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Ausgetrichtert, eingetrichtert. Phonographen-Aufnahme um 1889. 

© imago/UIG/imago stock&people

Heute vor 124 Jahren: Speicher mal, wer da spricht

Schall, aber nicht Rauch: Tonaufnahmen sind seit 1877 möglich. In Wien begriff man zuerst, dass dem Aufnehmen auch ein Aufbewahren folgen musste, und etablierte eine klingende Schatzkammer.

Eine Kolumne von Richard Friebe

Menschen sind nicht immer entweder fortschrittlich oder konservativ. Sondern sogar oft beides. Ein Beispiel dafür ist das, was heute vor 124 Jahren, am 27. April 1899, in Wien passierte: Für eine hoch innovative Fortschrittstechnologie wurde eine Konservierungsinstitution ins Leben gerufen. Das „Wissenschaftliche Schallarchiv“, heute „Phonogrammarchiv der Österreichischen Akademie der Wissenschaften“. Jedenfalls gilt die Konstitution der „Phonogramm-Archiv-Kommission“ an jenem Tag als Gründungs-Event.

Der Kaiser spricht

Es war eine weitsichtige Entscheidung. Sie ermöglicht es heute nicht nur sehr konservativen Österreichern, sich der Stimme Kaiser Franz-Josefs lauschend in die gute alte Zeit der K.u.K.-Monarchie zurückzusehnen. Sondern Sprachforscher können etwa auf teils mehr als 120 Jahre alte Aufnahmen von indigenen Volksgruppen in Südamerika, Asien oder auch Grönland zurückgreifen, deren Idiome heute teils fast oder ganz verloschen sind. Musikwissenschaftler haben Zugang zu Aufnahmen von damals zeitgenössischer Musik und auch Volksliedern.

Zylinder-Phonograph, spätes 19. Jahrhundert.

© IMAGO/Design Pics

Tatsächlich war die vergleichende Erforschung von Sprachen, Dialekten und Musik von Anfang an erklärtes Ziel.

Und im Archiv der „Stimmporträts“ finden sich neben seiner kaiserlichen Hoheit auch etwa die Autorin Marie Ebner-von-Eschenbach, der Schriftsteller Arthur Schnitzler oder der junge Albert Einstein.

Vom Wachs ins Digitale

Anfangs wurden Tonaufnahmen vor allem auf Wachsrollen und Wachsplatten gemacht, eine Erfindung von Thomas Edison aus dem Jahre 1877. Dazu kamen später Zelluloid-Zylinder und ähnliche Medien. Diese zu konservieren war von Anfang an eine Herausforderung.

Die heute in solchen Tonarchiven, wie es sie auch am Berliner Ethnologischen Museum gibt, vorangetriebene Digitalisierung ist dabei nur der bislang letzte von vielen Schritten. Los ging es mit Kopien auf Metallmatrizen, später Schellack-Platten und Magnettonbändern. Probleme dabei gibt es reichlich. Schon allein die richtige Abspielgeschwindigkeit zu finden, kann eine Herausforderung sein. Denn lange nicht alle Forscher waren so gewissenhaft, einen Referenzton mit aufzunehmen und dessen Höhe schriftlich zu dokumentieren.

Auch die originalen Wachswalzen versucht man zu erhalten. Hier ist es beispielsweise wichtig, sie nicht stark schwankenden Temperaturen auszusetzen und spröde Stellen, die beim Abspielen weiter zerbröseln würden, mit Spezialmitteln zu behandeln. Damit Kaiser und Caruso schön konserviert bleiben.

Lesen Sie alle bisher erschienenen Folgen der „Tagesrückspiegel“-Kolumne hier.

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