zum Hauptinhalt
Brennender Regenwald in Belterra, Brasilien

© Adam Ronan/Rede Amazônia Sustentável

Amazonas am Limit: Ein Drittel geschädigt, zwei Drittel gefährdet

Der Regenwald am Amazonas ist Lebensraum rund eines Zehntels aller bekannten Pflanzen- und Wirbeltierarten der Erde. Menschliche Aktivitäten könnten seinen Untergang besiegeln.

Der Amazonas-Regenwald in Südamerika ist eine der entscheidenden Stellschrauben für das Weltklima und hat einen immensen Einfluss auf den Wasserhaushalt großer Teile Südamerikas. Große Teile dieser Region wurden in den vergangenen Jahren abgeholzt und haben das Ökosystem hundert- bis tausendmal schneller verändert als natürliche Phänomene das je getan haben, berichtet ein Team um James Albert von der University of Louisiana im US-amerikanischen Lafayette und Carlos Nobre von der Universität von São Paulo in Brasilien in der Fachzeitschrift „Science“.

In Südamerika ist die Versorgung mit Wasser und Nahrungsmitteln gefährdet, riesige Flüchtlingsströme und politische Instabilität drohen.

James Albert, University of Louisiana und Carlos Nobre, Universität São Paulo

An dieses atemberaubende Tempo können sich weder die Natur noch die Menschen in diesem Gebiet schnell genug anpassen. Aber auch der verbliebene Regenwald im Amazonasbecken leidet stark unter der Zerstückelung seiner Flächen in immer kleinere Gebiete, sowie unter im Klimawandel häufigeren und extremeren Dürreperioden und weiteren Einflüssen der Menschheit. Das berichtet eine weitere Forschungsgruppe um David Lapola von der Landesuniversität von Campinas im brasilianischen Bundesstaat São Paulo ebenfalls in „Science“. Solche Einflüsse verschlechtern bereits die Qualität von 38 Prozent der mehr als sechs Millionen Quadratkilometer Regenwald im Amazonas-Gebiet, berechnete das Team um Lapola.

Feuer, selektiver Holzeinschlag und landwirtschaftliche Nutzung schädigen und fragmentieren den verbleibenden Wald.
Feuer, selektiver Holzeinschlag und landwirtschaftliche Nutzung schädigen und fragmentieren den verbleibenden Wald.

© Marizilda Cruppe/Rede Amazônia Sustentável

Das habe enormen Einfluss auf Natur und Klima. In der Region, die rund fünfzig Prozent mehr Fläche als die gesamte Europäische Union hat, leben ungefähr zehn Prozent aller Pflanzen- und Wirbeltierarten, die der Wissenschaft bisher bekannt sind. Das Ökosystem im Amazonas-Gebiet holt etwa 16 Prozent der weltweit von allen Landpflanzen eingefangenen Mengen des Klimagases Kohlendioxid aus der Luft.

867.000
Quadratkilometer Regenwald, 2,5 Mal so viel wie die Fläche Deutschlands, wurden bis 2019 dem Anbau von Soja und für Rinderweiden geopfert.

Dass bis 2019 nach den Berechnungen der Gruppe um Albert und Nobre mit 867.000 Quadratkilometern, ungefähr die zweieinhalbfache Fläche Deutschlands, rund 14 Prozent der Regenwaldfläche Platz für den Anbau von Soja und für Rinderweiden machten, verschlechtert nicht nur die Klimabilanz massiv. „Vielmehr droht das Klima nicht nur im Amazonasbecken, sondern auch in weiten Teilen Südamerikas zu kippen“, schließt die Gruppe aus ihren Ergebnissen, die etliche Studien zusammenfassen.

Dieser Einfluss der Region beruht auf einer Art Recycling: Aus den warmen tropischen Meeren verdunstet viel Wasser, das später in Form heftiger Regenfälle auf das Land fällt. Einen sehr großen Teil dieses Wassers nehmen im Wald Pflanzen auf und verdunsten es wieder über die Blätter. Das Grün gibt die Feuchtigkeit also an die Luft zurück. Fünf- bis sechsmal wiederholt sich dieses Regen-Recycling in den feuchten Luftmassen auf dem Weg nach Westen, bis die feuchte Luft von der Gebirgskette der Anden nach Süden abgelenkt wird.

Solche Luftmassen bringen dem Süden Brasiliens, Uruguay und dem Norden Argentiniens bis in die Gegend von Buenos Aires die Niederschläge, auf die Bauern und Viehzüchter dort angewiesen sind. Werden die Regenwälder abgeholzt, kann dieser Klimamotor für große Teile Südamerikas ins Stottern geraten. „Das gesamte Klimasystem der Erde könnte sich verändern, wenn ein Kipp-Punkt überschritten wird“, warnt die Gruppe um Albert und Nobre. In Südamerika seien dadurch die Versorgung mit Wasser und Nahrungsmitteln gefährdet, riesige Flüchtlingsströme und politische Instabilität drohten.

Mit der geschlossenen Walddecke geht ein großer Einfluss auf das lokale und das kontinentale Klima Südamerikas verloren.
Mit der geschlossenen Walddecke geht ein großer Einfluss auf das lokale und das kontinentale Klima Südamerikas verloren.

© Marizilda Cruppe/Rede Amazônia Sustentável

Die Maßnahmen, mit denen diese Entwicklung noch aufgehalten werden könnte, sind längst bekannt. Das Abholzen der Regenwälder sollte sofort enden. Dabei sollten sich die Verantwortlichen aber nicht nur am Stopp des Abholzens des Regenwaldes orientieren, ergänzt die Gruppe um Lapola: „Auch die Fragmentierung der Wald-Gebiete und andere Gefahren für das Ökosystem Amazonas-Wald bis hin zu häufigeren extremen Dürreperioden durch den Klimawandel sollten bekämpft werden.“

Die Rettung des Amazonas-Regenwaldes braucht also einen raschen und durchgreifenden Klimaschutz auf dem Globus. Und einen Stopp am Raubbau des Amazonaswaldes selbst, den sich der zum Jahreswechsel zum Präsidenten Brasiliens wieder gewählte Präsident Lula da Silva zum Ziel gesetzt hat.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false