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Drei Cannabispflanzen darf man jetzt auch daheim straflos züchten.

© dpa/Christian Charisius

Weg frei für Cannabis-Gesetz?: Schwindender Widerstand im Bundesrat

Die Union will sich weiter gegen die Legalisierung von Cannabis sperren, aber die Ampel-Parteien rücken wohl zusammen. Ein umfangreiches Vermittlungsverfahren ist unwahrscheinlich.

Friedrich Merz hat einmal dran gezogen, möglicherweise also auch inhaliert – aber seither die Finger davon gelassen. Über sein kurzes Joint-Abenteuer während der Schulzeit hat der CDU-Chef am Donnerstag im Sender n-tv berichtet. Sein Fazit: „Es war furchtbar.“

Den bleibenden Eindruck verband Merz mit der Warnung vor der Entscheidung an diesem Freitag im Bundesrat zum Cannabis-Gesetz. „Wir sind und bleiben dagegen“, sagte der Oppositionsführer über das Ampel-Projekt der Legalisierung. Es sei grundfalsch, Rauschgifte in Deutschland freizugeben.

Die Kritikpunkte sind bekannt, sie werden auch innerhalb anderer Parteien, nicht zuletzt der SPD, geteilt. Da ist einerseits der Schutz Minderjähriger – reicht das im Gesetz vorgesehene Abstandsgebot für den öffentlichen Konsum um Schulen und Sportstätten? Und andererseits die nicht ganz triviale Frage, ob und wie weit die Amnestie für Altfälle den Verwaltungsaufwand beim Herausfiltern von und dem Herausstreichen aus alten Akten rechtfertigt.

Es war furchtbar.

Friedrich Merz, CDU-Chef, über seine erste und letzte Cannabis-Erfahrung

Dass Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) schon seit Montag Andeutungen und Ankündigungen gemacht hat, er werde über eine sogenannte Protokollerklärung noch Bedenken der Länder entgegenkommen, wurde in der Union weggewunken. Eine Frechheit seien Lauterbachs angebliche Zugeständnisse. Verbesserungen bei der Prävention, geringere erlaubte Mengen, ein erweitertes Abstandsgebot zu Kitas und Schulen hat Lauterbach unter anderem angeboten.

Rein rechtlich ist eine Protokollerklärung im Bundesrat zwar unverbindlich, aber im Bund-Länder-Geschäft durchaus üblich. Meist werden Zugeständnisse dann kurz- oder mittelfristig durch eine Gesetzesänderung umgesetzt. Bei der Cannabis-Freigabe herrscht allerdings Zeitdruck – sie soll laut Gesetz schon am 1. April in Kraft treten.

Ein Vermittlungsverfahren würde also dieses Datum obsolet machen. In den Tagen vor der Bundesratssitzung schwand jedoch zusehends die Hoffnung derer, die darauf gesetzt hatten, das Gesetz in der Länderkammer erst einmal aufzuhalten. In mehreren Ländern, in denen SPD, Grüne und FDP in der Regierung sitzen, deutete sich eine Enthaltung bei der Frage an, ob sie einem Vermittlungsverfahren mit einem breiten Spektrum an Veränderungswünschen zustimmen.

Anrufung zu Einzelpunkten?

Unklar blieb am Donnerstagnachmittag allenfalls, ob eventuell wenige Einzelpunkte angefochten werden könnten. Immerhin könnte die Union in den Gesprächen in den Freitag hinein mit der Drohung, etwa dem Wachstumschancengesetz nicht zuzustimmen, Druck aufbauen. Sachlich ohne Zusammenhang, aber machtpolitisch denkbar.

Doch nach Informationen des Tagesspiegels waren am Donnerstagnachmittag von den acht Ländern, in denen die Union zusammen mit Ampel-Parteien in der Regierung sitzt, nur noch Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg beim Cannabis-Gesetz unentschlossen. Alle anderen dürften sich enthalten.

Kretschmer kündigt Komplettblockade an

Schärfe hatten zuvor zwei Seiten in die Debatte getragen. Einerseits hatten Unions-Politiker, etwa Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer, ausdrücklich eine Komplettblockade des Gesetzes im Vermittlungsausschuss angekündigt. Sein Ziel sei es, dass das Gesetz niemals mehr aus dem Vermittlungsausschuss herauskomme. Damit hatte wiederum Lauterbach der Ampel-Kollegenschaft in den Ländern klargemacht, dass es um alles oder nichts gehe. Komme ein Vermittlungsverfahren, werde das Gesetz sterben.

Allerdings ist das gar nicht möglich, jedenfalls nicht mit den aktuellen Mehrheitsverhältnissen im 32-köpfigen Vermittlungsausschuss. Denn die Ampel hat dort eine Mehrheit, die im Vermittlungsverfahren zum Wachstumschancengesetz kürzlich auch genutzt wurde, um ein Ergebnis ohne die Union zu beschließen.

Rüge aus dem Ausschuss

Manuela Schwesig, SPD-Ministerpräsidentin in Mecklenburg-Vorpommern und derzeit Ko-Vorsitzende des Vermittlungsausschusses, wies im „Spiegel“ die Äußerungen Kretschmers wie Lauterbachs zurück. „Weder diejenigen, die damit drohen, noch die, die davor warnen, haben recht.“

Hendrik Hoppenstedt, Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag und amtierender Vorsitzender des Vermittlungsausschusses, schrieb gar einen empörten Brief an Lauterbach. In dem Schreiben wies er den Gesundheitsminister zurecht und erklärte ihm das Verfahren.

Er hätte es auch an Kretschmer schicken können. Denn es sind stets alle Gesetze, zu denen ein Vermittlungsverfahren verlangt wurde, auf die Tagesordnung einer Sitzung zu stellen. Die Mehrheit könne dann über den Fortgang entscheiden, schreibt Hoppenstedt.

Da nicht davon auszugehen ist, dass bis zum Ende der Wahlperiode keine weiteren Sitzungen des Vermittlungsausschusses mehr stattfinden, könnte das Cannabis-Gesetz also gar keinen Tod im Ausschuss sterben. Schon an diesem Freitag zum Beispiel dürfte der Bundesrat mindestens das Onlinezugangsgesetz in die Vermittlung schicken.

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