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Sie standen am Berliner Science Slam 2023 im Heimathafen auf der Bühne: (von links) Julio Brandl, Niklas Blöbaum, Lisa Mindthoff, Moderator Rainer Holl, Jens Rudat, Marco Gustav.

© science-slam.com

Berliner Science Slam: Keine Tabus beim Thema Gesundheit

Im Heimathafen Neukölln brachten Forschende aus ganz Deutschland nützliches Gesundheitswissen auf die Bühne: Von Schmerzen beim Sex über Algen als Superfood bis hin zum Werbemythos „probiotisch“.

Viele Frauen suchen jahrelang wegen ihrer Schmerzen beim Sex einen Arzt nach dem anderen auf. Die Ratschläge, die sie sich dabei anhören müssen, sind oft alles andere als hilfreich: „Trinken Sie doch vorher mal ein Glas Rotwein“, „Machen Sie Yoga“, „Gehen Sie zum Psychologen“.

Dass Gynäkolog:innen den Betroffenen solche Empfehlungen machen, fand die Sozialwissenschaftlerin Lisa Mindthoff bei der Recherche für ihre Abschlussarbeit an der Universität Köln heraus. „Viele Frauen halten die Schmerzen einfach aus, ohne mit jemandem darüber zu reden“, berichtete sie beim Science Slam auf der Bühne im Heimathafen Neukölln. Für ihr Anliegen, mit diesem Tabu zu brechen, erhielt sie donnernden Applaus.

Künstliche Intelligenz zur Krebserkennung

Das Wissenschaftsevent, bei dem Forschende ihre Projekte präsentieren, stand unter dem Motto „Generation Health“. Jeweils zehn Minuten hatten die vier Teilnehmenden Zeit, dem Publikum ihr Thema zu präsentieren. Wie, dürfen sie selbst entscheiden. Von Requisiten über Power-Point-Präsentationen bis zur Tanzeinlage war alles erlaubt. Am Ende bestimmte das Publikum mit seinem Applaus über den besten Vortrag. 

Um Laktobazillen wirklich nachhaltig im Darm anzusiedeln, müssten wir jedoch jeden Tag ein halbes Kilo probiotischen Joghurt futtern.

Jens Rudat, Biologe, über Werbung zu probiotischem Joghurt

Marco Gustav von der TU Dresden versuchte das Publikum so zu trainieren, als sei es selbst eine Künstliche Intelligenz (KI). Auf einer großen Leinwand zeigte er abwechselnd Bilder von süßen und hässlichen Tieren und gab den Zuschauer:innen Anweisungen, auf welche sie wie reagieren sollten: Auf die niedlichen Tiere mit einem verzückten Raunen, auf die hässlichen mit einem angewiderten „Bäh“.

So ähnlich, wenn auch nicht ganz so simpel, trainiert Gustav mit seinem Team KI-Systeme darauf, gutartige oder bösartige Zellen auf Bildern zu erkennen, die aus bildgebenden Verfahren wie Röntgen, MRT oder CT stammen. Mit seinen Auftritten als Slammer will er den Menschen die Angst vor neuen Technologien nehmen. „Hier geht es nicht darum, dass Maschinen die Welt übernehmen“, sagte er. Stattdessen könnten sie Früherkennung, Diagnose und Therapie von Krebs verbessern.

Niklas Blöbaum, Biotechnologe von der Universität Bielefeld, sprach über Chlorella, das nach seinen Worten „ kleinste Gemüse der Welt“. Die Grünalge, die reich an Eiweiß und anderen wichtigen Nährstoffen ist, wird als Lebensmittel der Zukunft gehandelt, die dazu beitragen könnte, die Proteinversorgung der wachsenden Weltbevölkerung zu sichern. Chlorella wird bisher vor allem in großen Teichen – zum Beispiel in der Wüste – kultiviert. Niklas Blöbaum untersucht, wie man sie in Bioreaktoren züchten und dabei Wasser und CO2 einsparen kann.

Was der probiotische Joghurt für den Darm bringt

Am Ende überzeugte Jens Rudat das Publikum: Er gewann den Slam mit seinem Vortrag: „Probiotischer Trinkjoghurt - Humbug oder einfach sexy?” Im bunten Batik-T-Shirt und ausgerüstet mit Mikroben-Plüschtieren erklärte der Biologe vom Karlsruhe Institute of Technology (KIT) auf unterhaltsame Weise die Wirkung des Lactobacillus im Körper. Die stäbchenförmigen Bakterien gelten als „gut“, weil sie gesundheitsfördernd wirken, indem sie die Darmflora und das Immunsystem stärken. „Um Laktobazillen wirklich nachhaltig im Darm anzusiedeln, müssten wir jedoch jeden Tag ein halbes Kilo probiotischen Joghurt futtern“, sagte Rudat. Die Werbung verspreche also häufig mehr als die Produkte halten können.

Außerhalb der Konkurrenz durfte beim Science Slam ein Vertreter eines Start-ups in zehn Minuten Einblicke in seine Forschung zu Gesundheit und Digitalisierung geben. Julio Brandl aus Berlin sprach über sein Start-up „Assistme“, das intelligente Windeln für pflegebedüftige Menschen entwickelt, die unter Inkontinenz leiden. Ein Sensor-Clip, der an der Windel angebracht wird, informiert das Pflegepersonal, wenn diese gewechselt werden muss.

Erste Studien in Pflegeeinrichtungen zeigen, dass sich damit nicht nur ein Viertel der Windeln einsparen ließe, die in deutschen Altenheimen verbraucht werden. Dadurch, dass Pflegekräfte die Windeln nur wechseln, wenn es auch wirklich nötig ist, verbessert sich auch die Schlafqualität der alten Menschen und die Pfleger:innen gewinnen Zeit, die für andere Tätigkeiten frei wird –im Idealfall, sich den alten Menschen intensiver zuzuwenden.

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