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Primaten wie Fettschwanz-Makis können gut räumlich sehen und leise klettern.

© imago/blickwinkel

Fette Beute im Geäst: Primaten könnten sich als Lauerjäger entwickelt haben

Nach vorne gerichtete Augen und Greifhände. Die Evolution von Primaten wie uns könnte maßgeblich von neuen Nahrungsquellen vorangetrieben worden sein.

Nur leises Rascheln in den Baumwipfeln verrät den Menschen am Boden des afrikanischen Regenwaldes, dass eine Gruppe Schimpansen durchs Kronendach klettert. Die Tiere ernähren sich dort reichhaltig mit Früchten aber gelegentlich jagen sie auch kleinere Affen. Regelmäßig wird ihr Speiseplan mit Insekten wie Termiten ergänzt. Die modernen Menschenaffen ähneln damit wahrscheinlich den allerersten Primaten, die vor rund 80 Millionen Jahren noch zu Zeiten der Dinosaurier eine Entwicklung begannen, die bis zu den heutigen Affen und zu uns Menschen führte.

Unsere gemeinsamen Vorfahren könnten damals als Lauerjäger im Geäst der Bäume gelebt haben, berichtet eine Gruppe um Yonghua Wu und Jiang Feng von der chinesischen Northeast Normal University in Changchun in der Zeitschrift „Science Advances“.

„So könnte es gewesen sein, allerdings ist diese Theorie bisher nur eine Annahme und kaum von Experimenten gestützt“, sagt Lutz Walter, der am deutschen Primatenzentrum in Göttingen Erbgut und Evolution von Primaten erforscht, an der Studie der chinesischen Gruppe aber nicht beteiligt war. „Damals waren die Umweltbedingungen ganz andere als heute, Rückschlüsse auf die Lebensweise der ersten Primaten sind daher schwierig“, sagt Walter.

Veränderungen des Fettstoffwechsels

Das Team um Yonghua Wu und Jiang Feng stützt seine These auf die Analyse von 117 Genen, nach deren Vorlage Proteine hergestellt werden, die an der Verdauung beteiligt sind. 13 dieser Gene scheinen bereits beim gemeinsamen Vorfahren der heutigen Primaten sowie den heute ausschließlich in Südost-Asien lebenden Spitzhörnchen und Riesengleitern sehr wichtig gewesen zu sein.

Die zugehörigen Proteine werden nicht nur für die Verdauung von Fetten und Proteinen benötigt, die häufig aus tierischer Kost stammen, sondern auch für die Verarbeitung von Kohlehydraten, die meist aus Pflanzen stammen. Demnach könnte dieser Vorfahre ein Allesfresser gewesen sein, argumentiert das Team.

Das scheint sich geändert zu haben, als sich die Entwicklung der Primaten vor rund 80 Millionen Jahren von der der Spitzhörnchen und Riesengleiter trennte. Das Erbgut verrät, dass dabei die Genprodukte eine wichtige Rolle spielten, die mit der Verdauung von Fett zusammenhängen. Offenbar fraßen diese Tiere gerne fetthaltige Kost.

Dabei könnte es sich zwar auch um Pflanzensamen wie etwa Nüsse gehandelt haben. Aber unter den heute lebenden nichtmenschlichen Primaten, zu denen neben Affen auch Lemuren, Loris und Koboldmakis gehören, gibt es keine reinen Samenfresser, argumentiert das Forschungsteam. Daher passe die Vorliebe für Fettes eher zu mehr tierischer Nahrung. Zudem gibt es Hinweise, nach denen die frühen Primaten kleine Säugetiere waren, die sich von Insekten ernährten.

Wie könnten diese frühen Primaten gejagt haben? Nach Meinung des chinesischen Teams deutet vieles darauf, dass sie Lauerjäger waren, die ihre Beute-Chancen mit einem Überraschungseffekt optimierten. So haben solche Tiere wie zum Beispiel Katzen und Eulen eng beieinanderstehende Augen, mit denen sie gut räumlich sehen und so die Entfernung zu ihren möglichen Opfern sehr gut einschätzen können.

Eichhörnchen nutzen beim Klettern ihre Krallen.

© picture alliance / dpa / Marius Becker

Wer seine Beute überraschen möchte, sollte sich auch möglichst leise bewegen können. Katzen schleichen geräuscharm auf weichen Sohlen. Eulen überraschen ihre Beute oft nach einem superleisen Flug. Wer wie die ersten Primaten im Geäst unterwegs ist, nutzt dazu wie etwa Eichhörnchen häufig Krallen.

Die chinesischen Forscher zeichneten Geräusche auf, die beim Klettern von Europäischen Eichhörnchen in Kiefern und Ulmen entstanden. Mit frisch geschnittenen Krallen bewegten sich diese Tiere deutlich leiser. Sollten die ersten Primaten Lauerjäger gewesen sein, müssten auch sie Krallengeräusche eher vermieden haben. Tatsächlich entwickelten sich bei ihnen an den Gliedmaßen Füße und Hände, die Äste gut umklammern können, sicheren Halt geben und gleichzeitig leises Anschleichen ermöglichen. Ähnliche Greiffüße und -hände haben sich etwa auch bei Chamäleons entwickelt, die ebenfalls zu den leisen Lauerjägern gehören.

Auf dem letzten Stück Weg zu ihrer Beute setzen diese Tiere auf den Überraschungseffekt: Chamäleons lassen ihre lange Zunge hervorschnellen und fangen damit ihre Beute. Die zu den Primaten gehörenden Koboldmakis erwischen ihr Opfer meist mit einem Sprung.

Auch ein 55 Millionen Jahre altes Primaten-Fossil aus China lässt auf einen guten Springer schließen. Mit Springen und weiten Schwüngen aber kann man nicht nur wie Eichhörnchen und Schimpansen Lücken im Geäst überwinden und auch selbst vor Fressfeinden fliehen, sondern auch Beute machen.

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