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Will Bürokratie abbauen: Bundesjustizminister Marco Buschmann.

© dpa/Wolfgang Kumm

Marco Buschmanns Liste: Wie die Ampel Bürokratie abbauen will

Die FDP will Unternehmen helfen, der Justizminister legt bald Eckpunkte für ein Entlastungsgesetz vor. Vor allem fünf Vorhaben sind der Wirtschaft wichtig.

Mit der Bürokratie ist es wie bei einem Jojo: Sie geht rauf, sie geht runter, sie nimmt zu, sie nimmt ab. Zum Geschäft der Gesetzgebung gehört der Aufbau von Bürokratie, verstanden als ein Mehr von Verwaltungsverlangen, Vorschriften und Regulierungen. Gelegentlich passiert auch das Gegenteil. Marco Buschmann ist da gerade dran.

Die FDP will mit dem Thema Entlastung punkten, aktuell vor den Landtagswahlen, und überhaupt. Sie hat das Projekt eines Bürokratieentlastungsgesetzes in den Koalitionsvertrag verhandelt. Der Bundesjustizminister ist federführend. Buschmann ist der Ansicht, dass die Wirtschaft unter einem „Bürokratie-Burnout“ leidet.

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Als Beitrag für mehr Wachstum fordert er nun eine „Trendwende bei der Bürokratiebelastung“. Auch das vorerst gestoppte Wachstumschancengesetz von Finanzminister Christian Lindner (FDP) enthält einige Vorhaben zur Bürokratieentlastung.

707
Seiten hat die Sammlung von Reformideen.

Buschmann bereitet das Projekt schon seit Monaten vor – zusammen mit der versammelten Lobby. Die reicht von den Wirtschaftsverbänden und Gewerkschaften über die Bundessteuerberaterkammer, Ärzte- und Architektenkammern, den Paritätischen Wohlfahrtsverband und die Caritas bis zum Stifterverband für die Wissenschaft und die Kommunalverbände.

Um alle einzufangen, hat das Justizministerium im Januar eine Abfrage bei Dutzenden Organisationen gestartet. Jeder Verband durfte bis zu zehn Hinweise liefern, wo der Schuh besonders drückt – und dazu gleich die Vorschläge für Abhilfe.

Das Ergebnis findet sich auf 707 Seiten eines Berichts, den Buschmann schon im Mai veröffentlicht hat. In einer Liste hat das Justizministerium 132 Vorrangprobleme unter „Kategorie 1“ und damit als tauglich für ein Sammelgesetz oder „für unmittelbare gesetzliche Maßnahmen der Ressorts“ eingestuft. Auch aus anderen Ministerien wurden noch Ideen geliefert.

Eckpunkte in Meseberg

Aber das ist noch zu viel für die Eckpunkte, die Buschmann zum Start des Gesetzgebungsprozesses in der kommenden Woche bei der Kabinettsklausur in Meseberg vorlegen will. Auf etwa 40 Kernvorschläge solle eingedampft werden, heißt es in Verbandskreisen. Dort hält man sich angesichts der bevorstehenden Veröffentlichung mit Einschätzungen vorerst zurück. Doch gibt es einige Favoriten für die Buschmann-Liste – Vorschläge, die von besonders vielen und besonders großen Verbänden eingebracht worden sind.

Ein großes Anliegen der Wirtschaft ist vor allen anderen, was in der Liste unter „Aufwandsreduzierung Lieferkettengesetz“ erscheint. Dieses Gesetz ist am 1. Januar 2023 in Kraft getreten und verpflichtet ab 2024 Unternehmen mit mehr als tausend Mitarbeitern, bei Lieferanten und Kunden auf die Einhaltung von Menschenrechten zu achten. Die Sorgfaltspflichten betreffen Kinder- und Zwangsarbeit, Diskriminierung und Gleichheitsverstöße, Umweltschutz, Lohngerechtigkeit. 

Wirtschaftslobby ist rege

Die Wirtschaftslobby hatte schon im Gesetzgebungsverfahren protestiert, weil ihrer Ansicht nach der bürokratische Aufwand unverhältnismäßig hoch ist. In diese Richtung gehen nun auch die aktuellen Klagen. So ist der Wunsch, den Umfang und die Form der jährlichen Berichtspflichten zu reduzieren. Die Wirtschaft wünscht sich zudem weiße und schwarze Regional- oder Länderlisten seitens der Regierung, um so den Prüfaufwand zu verringern.

Stau am Bau wegen Bürokratie? Die Wirtschaft beklagt Hindernisse beim Windkraftausbau.

© dpa/Jan Woitas

Ein zweiter Punkt, der ganz oben steht: Vereinfachung von Vergabeverfahren. Dazu hat etwa der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft gefordert, mehr Spielraum zu geben und weniger zu formalisieren. So sei es derzeit schwierig, während eines laufenden Verfahrens auf Bieterideen und Bieterwünsche individuell einzugehen, da Änderungen der ausgeschriebenen Leistung häufig eine Neuausschreibung erforderlich machen würden.

Mittelstand sieht sich gehemmt

Drittens betreffen viele der Forderungen den Mittelstand. So sähe der Steuerberaterverband gern eine höhere Mindestgrenze für die Buchführungspflicht – bei einer Million Euro Jahresumsatz statt 600.000 Euro. Die Versicherungswirtschaft will die Pflicht zur Schriftform – in aller Regel mit Papier verbunden – durch die Textform ersetzen, was eine rein digitale Dokumentation erlauben würde. Als Beispiel werden Vereinbarungen zur betrieblichen Altersversorgung genannt.

Viertes Großthema: Nicht zuletzt der Verband der Maschinen- und Anlagenbauer ist der Meinung, dass die Genehmigungsverfahren für Schwertransporte entschlackt werden könnten – auch um den Ausbau der Windkraft zu beschleunigen. BDI-Präsident Siegfried Russwurm beklagte unlängst, man brauche bis zu 150 Einzelgenehmigungen, um Bauteile für Windkrafträder von einem Nordseehafen nach Bayern zu bringen.

Digitale Verwaltung?

Und fünftens schließlich eines der ganzen großen Projekte: die Digitalisierung. Vor allem die Umsetzung der Verwaltungsdigitalisierung nach dem Onlinezugangsgesetz (OZG) missfällt der Wirtschaft, die hier quer durch die Bundesländer mehr Einheitlichkeit wünscht. Bundesweit sind derzeit nur 132 der insgesamt 575 Leistungen, die das OZG umfasst (ein Beispiel ist der Antrag auf eine Baugenehmigung), bundesweit verfügbar.

Selbst das Spitzenreiterland Bayern hat es bisher nur geschafft, 235 dieser Leistungen landesweit digital anzubieten. Das Saarland liegt mit 132 Angeboten hinten, Berlin landet mit 185 Angeboten im Mittelfeld. Insbesondere Mittelstandsunternehmen halten die bisherigen Antrags- und Genehmigungsverfahren für zu umständlich und intransparent und dringen auf mehr digitale Kontakte und Informationswege.

Was letztlich in den Eckpunkten stehen wird, ist zwar noch nicht ganz klar. Wie schnell die Umsetzung gelingt (wenn sie gelingt), bleibt abzuwarten. Einige Vorschläge richten sich nur an ein Bundesministerium. Oft aber sind es mehrere. Und das heißt: Es muss koordiniert werden, es läuft auf Kompromisssuche hinaus. Allein bei der Umarbeitung des Onlinezugangsgesetzes sind nach der Liste aus dem Justizministerium 13 Bundesministerien beteiligt. Das dürfte ein Hickhack werden.

Dass Buschmann nur Eckpunkte liefern will und keinen Gesetzentwurf, wird bei den Verbänden schon kritisch beäugt. Es wäre das vierte Gesetz mit diesem Namen binnen eines Jahrzehnts. 2015, 2017 und 2021 hatten sich Union und SPD darangemacht.

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