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Der Bart lässt Männer dominanter und aggressiver wirken.

© Unsplash

„Der Erbonkel“: Der vergessene Sinn von Bärten

Ungezähmt sind Männer hinter dem Wildwuchs in ihrem Gesicht kaum zu erkennen. Wozu das keratinöse Chaos dienen könnte, war lange unklar.

Eine Kolumne von Sascha Karberg

Dem Jugendlichen war es ja noch willkommen, das sichtbare Zeichen reifender Männlichkeit. Doch irgendwann nervte das unaufhaltsam nachwachsende Gesichtsgestrüpp nur noch. Das erhebende Gefühl der ersten Rasur wich einer Schlafenszeit raubenden, oftmals hektischen Morgenroutine, um das Stoppelfeld vorzeigbar im Zaum zu halten, ohne sich dabei Teile der Haut abzuhobeln oder fiese Schnitte zu verpassen. Der Erbonkel kapitulierte. Seitdem wächst der Bart halt, vom unvermeidlichen gelegentlichen Stutzen abgesehen.

Aber warum eigentlich? Was für einen Sinn ergibt dieser keratinöse Wildwuchs mitten im Gesicht von Homo sapiens? Welchen Gefallen meinte die Evolution dem Manne damit getan zu haben?

Besser bärtig boxen: Haare am Kinn könnten dem Menschen ursprünglich als Stoßdämpfer für Schläge rivalisierender Artgenossen gedient haben.

© IMAGO/Addictive Stock/via www.imago-images.de

Charles Darwin, im fortgeschrittenen Alter selbst Träger eines beachtlichen Rauschebarts, spekulierte noch, Haare in der Visage seien ein „Ornament“, das die männlichen Vorfahren des Menschen attraktiver und damit fortpflanzungstechnisch erfolgreicher machte. Es gibt keine Aufzeichnungen darüber, wie seine Frau Emma zu dieser Theorie stand, sie ist jedenfalls mittlerweile durch Studien widerlegt: Frauen bewerten kulturübergreifend eher rasierte Männer als attraktiv.

Allerdings werden Bärtige als aggressiver, dominanter, sozial höher gestellt eingeschätzt. Der Gesichtspelz verstärkt offenbar aggressive Mimik, was die Annahme stützt, dass der Bart eher eine Rolle bei Rivalitäten zwischen Männern spielte.

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Dazu passt, dass eine wollene Visage auch noch einen ganz handfesten Überlebensvorteil bietet: Die Kinn-Mähne dämpft Schläge ab und schützt die empfindlichen Gesichtsknochen. Zu diesem Schluss kommen David Carrier, Steven Naleway und Ethan Beseris von der University of Utah: „Die absorbierte Gesamtenergie war im Pelz 37 Prozent höher als (...) ohne Bart.“ Für die kreativen Experimente mit bebarteten Crash-Test-Dummies bekam das Team sogar einen Ig-Nobelpreis.

Eben diese Schutzfunktion vor Hieben hatte auch Darwin vermutet – allerdings als Grund für die Mähne männlicher Löwen.

Der Bart als Überbleibsel der gewaltgetränkten Geschichte des Menschen – vielleicht fängt der Erbonkel doch wieder mit der täglichen Rasur an.

Was wir zum Leben mitbekommen und was wir weitergeben – jedes Wochenende Geschichten rund um Gene und mehr in der „Erbonkel“-Kolumne.

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