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Ein zerstörter Panzer in der Nähe des kürzlich zurückeroberten ukrainischen Dorfes Jampil in der Ostukraine (Symbolbild).

© AFP/Dimitar Dilkoff

Zwischen Cherson und dem Donbass: Ukraine plant offenbar bereits die nächste Offensive

Nach der erfolgreichen Gegenoffensive in Cherson hat die Ukraine nicht eine Pause einzulegen. Vielmehr plant Kiew einen neuen Vorstoß zu unternehmen.

Hinweise von ukrainischen Truppen würden auf eine geplante Offensive in der Region Saporischschja hindeuten. Ziel dieser erneuten Offensive könnte die Industriestadt Melitopol etwa 60 Kilometer nördlich vom Asowschen Meer sein, berichtet die „New York Times“.

Die Region befindet sich zwischen der festgefahrenen Front im Donbass und der Front in Cherson, wo die Ukraine jüngst deutliche Gebietsgewinne vermelden konnte. Es gebe Beweise, dass die ukrainische Armee bereits Angriffe nahe der Stadt etwa 70 Kilometer hinter der Frontlinie ausführe, schreibt die Zeitung.

Beobachter wie der Ex-Navy Seal Chuck Pfarrer halten ebenfalls eine Offensive auf Melitopol für möglich. Im Gespräch mit einer ukrainischen NGO äußerte er sich zuversichtlich, dass die Ukraine in den kommenden Monaten in der Lage sein werde, ihren Vorteil zu nutzen und weitere Gebiete zurückzuerobern.

Andere Analysten sehen die Situation weniger optimistisch. „Ich wäre überrascht, wenn sie [die Ukrainer] die Munition, den Treibstoff und die Ausrüstung haben, um das zu tun“, zitiert die „NYT“ den Militäranalysten Justin Bronk vom Royal United Service Institute, einer Organisation für Verteidigungsanalysen in London. „Es gab sehr hohe Verluste in der Region Cherson“.

Offensive in Saporischschja bedeutet wohl Stillstand in Cherson

Eine Offensive in Saporischschja würde mit großer Sicherheit einen Stopp des ukrainischen Vormarsches in der Region Cherson bedeuten, schreibt die "NYT" unter Berufung auf Militäranalysten. Der Fluss Dnjepro – auf dessen Ostseite die russischen Truppen bei ihrem Rückzug in der Region Cherson flüchteten – sei zu breit und die wenigen Brücken größtenteils zerstört oder stark beschädigt, um die Offensive fortzusetzen. Daher sei ein Verbleib der Frontlinie am Ufer des Dnjepro wahrscheinlich.

Russland hatte sich in den vergangenen Tagen von der Westseite des Dnjepro zurückgezogen. Begründet wurde die mit der schwierigen Versorgungslage der eigenen Truppen in dem Gebiet. Seither vermeldet das ukrainische Militär immer mehr Geländegewinne. Unter Jubel hatten Soldaten die Flagge der Ukraine in der gleichnamigen Gebietshauptstadt gehisst. Der ukrainische Präsident Selenskyj spricht von einem „historischen Tag“.

Trotzdem erkennt der Kreml die gesamte Region Cherson weiterhin als russisches Gebiet an. Ende September hatte Moskau das Gebiet völkerrechtswidrig annektiert. Nach dem Abzug der russischen Truppen hat nun erneut der Beschuss der Region Cherson begonnen. „Aktuell werden Truppen und Militärtechnik der ukrainischen Streitkräfte auf dem rechten Ufer des Flusses Dnipro beschossen“, teilte Russlands Verteidigungsministerium am Freitag mit.

Vergangene Woche Donnerstag hatte General Mark A. Milley, der Vorsitzende der US-Generalstabschefs, noch vorgeschlagen, die Pattsituation dazu zu nutzen, wieder an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Russland und die Ukraine hätten jeweils weit mehr als 100.000 Soldaten verloren. Entweder seien diese getötet worden oder so stark verwundet, dass sie nicht mehr kämpfen könnten. Die Regierung in Kiew sieht den Stopp der Offensive jedoch nur als Möglichkeit für die russischen Truppen, ihre Stellungen besser zu sichern und zu verteidigen, berichtet die Zeitung.

Ein Oberleutnant, der mit seiner Panzerabwehreinheit die umkämpfte Stadt Bachmut im östlichen Donbas verteidigt, spricht sich in der "New York Times" ebenfalls gegen eine Pause aus: „Die Logik des Krieges besteht nicht darin, eine Pause einzulegen und irgendwie weiter vorzurücken. Ich denke, dass es Gegenangriffe in andere Richtungen geben wird, sodass der Feind keine Zeit hat, Reserven zu verlegen und Angriffe zu blockieren.“

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