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Sultan Ahmed Al Jaber leitet den staatlichen Ölkonzern Abu Dhabi National Oil Company.

© AFP / -

COP-Präsidentschaft: Ein Öl-Boss leitet die Klimakonferenz? Was für eine Farce

Die Fossilindustrie wird die Spitze der Klimadiplomatie besetzen. Die Emirate sollten die Entscheidung revidieren – und die Zivilgesellschaft dagegen ankämpfen.

Ein Kommentar von Sinan Reçber

Würden Sie einem Vertreter der Tabakindustrie den Kampf gegen Lungenkrebs überlassen? Oder eine Casino-Besitzerin dazu beauftragen, gegen Spielsucht vorzugehen? Lautet ihre Antwort nein? Dann lassen Sie sich diese Nachricht auf der Zunge zergehen: Die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) übernehmen 2023 die Präsidentschaft für die Klimakonferenz – und haben an die Spitze den Geschäftsführer von einem der größten staatlichen Ölkonzerne gesetzt. Sultan Ahmed Al Jaber heißt der Mann, und er leitet die Abu Dhabi National Oil Company.

Eine der wichtigsten Plattformen im Kampf gegen die Klimakrise wird von der fossilen Industrie gekapert. Das ist nicht weniger als ein Skandal. Denn es ist dieselbe Lobby, die jahrzehntelang Zweifel an der Klimakrise gesät und wirksamen Klimaschutz auf allen politischen Ebenen torpediert, verzögert und weichgespült hat.

Es ist dieselbe Lobby, die wusste, dass die Verbrennung von Öl, Kohle und Erdgas die globale Erwärmung in gefährlichem Maße befeuert. Das Ergebnis sehen wir heute: überschwemmte Städte, brennende Wälder und ausgedörrte Äcker.

Hoffnung in Klimakonferenz zerschlägt sich

Ein Vertreter der Öl-Lobby sitzt jetzt also im klimapolitischen Chefsessel und soll die fossile Geschäftsgrundlage beerdigen. Er soll den Weg für mehr Wind- und Solarenergie, Batteriespeicher und grünen Wasserstoff ebnen. Was für eine Farce. Es besteht der Verdacht, dass die VAE mit Al Jaber eher die Pfründe der fossilen Industrie sichern wollen.

Da hilft es auch nichts, dass „Seine Exzellenz“ über Jahre hinweg in der Klimapolitik mitgemischt hat, den Ausbau der Erneuerbaren befürwortet und heute auch Minister für Industrie und fortgeschrittene Technologien in den VAE ist.

Die internationale Klimadiplomatie hat einen Ruf zu verlieren, ebenso wie alle Staats- und Regierungschefs, die auch in diesem Jahr am Gipfel in den Emiraten teilnehmen wollen. Im vergangenen Jahr bezeichnete Klimaaktivistin Greta Thunberg die Klimakonferenz in Ägypten als „Greenwashing“-Veranstaltung.

Das war so polemisch wie falsch. Denn es sind auch die Klimakonferenzen, die das Pariser Abkommen 2015 möglich gemacht haben. Der Vertrag bietet heute die völkerrechtliche Grundlage dafür, die globale Erwärmung auf unter zwei Grad zu begrenzen, und möglichst auf 1,5 Grad.   

Jetzt muss man sagen: Mit einem Öl-Mann an der Spitze der Klimakonferenz lässt sich wenig mehr als Greenwashing erhoffen. Zwar haben sich die Emirate auch dazu bekannt, ihre Emissionen bis 2050 unterm Strich auf null zu senken und so zum Klimaschutz beizutragen. Doch bisher krankte der Kampf gegen die Klimakrise nicht an zu wenig Zielen – im Gegenteil.

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Er krankte an zu vielen warmen Worten und an zu wenig konkreten und notwendigen Taten: mehr Windräder, mehr Solaranlagen – und die Abwicklung der fossilen Industrie. Die Bilanz spricht gegen Al Jaber: Unter seiner Leitung hat der staatliche Ölkonzern Milliarden über Milliarden in fossile Infrastrukturen investiert – und die Ölproduktion hochgefahren.

Um Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen, sollten die VAE Al Jaber schleunigst gegen einen Menschen mit mehr Integrität austauschen. Warum ausgerechnet dieser Mann? Dass sie jemand anderen als einen Öl-Lobbyisten die Klimakonferenz leiten lassen, ist nicht zu viel verlangt.

Diplomaten, Aktivistinnen und die Zivilgesellschaft sollten bis dahin möglichst viel Druck ausüben. Die Menschheit hat keine Zeit mehr im Kampf gegen die Klimakrise zu verlieren. Sie rast auf eine globale Erwärmung in Richtung drei Grad Celsius zu. Und auf den guten Willen der Ölindustrie ist kein Verlass.

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