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Auf der Pfarrwiese in Gottschow.

© Fotografenherz

Kultur in der Prignitz: Konzerte auf der Pfarrwiese

Sie war eine der großen Sopranistinnen ihrer Zeit. Die Lotte Lehmann Akademie holt jeden Sommer junge Sänger nach Perleberg – zu ungewöhnlichen Auftritten.

Sie habe gesungen, „dass es die Sterne rührte“, sagte Richard Strauss über die Sopranistin Lotte Lehmann. Eigens für sie schrieb er Hauptrollen in seinen Opern, als Lied- und Opernsängerin war Lotte Lehmann auf den Bühnen der Welt zuhause.

Geboren wurde die Künstlerin jedoch in einer beschaulichen Kleinstadt in der Prignitz: Perleberg. Hier verbrachte sie ihre Kindheit und Jugend, und hier, auf halbem Wege zwischen Berlin und Hamburg, ist sie dank der „Lotte Lehmann Akademie“, die jeden Sommer junge Sänger:innen nach Perleberg holt, auch fast 50 Jahre nach ihrem Tod noch sehr präsent.

Wir möchten auch Menschen ansprechen, die nicht mit Smoking und Abendkleid in die Oper gehen.

Eva-Maria Brück-Neufeld, Koordinatorin Lotte Lehmann Akademie

Eine Büste unweit des Marktplatzes erinnert an sie und das Stadt- und Regionalmuseum zeichnet ihren Lebensweg nach, der sie über Berlin, Hamburg, Wien und viele weitere Stationen bis nach Kalifornien führte.

Das Angebot von Hermann Göring, „reichsdeutsche Nationalsängerin“ zu werden, schlug sie aus, erhielt deswegen Auftrittsverbot und emigrierte 1938 in die USA. Zuletzt lebte Lotte Lehmann in Santa Barbara, Kalifornien, wo sie berühmte Sängerinnen wie Grace Bumbry und Karan Armstrong ausbildete. Eine Weltkarriere – aber ihre Heimatstadt, in der sie 1888 das Licht der Welt erblickte, vergaß sie nicht.

Die Lotte Lehmann Akademie, in einem grüngestrichenen Gebäude am Markt beheimatet, hält ihr Erbe lebendig. Die aus dem überraschenden Erfolg einer einmaligen Gedenkwoche im Jahr 1998 entstandene Kulturinstitution bringt seit nunmehr 15 Jahren jeden Sommer Musik nach Perleberg und lockt Gäste von nah und fern in die beschauliche Kleinstadt.

Bis zu 20 angehende Opern-Sängerinnen und Sänger kommen zu dreiwöchigen Sommerkursen, entwickeln sich in einem Intensivprogramm weiter und geben – in diesem Jahr vom 19. August bis 2. September – Konzerte in der gesamten historischen Prignitz.

Auftritt vor der Scheune: ein Konzert der Lotte Lehmann Akademie in Gottschow.

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„Die Auftritte sind sehr abwechslungsreich, Arien, Duette, auch Szenen, und finden oft an ungewöhnlichen Orten statt, in einer Scheune, einer Dorfkirche oder auf einer Pfarrwiese“, sagt Koordinatorin Eva-Maria Brück-Neufeld. „Das Publikum kann hier Oper ganz niedrigschwellig erleben. Wir möchten auch Menschen ansprechen, die nicht mit Smoking und Abendkleid in die Oper gehen würden.“

Angelo Raciti, künstlerischer Leiter der Lotte Lehmann Akademie, erklärt das Konzept so: „Wir fühlen uns der Philosophie von Lotte Lehmann ,Stimmen mit Persönlichkeit und Persönlichkeiten mit Stimme‘ verpflichtet. Unseren Teilnehmenden bieten wir ein intensives Kursprogramm in Gesangstechnik, Körperarbeit, Bühnenpräsenz und Personal Coaching.“ Auch innovative Formate wie „neurozentriertes Training“ oder „Resilienztraining“ stehen auf dem Programm, Agent:innen und Casting-Direktoren geben Feedback.

Die Abschlussgala findet in der St. Jacobi-Kirche in Perleberg statt.

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„Die Teilnehmenden lernen bei uns in drei Wochen, was sie an ihrer Hochschule in drei Jahren lernen“, ist Raciti, selbst Opernsänger und Stimmcoach, überzeugt. „Sie erleben viele Perspektiven – von Dirigentin, Pianist, Sprachtrainerin, Schauspielregisseur – und bauen das für sich zusammen.“ Bei den Konzerten können die Sänger:innen dann ausprobieren, wie sie die neu gewonnenen Fähigkeiten am besten vor Publikum einsetzen.

Die Lotte Lehmann Akademie ist zu einer festen Größe in der Region geworden und kooperiert mit anderen Veranstaltern. Absolvent:innen der Akademie treten etwa bei den „Elblandfestspielen“ auf, die am 7. und 8. Juli in Wittenberge stattfinden. In diesem Jahr endet die Lotte Lehmann Akademie erstmals mit einer Open-Air-Abschlussgala auf dem Marktplatz in Perleberg, die von den Brandenburger Symphonikern unter der Leitung von Svetoslav Borisov begleitet wird, und einem Jubiläumsfest am 3. September. Denn es geht nicht „nur“ um Kultur, auch um die Entwicklung der Region. „Wir binden Gastronomen und Händler mit ein, um mehr Möglichkeiten der Begegnung zu schaffen“, sagt Raciti.

Auch Laien erhalten Unterricht in Sologesang

Begonnen hat alles vor gut 25 Jahren mit der „Lotte Lehmann Woche“, die seitdem jeden Sommer stattfindet, ein siebentägiger Kurs für 25 bis 30 Gesangsinteressierte, an dem auch Laien teilnehmen können (4.–12. August). Auch sie erhalten Unterricht in Sologesang, Chor, Körperarbeit, und auch sie geben anschließend ein Konzert. „Wir haben Teilnehmende zwischen 13 und 65 Jahren, und bei manchen beobachten wir einen richtigen Entwicklungssprung, das explodiert regelrecht, wenn sie auf die richtigen Dozenten treffen“, sagt Raciti.

Erstmals kooperiert die Akademie in diesem Jahr auch mit den Brandenburgischen Sommerkonzerten: Am 25. Juni singen Gesangssolist:innen der Akademie Arien aus romantischen Oratorien in der St. Jacobikirche. Die Stiftung Zukunft Berlin wird mit einem Bus voller Interessierter anreisen. Die Stiftung, die seit zehn Jahren die Konzertreihe „Nachbarn bei Nachbarn“ an besonderen Orten in Brandenburg anbietet, möchte den „Korridor“ zwischen Berlin und Hamburg entwickeln.

So viel Kultur steckt in der Prignitz – man muss nur hinschauen und hinhören.

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