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In Deutschland könnten Bahnsteige bald wieder leer bleiben.

© picture alliance/dpa/Moritz Frankenberg

Update

Rasche Bahnstreiks immer wahrscheinlicher: GDL lehnt Verhandlungen mit Vermittlern ab

Die Bahn steht vor schwierigen Gesprächen mit der Lokomotivführergewerkschaft GDL. Personalvorstand Martin Seiler wollte sich deshalb externe Hilfe holen.

| Update:

Bahnkunden müssen bald wieder mit größeren Warnstreiks rechnen. Auch der starke Reiseverkehr rund um Weihnachten und den Jahreswechsel könnte betroffen sein. Am 9. November beginnt die Tarifrunde der bundeseigenen Deutschen Bahn mit der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL).

Beobachter rechnen mit einer harten Auseinandersetzung, zumal die GDL den Tarifabschluss der größeren und konkurrierenden Bahngewerkschaft EVG übertreffen und ihren Einfluss weiter ausweiten will.

Die GDL fordert bei rund 60 Unternehmen der Branche eine monatliche Entgelterhöhung von 555 Euro, eine einmalige Inflationsprämie von 3000 Euro sowie eine auf 35 Stunden verkürzte Wochenarbeitszeit bei vollem Entgeltausgleich für Schichtarbeiter. Damit sollen Bahnberufe attraktiver werden. Der neue Tarifvertrag soll zudem nur zwölf Monate laufen. Die Friedenspflicht endet mit dem bisherigen Tarifvertrag am 31. Oktober.

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GDL will sofort streiken

Beim größten DB-Wettbewerber Transdev gab es schon zwei Verhandlungsrunden und den ersten Warnstreik. Vorigen Samstag legten Lokführer, Zugbegleiter, Disponenten und Werkstattmitarbeiter bei sechs Transdev-Unternehmen für zwölf Stunden die Arbeit nieder.

GDL-Chef Claus Weselsky steht vor seinem letzten großen Tarifkonflikt.
GDL-Chef Claus Weselsky steht vor seinem letzten großen Tarifkonflikt.

© REUTERS/ANNEGRET HILSE

Der Bahn droht Ähnliches. GDL-Chef Claus Weselsky hat angekündigt, dass es rasch größere Arbeitskampfmaßnahmen geben werde, wenn Arbeitgeber versuchten, auf Zeit zu spielen. Er schloss zudem Arbeitskämpfe in der Weihnachtszeit nicht aus.

Der Personalvorstand der Deutschen Bahn, Martin Seiler, sprach am Freitag von einer „unnötigen Eskalation“. Um „raus aus der Konfliktspirale“ zu kommen, will er gleich zu Beginn der Verhandlungen mit der GDL externe Vermittler hinzuziehen. „Ohne Vermittler hat es bei den vergangenen Tarifrunden mit der GDL nie eine Einigung gegeben“, betonte er.

Seiler stellt sich eine längere Sondierung „in einem geschützten Raum“ vor – mit Schweige- und Friedenspflicht. GDL-Chef Weselsky lehnte dieses Angebot ab – er warf Seiler vor, „Verhandlungen in der Dunkelkammer“ zu wollen. Verhandlungspartner seien er und Seiler, Konfliktberater gehörten nicht dazu. „Die Hinzuziehung von Dritten ist eine Eskalationsstufe“, sagte er Reuters. Er sehe den Konflikt geradezu heraufziehen. „Wer sich weigert, Monate davor in der Friedenspflicht Verhandlungen zu beginnen, der legt doch schon den Grundstein dafür, dass es zu einem Konflikt kommt.“

Letzte Tarifrunde für GDL-Chef Weselsky

Einfach wird eine Einigung sicher nicht. Seiler rechnete am Freitag vor, dass sich die Personalkosten für die DB aufgrund der GDL-Forderung um über 50 Prozent erhöhen würden. Besonders die Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich sieht der DB-Vorstand als Knackpunkt.

Im Schichtdienst müssten wir rund 10.000 Mitarbeiter zusätzlich einstellen.

Bahn-Personalvorstand Martin Seiler zu den Forderungen der GDL

„Im Schichtdienst müssten wir rund 10.000 Mitarbeiter zusätzlich einstellen“, sagte Seiler. „Das sind erhebliche Kosten, geht in die Produktivität“ und so viele zusätzliche Mitarbeiter ließen sich angesichts des angespannten Arbeitsmarktes auch kaum einstellen.

Für den 64-jährigen Weselsky ist es die letzte Tarifrunde vor dem Ruhestand. Der ausgebildete Lokführer aus Sachsen führt die Gewerkschaft seit 2008 und in dieser Zeit durch mehrere harte Tarifkonflikte mit dem DB-Konzern und dessen Wettbewerbern. Die GDL konnte dabei bessere Flächentarifverträge durchsetzen und ihre Zuständigkeit auf Zugbegleiter sowie Mitarbeiter in Werkstätten und Verwaltung ausweiten.

GDL will auch in Infrastruktursparten mitreden

Künftig will die GDL auch mehr Mitglieder in der Infrastruktur gewinnen. Unter dem Dach des DB-Konzerns startet am 1. Januar 2024 die neue „InfraGO“, die das bundeseigene 33.000 Kilometer große Schienennetz gemeinwohlorientiert verwalten soll. Die neue Infrastrukturgesellschaft entsteht aus der Zusammenlegung der bisherigen gewinnorientierten Aktiengesellschaften DB Netz und DB Station & Service.

Dass die GDL künftig auch Mitarbeiter der Infrastruktursparte vertreten will, nannte Seiler einen weiteren Knackpunkt. Dort habe die GDL nur wenige Mitglieder, mache sprächen von einer Handvoll.

Der Konkurrenzkampf der Bahn-Gewerkschaften wird nach Ansicht von Experten durch das Tarifeinheitsgesetz verschärft, das die frühere CDU/SPD-Regierung unter Kanzlerin Angela Merkel durchgesetzt hatte. Demnach gelten beim DB-Konzern seit Anfang 2021 nur noch Tarifverträge jener Gewerkschaft, die im jeweiligen Betrieb mehr Mitglieder hat.

Muss seit Jahren die Rivalität zweier Bahngewerkschaften managen: DB-Personalvorstand Martin Seiler.
Muss seit Jahren die Rivalität zweier Bahngewerkschaften managen: DB-Personalvorstand Martin Seiler.

© dpa / dpa/Michael Kappeler

Über die Details wird auch vor Gericht gestritten. Nach bisherigen DB-Angaben werden nun in 282 der 300 Betriebe die EVG-Tarifverträge angewendet, in nur 18 Betrieben und für rund 10 000 Beschäftigte gelte das Tarifwerk der GDL. Die GDL fordert von der Bahn jetzt, die Anwendung des Tarifeinheitsgesetzes auszusetzen. Seiler schloss das am Freitag aus.

DB und EVG hatten sich Ende August nach einem zweiwöchigen Schlichtungsverfahren auf einen neuen Tarifvertrag für rund 180.000 Beschäftigte geeinigt, der 410 Euro mehr pro Monat und eine Inflationsausgleichsprämie vorsieht.

Zuvor gab es zwei Warnstreiks. Die EVG hatte 12 Prozent Lohnerhöhung, mindestens aber 650 Euro mehr im Monat verlangt und einen Katalog mit mehr als 50 Forderungen vorgelegt. Nur eine knappe Mehrheit von 52 Prozent der Mitglieder stimmte bei der Urabstimmung dem Vorschlag der Schlichter zu.

DB-Chef Lutz verdoppelte sein Gehalt

Der letzte Tarifkonflikt zwischen DB und GDL liegt gut zwei Jahre zurück und konnte erneut nur durch Schlichtung gelöst werden. Vermittelt hatten in dem Konflikt die Ministerpräsidenten von Niedersachsen und Schleswig-Holstein, Stephan Weil (SPD) und Daniel Günther (CDU). Mitte September 2021 einigten sich beide Seiten auf eine Lohnerhöhung in zwei Stufen und auf Corona-Prämien. Ab 1. Dezember 2021 stiegen die Bezüge um 1,5 Prozent, ab 1. März 2023 um weitere 1,8 Prozent. Zudem gab es zu diesen Zeitpunkten Einmalzahlungen von 600 sowie 400 Euro.

Die GDL holte damit deutlich mehr heraus als zuvor die EVG. Beide Abschlüsse aber bedeuteten letztlich erhebliche Kaufkraftverluste für Bahnbeschäftigte an der Basis angesichts der inzwischen massiven Preissteigerungen. Die DB-Spitze dagegen konnte ihre Einkommen im vorigen Jahr massiv steigern.

Trotz der miserablen Bilanzzahlen bekam Konzernchef Richard Lutz mit 2,24 Millionen Euro doppelt so viel Geld wie zuvor, zum Grundgehalt von fast 970 000 Euro kamen Boni von 1,26 Millionen Euro. Personalvorstand Seiler verdiente 1,39 Millionen Euro (2021: 659 000 Euro). 2020 und 2021 hatte der Staatskonzern keine Boni gezahlt, nachdem in den beiden Corona-Jahren insgesamt fast 7 Milliarden Euro Verlust eingefahren worden waren.

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