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 Prof. Dr. Karl Lauterbach, Bundesgesundheitsminister - beim Verlassen der Bundespressekonferenz

© imago/Chris Emil Janßen / IMAGO/Chris Emil Janssen

Kritik an Lauterbachs Reform: Bislang steht der Klinik-Umsturz nur auf dem Papier

Der Bundesgesundheitsminister möchte die Bezahlung von Kliniken verändern. Doch das Reformvorhaben stößt bei einigen Ländern auf Widerstand.

Gesundheitsminister Karl Lauterbach nennt die Reformpläne seiner Regierungskommission für den Krankenhaussektor eine „Revolution“. Doch bislang steht der Umsturz nur auf dem Papier. Um ihn ins Werk zu setzen, benötigt der SPD-Politiker zwingend die Bundesländer. Und die beiden größten gingen schon unmittelbar nach der Ankündigung des Reformvorhabens auf Distanz.

Die Krankenhausplanung sei Ländersache und müsse es auch bleiben, stellte der nordrhein-westfälische Gesundheitsminister Karl Josef Laumann klar. Es gehe nicht an, sie nun zentral von Berlin aus steuern zu wollen. „Sie können die Krankenhauslandschaft in Mecklenburg-Vorpommern nicht mit der in Nordrhein-Westfalen vergleichen“, sagte der CDU-Politiker im Deutschlandfunk.

Außerdem äußerte er Zweifel an der Finanzierbarkeit. Ohne zusätzliche Mittel werde es nicht gehen, sagte Laumann. Allein wegen der Lohnsteigerungen benötigten die Krankenhäuser ständig mehr Geld. Dazu komme der medizinische Fortschritt.

Heftige Kritik aus Bayern

Noch schärfer fiel die Kritik aus Bayern aus. Das Vorhaben greife „unzumutbar in die Krankenhausplanungskompetenz der Länder ein“, sagte der dortige Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU). „Die Regierungskommission und mit ihr Herr Lauterbach schlagen ein zentral gesteuertes, quasi-planwirtschaftliches und hochtheoretisches System vor, das sehr rasch zu einer massiven Konzentration der stationären Versorgungsangebote führen würde.“

Und wie Laumann ärgert auch ihn das Versprechen der Regierungskommission einer kostenneutralen Reform. Es sei „weiterhin kein Ausgleich für die massiv gestiegenen Sachkosten der Kliniken in Sicht“, klagte Holetschek. Offenbar habe der Bundesminister vor, die bestehende Unterfinanzierung durch „Umverteilung zulasten anderer wichtiger Versorgungseinrichtungen“ in den Griff zu bekommen.

Es droht ein Berliner Bürokratiemonster.

Der bayrische Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU)

Wie berichtet hatte Lauterbach angekündigt, die Kliniken vom ständig zunehmenden wirtschaftlichen Druck zu Lasten von Patienten und Personal zu befreien. Um aus dem „Hamsterrad“ einer beständigen Mengenausweitung mit möglichst billig zu erbringender Medizin zu kommen, müssten die Kliniken nach neuen Kriterien finanziert werden.

Die bisherige, allein fallabhängige Vergütung müsse teilweise abgeschafft und durch eine Honorierung auch für das bloße Vorhalten von Leistungen ergänzt werden. Dafür sei es notwendig, alle Krankenhäuser in bundeseinheitliche Level, von der Grundversorgung bis hin zur Maximalversorgung, mit entsprechend vorgegebenen Ausstattungs-Standards zu kategorisieren.

Die vorgesehenen Änderungen am Fallpauschalen-System bezeichneten beide Gesundheitsminister als richtig. „Wir brauchen wieder mehr Medizin und weniger Ökonomie“, sagte Holetschek. Allerdings berge das Konzept „über zentralistische Vorgaben die enorme Gefahr einer verheerenden Fehlsteuerung und sogar der Zerstörung bedarfsnotwendiger Versorgungsstrukturen“.

Durch die geplante „Einführung von 128 Leistungsgruppen mit jeweils hochdetaillierten Strukturvorgaben“ drohe „ein Berliner Bürokratiemonster, das bei allen an der Versorgung Beteiligten und in der Verwaltung enorme Kräfte binden und erhebliche Kosten verursachen wird“, so der CSU-Politiker. Und das sei dann das Gegenteil von dem, was man benötige: „nämlich weniger Bürokratie und passgenauere Strukturen, ausgerichtet an den Bedarfen vor Ort“.

Berlins Gesundheitssenatorin Ulrike Gote (Grüne) dagegen unterstützt die Pläne von Lauterbach. Dem Tagesspiegel sagte sie: „Ich gehe davon aus, dass die am Dienstag vom Bundesgesundheitsminister vorgelegten Ansätze finanzierbar und umsetzbar sind.“ Sie begrüßt die Reform des Fallpauschalensystems. Doch auch sie warnt: „Krankenhausplanung ist Ländersache, das muss auch so bleiben.“ Außerdem mahnt sie, regionale Besonderheiten zu berücksichtigen.

In Baden-Württemberg fühlen sie sich „voll bestätigt“

Aus zwei anderen Bundesländern kam erst mal nur Beifall. Es sei „richtig, dass das System der Fallpauschalen nun umgebaut werden soll zugunsten einer bedarfsgerechteren Versorgung“, sagte Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manne Lucha dem Tagesspiegel Background Gesundheit & E-Health. Und dass er sich in seinem bereits eingeschlagenen Kurs „voll bestätigt“ fühle. Es brauchte „das richtige Angebot am richtigen Ort“, so der Grünen-Politiker. „Einerseits eine flächendeckende ambulantisierte Grundversorgung, wie wir sie in Baden-Württemberg mit unseren Primärversorgungszentren bereits auf den Weg gebracht haben, andererseits eine ausreichende Notfallversorgung sowie Spezialbehandlungsangebote in leistungsstarken Krankenhäusern.“

Die amtierende Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz und zuständige Ministerin in Sachsen-Anhalt, Petra Grimm-Benne, begrüßte die Vorschläge der Regierungskommission ebenfalls. „Wir brauchen dringend eine Reform der Krankenhausfinanzierung“, sagte die SPD-Politikerin dem Tagesspiegel Background. Es sei „Zeit für ein Umdenken“ betonte sie. „Weg vom Fallpauschalensystem, hin zu einer modernen und bedarfsgerechten Finanzierung mit Vorhaltekosten. Dafür haben wir uns sehr eingesetzt.“

Städtetag will möglichst schnelle Umsetzung

Um den nötigen Konsens mit den Ländern zu erreichen, sollen diese nun bis Anfang Januar „Anregungen und Fragen vortragen“. Allerdings warnte der Deutsche Städtetag bereits davor, sich mit der notwendigen Reform zu viel Zeit zu lassen. „Wir brauchen ein Rettungspaket, das schnell wirkt“, sagte Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy der Deutschen Presse-Agentur. „Sonst wird es in fünf Jahren viele wichtige Krankenhäuser nicht mehr geben.“

Die Regierungskommission dagegen hat – wohl auch mit Blick auf die nötige Überzeugungsarbeit bei den Ländern – empfohlen, die Neuregelungen nur schrittweise und „in einer großzügigen Übergangsphase“ einzuführen. Die Experten sehen dafür einen Zeitraum von fünf Jahren vor.

Die Krankenkassen dagegen warnen, bei Änderungen der Klinikfinanzierung übers Ziel hinauszuschießen.. „Wenn künftig ein beträchtlicher Anteil der Kassenausgaben für Krankenhäuser an der gemeinsamen Selbstverwaltung vorbei vom Staat verteilt wird, ist das eine Teilverstaatlichung des Gesundheitssystems“, gibt etwa der Vorstandschef der Techniker Krankenkasse (TK), Jens Baas, zu bedenken.

Der Vorstandsvorsitzende des Dachverbands der Betriebskrankenkassen, Franz Knieps, stößt ins gleiche Horn. Er nennt das Reformkonzept zwar „ein mutiges und interessantes Modell zur Neuordnung der Krankenhausfinanzierung“. Bedauerlich sei aber, dass die Regierungskommission damit „den Weg in die Verstaatlichung des Gesundheitswesens weiter vorantreibt und Gestaltungsmöglichkeiten der Selbstverwaltung beschneidet“.

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