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Mangelware. In Brandenburg gibt es zu wenige leistungsstarke Stromnetze.

© Christophe Gateau/dpa

Schwächelndes Netz in Brandenburg: Viel Strom, zu wenig Leitung

Erneuerbare Energien produzieren in Brandenburg gigantische Überkapazitäten, weil die Transportwege zu langsam ausgebaut werden.

Geht es um erneuerbare Energie, liegt Brandenburg deutschlandweit vorn. Das Land könne „im bundesweiten Vergleich die höchste installierte elektrische Leistung aus erneuerbaren Energien pro Einwohner“ vorweisen, heißt es selbstbewusst auf der Internetseite des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Energie. Damit es so bleibt, werden leistungsstarke Stromnetze gebraucht. Die aber fehlen. Gezeigt hat sich das zuletzt im Potsdamer Umland: Der Bau einer bei Satzkorn geplanten Solaranlage kommt nicht voran.

Alle, die sich mit Energiepolitik auskennen, sagen das Gleiche: Das liege vor allem an langwierigen Genehmigungsverfahren. Eckard Veil, Chef der Energie Wasser Potsdam, sagte jüngst bei einer Podiumsdiskussion: „Brandenburg hängt beim Netzausbau hinterher, und wenn wir keinen Netzanschluss haben, können wir auch keine große Photovoltaikanlage bauen.“

Claudia Lippert, Sprecherin des Energieministeriums, bestätigt das. Die Frage, wo in Brandenburg Stromnetze ausgebaut werden müssten, beantwortet sie mit dem Satz: „Kurz gesagt: überall.“ Die in Windparks und durch große Photovoltaik-Anlagen auf freien Flächen erzeugte Energie müsse von dort zu den Verbrauchern transportiert werden. Das solle weniger über neue Trassen als „durch die Ertüchtigung bestehender Freileitungen“ erfolgen.

2009 begann die Planung der Trasse, in Betrieb ist sie immer noch nicht

Genau das ist offenbar schwierig. Sebastian Walter, Fraktionschef der Linken im Landtag, erklärt, in Brandenburg bleibe der Netzausbau „deutlich hinter den Erfordernissen zurück“. Schon 2009 seien Netzausbauprojekte von übergeordneter Bedeutung ins Energieleitungsausbaugesetz aufgenommen worden – der Berliner Nordring und die Uckermarkleitung. Sie sollten in bestehenden Trassen verstärkt werden.

Doch: „Beide Vorhaben wurden insbesondere durch langwierige Gerichtsverfahren, erforderliche Umplanungen und Nachbeteiligungen erheblich verzögert und sind bis heute nicht in Betrieb gegangen“, sagt Walter. Er fordert, dass die „Kosten für Netzentgelte bundesweit umgelegt werden. Es kann nicht sein, dass wir in Brandenburg die höchsten Netzentgelte zahlen, welche dem notwendigen Netzausbau geschuldet sind.“ Neue Windkraftanlagen müssten nicht aufgestellt werden, „solange nicht die bereits produzierte Menge nutzbar ist“.

Wir Stromkunden zahlen 50 Millionen Euro für ungenutzten Strom

Saskia Ludwig, CDU-Abgeordnete aus Potsdam

Dem Monitoringbericht der Bundesnetz-Agentur ist zu entnehmen, dass von Beginn eines Genehmigungsverfahrens bis zum Ausbau einer Freileitung zehn Jahre vergehen können – wie das Beispiel der „Uckermarkleitung“ zeigt. Eine Ursache nannte die CDU-Abgeordnete Saskia Ludwig unlängst im Energie-Ausschuss: „Es fehlt an Planungskapazität in den Ministerien. Die Abstimmungsprozesse sind kompliziert und langwierig.“ Deswegen könne im Norden keine zusätzliche Energie eingespeist werden, „da die Netze zu schwach sind“. Die Planungs- und Genehmigungsproblematik gehe auf Kosten der Stromkosten, kritisierte sie: „Wir, also die Stromkunden, zahlen allein in Brandenburg 50 Millionen Euro für nicht genutzten, aber produzierten Strom.“

Neue und stärkere Freileitungen schaffen womöglich neue Probleme

Grundlegend anders sieht das Peter Vida, Fraktionschef des Bürgerbündnisses/Freie Wähler. Vida sieht das Hauptproblem im Erneuerbare-Energien-Gesetz. Es subventioniere die Überproduktion von grünem Strom. Darüber hinaus, so Vida, gebe es ein Strukturproblem, das mit mehr oder stärkeren Freileitungen nicht gelöst werden kann. Die Kosten neuer oder stärkerer Leitungen, etwa vom windenergiestarken Norden in den Süden Deutschlands, würden die Kosten subventionierter Windkraft verdoppeln, so der Frontmann der Freien Wähler. Davon abgesehen, wäre das auch aus Gründen des Landschafts- und Naturschutzes problematisch. Sein Vorschlag: weniger Windkraft in Brandenburg, mehr Photovoltaik und mehr Biogas – das alles mit dem Ziel: dezentrale Versorgung.

Erneuerbare Energien liefern fünfmal mehr Strom als notwendig

Beispiele für große Überkapazitäten kennt allerdings auch Edis-Sprecher Horst Jordan. 2021 sei „die Gesamtleistung von Windenergie- und Photovoltaikanlagen in unserem Netz schon um etwa das Fünffache höher als die maximale Verbrauchslast“. Es gebe Regionen, in denen die Leistung der Anlagen für Erneuerbare Energien die Verbrauchslast im Netz „um den Faktor 100 und mehr“ übersteige. Damit das Netz der Leistung der Anlagen gerecht werde, müssten viele der 110-Kilovolt-Freileitungen erneuert und verstärkt werden.

Dabei sind nicht die Kosten das Problem. Edis-Sprecher Jordan zufolge hat das Unternehmen allein 2022 etwa 200 Millionen Euro in den Ausbau der Netze Brandenburgs und Mecklenburg-Vorpommerns investiert. „Das Haupthindernis beim Ausbau des Stromnetzes sind weiterhin die Genehmigungsverfahren. Deshalb müssen wir für die Erneuerung unserer Hochspannungsanlagen einen Realisierungszeitraum von jeweils acht Jahren veranschlagen“, sagt er. Demgegenüber könne eine Anlage für Erneuerbare Energie innerhalb eines Jahres errichtet werden.

Der Planungsaufwand für Stromleitungen wird immer größer

„Insbesondere in Brandenburg“ ist laut Jordan der Planungsaufwand für Genehmigungen deutlich größer geworden. Weil der Netzausbau „im öffentlichen Raum“ stattfinde, seien die Bewohner einer Region hinsichtlich der Naturschutz-Interessen „angemessen zu berücksichtigen“. Dadurch verschöben sich zahlreiche Bauvorhaben „deutlich in die Zukunft“, so Edis-Sprecher Jordan.

Mit anderen Worten: In absehbarer Zeit wird der Netzausbau nicht schneller gehen.

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