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Dürren werden infolge der Klimakrise künftig deutlich häufiger auftreten und an Heftigkeit zunehmen.

© AFP/HIMANSHU SHARMA

Dringende Warnung des Weltklimarats : Warum die Zeit beim Klimaschutz mehr denn je drängt

Ohne Gegenmaßnahmen rast die Menschheit auf eine Erwärmung um 2,8 Grad zu. Doch das Ruder lässt sich noch rumreißen, sagen Forschende.

Die kommenden Jahre sind entscheidend im Kampf gegen den Klimawandel. Das ist eine Erkenntnis des Weltklimarats IPCC, der am Montag seinen Synthesereport veröffentlicht hat. Die Chance auf eine lebenswerte und nachhaltige Zukunft für alle Menschen werde angesichts knapper Zeit und mangelhaftem Klimaschutz immer kleiner, heißt es in dem Dokument, zu dem zeitgleich eine Zusammenfassung für Politiker:innen publiziert wurde.

Der Synthesebericht fasst die vorangegangenen Teilberichte des Weltklimarats zusammen und gilt als wissenschaftliche Grundlage für die im November anstehende Klimakonferenz in Dubai. Dort verhandelt die Weltgemeinschaft darüber, wie die Menschheit die globale Erwärmung auf zwei Grad und möglichst auf 1,5 Grad begrenzen kann.

Vor der Publikation des Berichts gab es mehrtägige Sitzungen im schweizerischen Interlaken. Dort rangen die Delegationen der Länder und die Autor:innen des Synthesereports um die Formulierungen – jeder einzelne Satz benötigte die Zustimmung der Beteiligten.

Konsens ist nach Ende der Sitzungen zum Beispiel: Die Treibhausgasemissionen müssen „deutlich, schnell und nachhaltig“ noch in diesem Jahrzehnt sinken – das werde zukünftige Schäden und Verluste durch den Klimawandel reduzieren.

Auf den Philippinen beispielsweise werden bei 1,5 Grad Erderhitzung fünf bis zehn Millionen Einwohner*innen infolge des Meeresspiegelanstiegs ihren angestammten Wohnort verlassen müssen. 

Anika Schroeder, Klimaexpertin des deutschen Hilfswerks Misereor

So müssten die weltweiten Treibhausgas-Emissionen bis 2030 um 43 Prozent gegenüber 2019 sinken, damit die Menschheit die globale Erwärmung langfristig auf 1,5 Grad begrenzen kann. Anschließend müssten die CO2-Emissionen bis Mitte des Jahrhunderts unterm Strich auf Null sinken.

1,5-Grad würden nach jetzigem Stand überschritten

Doch alle nationalen Beiträge zum Klimaschutz (NDCs) zusammengezählt würden die Emissionen bis 2030 in etwa auf dem Niveau von 2019 stagnieren lassen. „Das macht es wahrscheinlich, dass die Erwärmung 1,5 Grad Celsius im 21. Jahrhundert überschreitet“, schreiben die Autor:innen des Synthesereports.

Einer von ihnen ist Matthias Garschagen, Professor für Anthropogeographie an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Die Dringlichkeit beim Klimaschutz sei angestiegen, sagte er in einer virtuellen Pressekonferenz des Science Media Centers am Montag.

Klima lässt sich kostengünstig schützen

„Die letzten Jahre sind wir einfach nicht so vorangekommen, wie wir es gerne wollten“, erklärte Garschagen und verglich die notwendigen Emissionsreduktionen mit einem Wettrennen. „Wenn Sie einen Marathon in einer gewissen Zeit laufen möchten, und Sie laufen die ersten 30 Kilometer langsamer, als Sie es für den Schnitt bräuchten, müssen Sie die letzten Kilometer schneller laufen.“ So sei auch zu erklären, warum der Weltklimarat rasches Handeln stärker betont als in den Berichten davor.

2,8
Grad Erwärmung werden bei mangelhaftem Klimaschutz bis 2100 erwartet.

Nach den Berechnungen im Synthesereport würde der derzeit mangelhafte Klimaschutz zu einer globalen Erwärmung von 2,8 Grad bis zum Jahr 2100 führen. Zum einen werde verzögerter Klimaschutz den Klimawandel weiter befeuern. Zum anderen würden die Kosten in einem solchen Fall durch vermehrte Wetterextreme wie Dürren und andere Folgen ausufern. Ab einem bestimmten Punkt könnten sich weder Menschen noch Ökosysteme an den Klimawandel anpassen.

Wie bereits in den Teilberichten zuvor listet der Weltklimarat in seinem Synthesereport zahlreiche mögliche Maßnahmen für den Klimaschutz auf. Es brauche einen „schnellen und weitgehenden Wandel“ über verschiedene Wirtschafts- und Lebensbereiche hinweg, heißt es darin.

Große Beiträge zum Klimaschutz kommen demnach durch den Ausbau der Solar- und Windenergie und mehr Energieeffizienz, zum Beispiel durch sparsamere Fahrzeuge und gedämmte Gebäude. Auch ließe sich das Klima schützen, indem Unternehmen die Methanemissionen aus dem Kohleabbau, der Öl- und Gasförderung sowie aus der Abfallwirtschaft begrenzen. Die genannten Maßnahmen reduzieren die Emissionen zu Kosten von 20 US-Dollar pro eingesparter Tonne CO2 – und gelten damit als besonders kostengünstig.

„Emissionen in allen Sektoren verringern“

Auch im Verkehrssektor müsste sich laut dem Weltklimarat einiges tun. Hier könnten den Autor:innen zufolge nachhaltige Biokraftstoffe, emissionsarmer Wasserstoff und seine Derivate den Klimaschutz in der Schifffahrt, der Luftfahrt sowie im Schwerlastverkehr vorantreiben.

Elektrische Fahrzeuge, betrieben mit grünem Strom, hätten darüber hinaus großes Potential, die Emissionen im Verkehr an Land zu reduzieren. Fortschritte bei den Batterietechnologien könnten dabei helfen, auch Lastkraftwagen zu elektrifizieren und elektrische Bahnsysteme zu unterstützen.

Ottmar Edenhofer, Klimaökonom am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, sagte am Montag: „Der sechste Synthesereport des IPCC verdeutlicht, dass wir die 1,5-Grad-Grenze noch einhalten können, wenn wir jetzt rasch handeln und Treibhausgasemissionen dauerhaft in allen Sektoren verringern.“

Dafür brauche es auch Technologien für die Entnahme von Kohlendioxid aus der Atmosphäre, deren Einsatz mit „moderaten ökonomischen Kosten“ verbunden sei. In der Regel zählen zu den Technologien industrielle Luftfilteranlagen, die CO2 abscheiden können.

Vor den Folgen der Klimakrise warnte anlässlich des Synthesereports am Montag Anika Schroeder, Klimaexpertin des deutschen Hilfswerks Misereor: „Auf den Philippinen beispielsweise werden bei 1,5 Grad Erderhitzung fünf bis zehn Millionen Einwohner*innen infolge des Meeresspiegelanstiegs ihren angestammten Wohnort verlassen müssen.“ Bei zwei Grad wären es schon 20 Millionen. Jedes Zehntelgrad an vermiedenem Temperaturanstieg zähle.

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