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Viele Menschen in der betroffenen Region haben wegen der Dürre ihr Vieh verloren.

© IMAGO/ZUMA Wire/Sally Hayden

Humanitäre Krise am Horn von Afrika: Die Dürre ist menschengemacht und weitere sind wahrscheinlich

Wie die globale Erwärmung mit regional und zeitlich begrenzten Klimaereignissen zusammenhängt, wird erforscht. Für Ostafrika liefert eine Analyse nun eindeutige Ergebnisse.

Der Mensch verursacht den Klimawandel und der Klimawandel verursacht die derzeitige Dürre in Ostafrika. Der erste kausale Zusammenhang gilt lange als erwiesen, den zweiten zwischen dem Ausstoß von Treibhausgasen und der drohenden Hungersnot am Horn von Afrika belegt nun die Analyse eines internationalen Forschungsteams.

Der Klimawandel hat die Wahrscheinlichkeit einer landwirtschaftlichen Dürre im Gebiet um ein Vielfaches erhöht und die derzeitige extreme Trockenheit wäre ohne die Erwärmung überhaupt nicht aufgetreten, teilte die internationale World Weather Attribution Group mit.

„Diese Studie zeigt sehr deutlich, dass Dürre viel mehr ist als nur Mangel an Regen und dass die Auswirkungen des Klimawandels stark davon abhängen, wie anfällig wir sind“, sagte die leitende Forscherin Friederike Otto vom Imperial College London.

Schwieriger Nachweis

Attributionsforschende untersuchen, welchen Anteil der Klimawandel an Ereignissen wie Dürren oder Überschwemmungen hat. Diese sind oft kurzzeitig und hängen direkt mit dem Wetter in einem begrenzten Gebiet zusammen. Der Klimawandel ist dagegen eine langsame, global und dabei regional unterschiedlich ausfallende Veränderung.

In Kenia können die Menschen nicht ausreichend mit sauberem Trinkwasser versorgt werden.

© imago/Xinhua/Dong Jianghui

Um seine Auswirkungen auf die Dürre im südlichen Äthiopien, Somalia und im östlichen Kenia zu bemessen, analysierten die Wissenschaftler:innen um Otto Wetterdaten und Computersimulationen für die Region. Sie verglichen das heutige Klima – nach einer globalen Erwärmung um etwa 1,2 Grad Celsius – mit dem Klima zuvor.

Seit Oktober 2020 herrscht in weiten Teilen Ostafrikas große Trockenheit, unterbrochen von nur kurzen Regenepisoden, die häufig zu Überschwemmungen führten. In Äquatornähe gibt es keine Jahreszeiten wie etwa in Europa, sondern bei fast gleichbleibenden Tages- und Nachtlängen ganzjährig warme und trockene Witterung mit niederschlagsreichen Regenzeiten. In der langen Regenzeit, meist in den Monaten März bis Mai, fällt normalerweise der größte Teil des jährlichen Niederschlags. Zwischen Oktober und Dezember gibt es eine kurze Regenzeit, mit weniger und unbeständigerem Niederschlag.

Fünf ausgefallene Regenzeiten

„Die Menschen am Horn von Afrika kennen Dürren, aber die Dauer dieses Ereignisses übersteigt ihre Möglichkeiten, damit umzugehen“, sagte Co-Autor Cheikh Kane, Berater am Rotkreuz- und Rothalbmond-Klimazentrum. In seinem eigenständig veröffentlichten Report berichtet das Team, dass niederschlagsarme lange Regenzeiten mittlerweile etwa doppelt so häufig auftreten wie vor der aktuellen Erwärmung.

In den Jahren 2021 und 2022 lagen die Messwerte deutlich unter dem langjährigen Durchschnitt. Zwar werden die kurzen Regenzeiten tendenziell niederschlagsreicher, die letzten drei fielen jedoch ebenfalls zu trocken aus, was mit dem in diesen Jahren vorherrschenden Klimaphänomen La Niña zusammenhängen könnte.

Mittlerweile fiel in fünf aufeinanderfolgenden Regenzeiten in der Region zu wenig Niederschlag. Die Weltwetterorganisation WMO schätzt die Dürre als die schwerste seit 40 Jahren ein. „Kombiniert mit der Regenabhängigkeit der Menschen, Konflikten und instabilen Staaten, führt das zu einer humanitären Katastrophe“, sagte Kane.

„Die Studie verdeutlicht die Dringlichkeit, die Resilienz der Region gegenüber dem Klimawandel zu stärken“, sagte Lisa Murken vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung dem Tagesspiegel. Analysen, wie die der World Weather Attribution Group, lieferten wichtige Evidenz für den Zugang zu benötigter Klimafinanzierung.

„Wir müssen in allen Lebensmittelsystemen innovativ sein, die Zusammenarbeit verbessern, gefährdete Gruppen einbeziehen, Daten und Informationen optimal nutzen sowie neue Technologien und traditionelles Wissen einbeziehen“, sagte Studienmitautorin Joyce Kimutai vom kenianischen Wetterdienst.

Weitere Dürren sind wahrscheinlich

Das Forschungsteam benennt den Temperaturanstieg aufgrund der globalen Erwärmung als entscheidenden Faktor. Bei höheren Temperaturen geben Pflanzen mehr Feuchtigkeit an die Umgebung ab, im Ergebnis ist weniger Wasser für sie verfügbar. Es gab große Ernteausfälle, schlechte Weidebedingungen, Viehsterben, weniger verfügbares Oberflächenwasser und Konflikte in der Region.

Über vier Millionen Menschen sind auf humanitäre Hilfe angewiesen und zudem sind mindestens 180.000 Menschen aus Somalia und Südsudan nach Kenia und Äthiopien geflohen. Die Ernährung von etwa 20 Millionen Menschen ist akut gefährdet.

„Für viele Familien ist jeder Tag ein Überlebenskampf“, sagte Unicef-Sprecherin Christine Kahmann dem Tagesspiegel. Die UN-Kinderhilfsorganisation schätzt, dass allein in Somalia im vergangenen Jahr mehr als 20.000 Kinder unter fünf Jahren wegen der Dürre ihr Leben verloren haben. „Die Auswirkungen des Klimawandels sind dort in den abwechselnden Wetterextremen aus Dürreperioden und Überschwemmungen besonders deutlich spürbar“, so Kahmann.

Mit Hilfslieferungen an Somalia konnte eine Hungersnot vorerst abgewendet werden.

© imago/photothek/Florian Gaertner

In einer um 1,2 kühleren Welt hätte die Kombination der erhöhten Verdunstung und der ausgebliebenen Niederschläge keine landwirtschaftliche Dürre bewirkt, berichtet die World Weather Attribution Group. Im heutigen Klima wurde die Dürre jedoch außergewöhnlich stark. Das Team führt dies vor allem auf die erhöhte pflanzliche Verdunstung zurück.

„Der Klimawandel verstärkt Ereignisse wie die derzeitige Dürre und lässt sie häufiger auftreten“, folgern die Forschenden. Nach ihrer vorsichtigen Schätzung sind vergleichbare Dürren heute etwa 100-mal wahrscheinlicher als vor der Erwärmung.

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