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Statt die Energiewende voranzutreiben, legt China die Grundlage für eine noch stärkere Kohlenutzung.

© IMAGO/VCG

Rückschlag für die Energiewende: Stoppt Chinas Kohlepläne – ein Moratorium muss her

China baut gerade riesige Kapazitäten an Kohlekraft zu – und plant weitere. Ein Neubau-Stopp muss dem ein Ende bereiten. Die Klimakonferenz bietet dafür eine Chance.

Ein Kommentar von Sinan Reçber

China baut Kohlekraftwerke ohne Ende – und die Welt kann nur dabei zuschauen, wie das Land damit den Klimaschutz torpediert. Dieser Eindruck erhärtet sich zumindest beim Blick auf die neuesten Daten der Organisation „Global Energy Monitor“ (GEM). Die Volksrepublik hat Stand Januar 2023 rund 90 Gigawatt (GW) neue Kohlekapazitäten genehmigt, noch mehr befinden sich im Bau. Zum Vergleich: Zur selben Zeit lag die in Deutschland installierte Kohleleistung bei rund 36 GW.

Der massive Neubau ist fatal: Zum einen bindet sich China mit den Milliardeninvestitionen in die Kohlekraft langfristig an fossile Energien. Es ist also ein „Lock-in“-Effekt zu befürchten, durch den die Wirtschaft sich nur noch schwer von der gebauten Infrastruktur loslösen könnte. Damit würde das Land über Jahre und Jahrzehnte weiter Kohle verbrennen und seine eigenen Klimaziele unterminieren. Mit seiner jetzigen Politik befeuert Peking die globale Erwärmung in Richtung drei Grad, wie das Forschungsprojekt „Climate Action Tracker“ zeigt. Eine aufstrebende Welt- und Wirtschaftsmacht wie China hat die Verantwortung, eine solche Eskalation der Klimakrise zu verhindern.

Bis 2040 müssten die Nationalstaaten weltweit alle bestehenden Kohlekraftwerke ausrangieren, um die globale Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen – die reicheren Staaten bereits bis 2030. Und nimmt man China aus der Bilanz, geht der weltweite Kohleausstieg auch voran. Doch selbst dann wäre das noch zu langsam im Kampf gegen die Klimakrise: Der Wandel müsste für die Pariser Klimaziele laut GEM-Analyse mehr als viermal so schnell ablaufen. Mit der Entwicklung in China haben die weltweiten Kohlekapazitäten im vergangenen Jahr sogar um ein Prozent zugenommen.

Deshalb sollte China ein sofortiges Moratorium für den Bau neuer Kohlekraftwerke verhängen. Der Druck von außen für eine solche Kehrtwende muss jetzt steigen. Von innen wird der notwendige Druck auf Peking jedenfalls ausbleiben – in einer Autokratie kann sich kaum eine schlagkräftige Klimabewegung für den Erhalt der Lebensgrundlagen bilden.

Neue Kohlekraft könnte Erneuerbaren-Ausbau bremsen

Für ein Kohle-Moratorium in China, aber auch in anderen reicheren Staaten, sollten sich Deutschland und andere Länder stark machen. Die anstehende Klimakonferenz in Dubai wäre ein willkommener Anlass dafür. Einfach wird das nicht, zumal der Boss eines staatlichen Öl-Konzerns die Klimakonferenz leiten wird. Doch niemand hat behauptet, dass beim Kampf gegen die Klimakrise Widerstände und Konflikte ausbleiben werden.

Viele neue Kohlekraftwerke in China bergen außerdem die Gefahr, dass die örtliche Stahl- und Chemieindustrie verschwenderisch mit Strom umgeht. Für die Energiewende müsste die Wirtschaft wie in anderen Ländern auch stattdessen mehr Energie sparen. Darüber hinaus könnten neue fossile Anlagen eine andere beeindruckende Entwicklung ausbremsen – den gigantischen und notwendigen Ausbau der Wind- und Solarenergie in dem Land.

Diese Erneuerbaren sind letztlich die Grundlage für den Kohleausstieg sowie eine klimaschonende Wirtschaft in China und anderswo. Wie viele chinesische Expert:innen bereits angedacht haben, sollten die Unternehmen in dem Land bestehende Kohlekraftwerke für einen flexiblen Einsatz umbauen und diese für einen kurzen Übergangszeitraum nur dann in Betrieb nehmen, wenn der Strombedarf besonders groß ist. So würde auch im schwach ausgebauten chinesischen Stromnetz Platz für grünen Strom freiwerden.

Der Rückschlag beim globalen Kohleausstieg bedeutet nicht, dass Deutschland und der Rest der Welt seine Klimaschutz-Bemühungen einstellen sollten, weil Chinas Energiepolitik Erfolge konterkariert. Jedes Zehntel Grad beim Klimaschutz zählt. Nicht-Handeln ist keine Option angesichts drohender katastrophaler Folgen wie extreme Hitze, Überschwemmungen und Dürren. Das gilt erst recht für die westliche Welt, weil sie historisch gesehen den größten Teil des bisherigen Klimawandels verantwortet.

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