zum Hauptinhalt
Die Überreste des Höhlenlöwen mit der Nachbildung eines hölzernen Speers, wie sie Neandertaler nutzten.

© Volker Minkus. ©NLD

Funde in Deutschland: Neandertaler jagten Höhlenlöwen

Höhlenlöwen waren in Europa die gefährlichsten Tiere der jüngeren Erdgeschichte. Funde zeigen, dass Neandertaler die Großkatze jagten. Ihr Fell könnte dem Träger Respekt verschafft haben.

Von Walter Willems, dpa

Neandertaler haben Höhlenlöwen gejagt und bereits vor 200.000 Jahren Felle der Tiere genutzt. Das schließt ein internationales Forschungsteam aus Funden in Niedersachsen und Bayern. Die Studie liefert nicht nur den ersten direkten Hinweis auf Löwenjagd durch Neandertaler. Sie deutet auch darauf hin, dass der engste Verwandte des Homo sapiens dem in Europa gefährlichsten Tier der jüngeren Erdgeschichte besondere Bedeutung beimaß – ebenso wie später der moderne Mensch.

Mit einer Schulterhöhe von 1,30 Meter war der Höhlenlöwe (Panthera spelaea) größer als heutige Löwen (Panthera leo). Die Art, die in Europa erst vor etwa 12.500 Jahren ausstarb, stand an der Spitze der Nahrungskette – ebenso wie der Neandertaler und der moderne Mensch, der den Kontinent erst ab vor etwa 45.000 Jahren besiedelte. Welche Bedeutung Löwen für den Homo sapiens in Europa hatten, zeigen etwa die 34.000 Jahre alten Bilder in der südfranzösischen Höhle Chauvet und der in der Schwäbischen Alb entdeckte Löwenmensch, eine etwa 35.000 bis 40.000 Jahre alte Skulptur aus Mammut-Elfenbein.

Fell und Krallen

Die Forschungsgruppe um Gabriele Russo von der Universität Tübingen und Thomas Terberger von der Universität Göttingen berichtet nun im Fachblatt „Scientific Reports“, dass auch Neandertaler der Großkatze besondere Bedeutung beimaßen, lange bevor der moderne Mensch in Europa auftauchte. Das Team fand in der Einhornhöhle am südlichen Harzrand bei Herzberg in einer rund 200.000 Jahre alten Schicht unter anderem zwei Zehenknochen von Löwen.

An einem davon deuten Schnittmarken darauf hin, dass das Tier fachmännisch enthäutet wurde – und zwar so, dass die Krallen sichtbar am Fell blieben. Daher geht die Gruppe davon aus, dass das Fell des Löwen inklusive Krallen genutzt wurde, möglicherweise nicht nur gegen Kälte, sondern auch aus kulturellen Gründen und um es nach außen hin zur Schau zu stellen.

So könnte der Höhlenlöwe zerlegt worden sein.
So könnte der Höhlenlöwe zerlegt worden sein.

© Graphics by Julio Lacerda. ©NLD

„Der Wunsch, mit dem Fell dieses gefährlichen Tieres Respekt und persönliche Kraft zu gewinnen, wurzelt allem Anschein nach bereits in der Zeit des Neandertalers, und bis heute gilt der Löwe als herrschaftliches Symbol“, wird Terberger in einer Mitteilung des Niedersächsischen Amtes für Denkmalpflege zitiert. Jedenfalls handele es sich um den frühesten direkten Beleg für die Nutzung eines Löwenfells durch Menschen.

Kreative Gattungsgenossen

Einen Hinweis auf aktive Löwenjagd liefert der Knochen jedoch nicht. Dies schließt die Gruppe wiederum aus der Analyse eines etwa 48.000 Jahre alten Löwenskeletts, das vor fast 50 Jahren bei Siegsdorf in Oberbayern gefunden wurde. Bei einer neueren Untersuchung stieß das Forschungsteam auf eine auffällige Beschädigung einer Rippe: allem Anschein nach eine Jagdverletzung. „Die Rippenverletzung unterscheidet sich deutlich von Bissspuren großer Fleischfresser und zeigt die typischen Bruchmuster einer Verletzung durch eine Waffe“, sagt Erstautor Russo.

Der Analyse zufolge wurde das Tier wahrscheinlich durch den Stoß mit einem Speer in den Brustraum getötet. Aufgrund des Eintrittswinkels der Waffe gehen die Autoren davon aus, dass das Tier am Boden lag, als es getötet wurde, und vermutlich alt oder krank war. Schnittspuren an den Knochen belegen, dass das Fleisch abgelöst und verzehrt wurde.

Insgesamt belegten die Funde, so betont das Team, die Ähnlichkeit des Neandertalers mit dem modernen Menschen. Darauf deutet auch ein vor wenigen Jahren ebenfalls in der Einhornhöhle gefundener Knochen eines Riesenhirsches hin, den Neandertaler vor mehr als 50.000 Jahren mit einem Winkelmuster verziert hatten. Dies deuteten Forscher damals als Beleg für ästhetisches Empfinden und kreatives Schaffen.

Erst Anfang des Jahres hatte die Analyse von Funden bei Halle ergeben, dass Neandertaler vor etwa 125.000 Jahren Europäische Waldelefanten (Palaeoloxodon antiquus) jagten. Mit einer Schulterhöhe von bis zu vier Metern und bis zu 13 Tonnen Gewicht waren dies die größten Landsäuger der jüngeren Erdgeschichte, wesentlich größer als etwa Wollhaarmammuts oder Afrikanische Elefanten.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false