihr sei der Gast trotz VIP-Liste nicht als Prominenter bekannt gewesen.

W. soll Ofarim aufgefordert haben, aus der Schlange zu treten

Sie will Ofarim, der anfangs noch „relativ gefasst“ und dann „zunehmend aufgeregter“ gewesen sei, erklärt haben, warum einige wenige Gäste schon in ihre Zimmer könnten. Aber der „relativ schroffe Ton“ hat wohl wenig Verständigung ermöglicht.

Dass ihr Vorgesetzter dann mit dem Hausrecht gekommen sei, sei für sie nachvollziehbar. „Das hätte ich auch so gemacht“. Der Gast habe mit „Facebook, Instagram, Bambambam“ gedroht.

Wenig kann die Zeugin allerdings zur Aufklärung des konkreten Ablaufs des eigentlichen Disputs beitragen. Sie sprach von einem nur kurzen Dialog zwischen Ofarim und W. Der Hotelmanager habe den Künstler gebeten, aus der Schlange herauszutreten. Welche Worte dabei fielen, habe sie „nicht mitbekommen.“

Die Zeugin beschreibt eindrücklich den Aufruhr, der dem Vorgang folgte. Bei der Demo vor dem Hotel hätten sie als Mitarbeiter mitgemacht. Eine Woche lang habe es rund um die Uhr Drohanrufe mit Beleidigungen und üblen Scherzen gegeben.

Auch dass der Abend ein friedlicheres Ende hätte finden können, wird am Mittwoch im Leipziger Landgericht deutlich. W. hatte es nach eigenem Bekunden von einer Entschuldigung Ofarims abhängig gemacht, ob dieser noch einchecken dürfe.

Bei der Schichtübergabe klang das wohl nicht mehr ganz so dramatisch. Per Mail informierte der Empfangschef den Nachtdienst, dass der Gast ein Zimmer bekommen solle, wenn er wiederkäme. Doch stattdessen setzte sich Ofarim vor das Hotel und produzierte sein Video. Später wechselte er in ein anderes Hotel.

Markus W. arbeitet jetzt nicht mehr im „Westin“, im September wechselte er den Job auf eigenen Wunsch. Es sei „schon schwer“ gewesen, den Vorfall zu vergessen, „wenn man ständig in den Räumlichkeiten rumläuft“.

Er sei in Beschwerdesituationen jetzt „gewissermaßen vorgeschädigt“. Hinzu sei gekommen, dass „Westin“-Gäste „diese Karte spielten“, wenn sie etwas auszusetzen hatten.

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