zum Hauptinhalt
Der schwedische Chemiker Carl Wilhelm Scheele führte Experimente durch, um die Zusammensetzung der Luft zu bestimmen.

© IMAGO/Gemini Collection

Heute vor 249 Jahren: Vom Phlogiston zum Sauerstoff

Lange herrschte die Idee, brennenden Materialien würde ein geheimnisvoller Stoff entweichen. Die Entdeckung des Sauerstoffs korrigierte diesen Irrtum – und begründete die moderne Chemie.

Eine Kolumne von Sabrina Patsch

Sauerstoff ist, an der Masse gemessen, nach Eisen das zweithäufigste Element der Erde. Fast alle Lebewesen benötigen ihn zum Leben, Feuer könnte nicht brennen, Eisen würde nicht rosten. Lange Zeit war all das jedoch unbekannt. Bis in das Mittelalter hinein galt Feuer als Gabe des Himmels und neben Wasser, Luft und Erde eines der vier Ur-Elemente.

Im 17. Jahrhundert verbreitete sich dann die Vorstellung, allen Körpern entweiche bei der Verbrennung eine flüchtige Substanz namens Phlogiston, vom griechischen Wort für „verbrannt“. Diese These basierte vor allem auf der Beobachtung, dass alltägliche Stoffe, wie Holz, Kohle oder Papier, nach der Verbrennung leichter wurden. Im 18. Jahrhundert war die Theorie recht erfolgreich, weil sie einige chemische Phänomene erklären konnte. Es kamen jedoch auch Zweifel an der Phlogistontheorie auf, zum Beispiel weil andere Stoffe, wie Metalle, bei der Verbrennung schwerer werden.

Joseph Priestleys (1733-1804) pneumatischer Trog und Zusatzausrüstung zur Untersuchung von Gasen.

© imago/United Archives International

Der deutsch-schwedische Apotheker und Chemiker Carl Wilhelm Scheele führte um 1772 erste Experimente durch, um das Phänomen genauer zu untersuchen. Er erhitzte bestimmte Feststoffe in Schwefelsäure und bemerkte, dass dabei ein farbloses Gas entsteht. Er stellte fest, dass es Verbrennungen anfacht und nannte es deshalb „Feuerluft“, oder auch „Vitriolluft“ in Bezug auf den veralteten Namen „Vitriol“ von Schwefelsäure. Außerdem fand er heraus, dass unsere Atemluft aus Feuerluft und „verdorbener Luft“ besteht – Stickstoff, wie sich später herausstellen sollte.

Joseph Priestley war ein Universalgelehrter: Er war englischer Theologe, Geistlicher, Naturphilosoph, Chemiker, Pädagoge und politischer Theoretiker.

© imago images/Heinz-Dieter Falken

Zwei Jahre später, doch unabhängig von Scheele, erforschte der englische Chemiker und Theologe Joseph Priestley eine ähnliche chemische Reaktion. Er erhitzte Quecksilberoxid, ein orange-roter, giftiger Feststoff, und bemerkte ein aufsteigendes Gas, das er für reine, „phlogistonfreie Luft“ hielt. Er veröffentlichte seine Ergebnisse am 1. August 1774, heute vor 249 Jahren. Scheele publizierte sein Buch, „Chemische Abhandlung von der Luft und dem Feuer“ erst drei Jahre später und verlor damit den Ruhm für die Entdeckung des neuen Stoffs.

Weder Scheele noch Priestley wussten jedoch, dass sie ein neues Element entdeckt hatten, geschweige denn, welche Rolle es bei der Verbrennung spielte. Diese Schritte ging ab 1777 der französische Chemiker Antoine de Lavoisier. Er entwickelte die Theorie, dass bei der Verbrennung eines Stoffs nicht Phlogiston entweicht, sondern das neu entdeckte Element gebunden wird.

Er nahm jedoch fälschlicherweise an, dass das Element Grundbestandteil zur Bildung von Säuren sei, und gab ihm 1779 den Namen „Oxygenium“, was Säurebildner bedeutet. Erst 1808 fand man heraus, dass nicht Sauerstoff, sondern Wasserstoff dafür verantwortlich ist, doch bis dahin hatte sich der Name für das neue Gas etabliert. Lavoisier widerlegte die Phlogistontheorie endgültig und begründete damit die moderne Chemie.

Lesen Sie alle bisher erschienenen Folgen der „Tagesrückspiegel“-Kolumne hier.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false