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So sieht ein ehemaliger Weltmeister aus: Die Tandem-Solarzelle aus der Gruppe um Steve Albrecht vom Helmholtz-Zentrum Berlin erreichte mit dieser Solarzelle Ende 2022 einen Fotovoltaik-Weltrekord.

© Johannes Beckedahl/Lea Zimmerman/HZB

Effektive und billige Solarzellen: Siegeszug des gemischten Doppels

Eine hauchdünnen Schicht Perowskit auf einer dicken Schicht Silizium ist die Revolution in der Fotovoltaik. Die neue Solarzelle ist nicht nur besser, sie könnte auch die Abhängigkeit von China beenden.

Ein Weltrekord jagte den nächsten – jedoch nicht auf der Radstrecke, sondern in der Fachzeitschrift „Science“. Drei Rekorde hintereinander dürften auch im Wissenschaftsblatt eine Premiere sein: Die Weltrekordhalter verkünden neuartige Solarzellen, die Sonnenenergie viel besser als bisher in elektrische Energie umsetzen.

Im Juli 2022 verkündete eine Schweizer Gruppe um Christophe Ballif vom Zentrum für Elektronik und Mikrotechnik in Neuchâtel und von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne den ersten Rekord: Eine Solarzelle mit einem Wirkungsgrad von 31,25 Prozent. Kurz vor Weihnachten überholte Steve Albrechts Team vom Helmholtz-Zentrum Berlin, die auf 32,5 Prozent hochschraubten. Letztendlich knackte im Mai 2023 die Gruppe um Stefaan De Wolf von der König-Abdullah-Universität für Wissenschaft und Technologie in Saudi-Arabien die Bestmarke: 33,7 Prozent. Ein neuer Weltrekord.

Die drei Forschungsgruppen kochen alle mit dem gleichen Wasser: Ihre Solarzellen sind ein gemischtes Doppel aus der bekannten Siliziumschicht und einer Perowskitschicht.

Eine solche Tandem-Solarzelle aus der Gruppe um Steve Albrecht vom Helmholtz-Zentrum Berlin erreichte mit einer dicken Silizium-und einer sehr dünnen Perowskit-Schicht Ende 2022 einen Fotovoltaik-Weltrekord.

© Eike Köhnen/HZB

„Um den rasch wachsenden Bedarf an nachhaltiger elektrischer Energie zu decken, brauchen wir auch Perowskit-Solarmodule“, erklärt Jan-Philipp Becker, der auch an Perowskit-Solarzellen am Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung in Stuttgart forscht.

Europa kann aus der chinesischen Abhängigkeit kommen

Die dominanten Silizium-Solarzellen werden überwiegend in China produziert, was eine Abhängigkeit von China erzeugt. Perowskit-Solarzellen könnten ein wichtiger Schritt aus der chinesischen Abhängigkeit sein. Wie schnell das gehen kann? „Immerhin ist der Weg von den Rekorden im Labor bis zur industriellen Herstellung großer Mengen in den vergangenen Jahren immer kürzer geworden“, erklärt der Forscher weiter. „Wir sollten also nicht den Anschluss verpassen.“

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Genau das ist in Europa und den USA bei den bisher verwendeten Silizium-Solarzellen passiert. Die hatten in den vergangenen Jahren einen Siegeszug: immer höhere Wirkungsgrade und immer günstigere Module. Aber die Entwicklung stagniert. „So liegt der Weltrekord für die Wirksamkeit von Silizium-Solarzellen zurzeit bei 26,8 Prozent“, erklärt Stefaan De Wolf. Theoretisch können maximal 29,4 Prozent erreicht werden.

Wirkungsmechanismus des gemischten Doppels

Der Grund dafür steckt in der Physik: Silizium-Zellen nutzen fast nur den infraroten und roten Anteil des Sonnenlichts, um die negativ geladenen Elektronen anzuregen. Die Teilchen bewegen sich dann frei und treiben so, als elektrischer Strom, einen Kühlschrank oder einen Motor an, bevor sie wieder zur Solarzelle zurückfließen.

Perowskit-Solarzellen können dagegen so entworfen werden, dass sie die blauen und grünen Lichtanteile nutzen. Werden nun Silizium und der Perowskit kombiniert, nutzt der Perowskit-Teil das blaue und grüne Licht, um die Elektronen anzuregen, lässt aber reichlich Rot und Infrarot für den Betrieb der Silizium-Schicht durch. Ein solches Tandem nutzt das Sonnenlicht also viel effizienter aus als eine Solarzelle, die nur aus einem dieser Materialien besteht.

Die klassischen Solarzellen werden wohl den Großteil der Energiewende tragen.

© dpa/Christoph Schmidt

Schwächen sind für die Forscher nur Chancen

Aber das Tandem ist nicht perfekt. Die Hürden der Technologie meistern die Forschungsteams unterschiedlich. So ist die Perowskit-Schicht einen tausendstel Millimeter dünn und daher billig. Nur lassen sich die hauchdünnen Schichten auf der Solarscheibe nicht so einfach herstellen. Um das zu schaffen, ätzt die Schweizer Gruppe die Oberfläche einer Silizium-Scheibe so, dass eine Reihe winzigster Pyramiden aus seiner Oberfläche ragt, die mehr Strahlung hereinlässt und so die Ausbeute erhöht. Auf diese mikroskopische Hügellandschaft wird im Hochvakuum die Perowskit-Schicht aufgedampft.

Ein anderer Nachteil ist, dass sich die entstandenen frei beweglichen Elektronen den gleichzeitig entstandenen positiven Ladungen wieder zusammentun können. Bei dieser Verbindung verschwindet der gerade entstandene Strom also gleich wieder. Die Berliner Forscher verhindern das mit einer eigens entwickelten Chemikalie.

45
Prozent könnte der Wirkungsgrad der Perowskit-Silizium-Solarzellen theoretisch betragen.

„Solche Methoden aus dem Labor müssen jetzt auf einen viel größeren Maßstab hochskaliert werden“, erklärt Becker. Das dürfte wenige Jahre dauern, bis dahin könnten die herkömmlichen Silizium-Zellen einen großen Teil der Energiewende schultern. Danach sollten dann die Tandem-Zellen einen weiteren Teil übernehmen. „Theoretisch kann ein solches Doppel sogar 45 Prozent erreichen“, erklärt Jan-Philipp Becker.

Der Weg von den Rekorden im Labor bis zur industriellen Herstellung großer Mengen ist immer kürzer geworden

Jan-Philipp Becker forscht an Perowskit-Solarzellen

Die Visionen sind groß: Vielleicht gibt es bald Solarzellen, die auf Silizium-Scheiben verzichten. Dieses Material besteht nämlich aus hochreinem Silizium, das bei 1400 Grad Celsius geschmolzen wird, um aus der Flüssigkeit die Kristalle herzustellen, die Sonnenlicht absorbieren sollen. Das kostet sehr viel Energie – und Geld. Nach einer Faustregel dauert es ein bis zwei Jahre, bis eine Silizium-Solarzelle, die bei ihrer Herstellung verbrauchte Energie wieder aus dem Sonnenlicht in elektrischen Strom umgewandelt hat.

Perowskit-Zellen lassen sich dagegen viel einfacher und damit auch billiger herstellen. Und sie lassen sich leicht verändern, sodass sie auch andere Wellenlängen verstromen. „Kombiniert man zwei solche Zellen, kann man das teure Silizium durch billigere Materialien ersetzen“, erklärt Becker. Der nächste Rekord wird also schon erwartet.

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