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Autoabgase trugen zum sauren Regen in den 1980er Jahren bei.

© imago images/Christian Ohde/Christian Ohde, via www.imago-images.de

Heute vor 39 Jahren: Freie Fahrt für „Umweltautos“

Neuerungen, auch noch zugunsten des Umweltschutzes, werden in Deutschland häufiger mit Skepsis aufgenommen, man denke an Dosenpfand oder Klimaschutz. Auch der Katalysator löste existenzielle Sorgen aus.

Eine Kolumne von Patrick Eickemeier

Ein Bundesumweltministerium wurde erst knapp zwei Jahre später eingerichtet, doch „Waldsterben“ war eines „der Worte“ des Jahres zuvor. „Meine Damen und Herren“, sagte Innenminister Friedrich Zimmermann (CSU) am 18. September 1984, heute vor 39 Jahren, „die Bundesregierung hat heute den Start für das umweltfreundliche Auto freigegeben. Gleichzeitig wird bleifreies Benzin angeboten.“

Bleifreien Sprit braucht man, um ein Auto mit Kat zu fahren. 1984 bieten erst wenige Tankstellen „bleifrei“ an. Die Sorge ums Liegenbleiben mit leerem Tank ist schon groß, bevor die ersten Menschen in Deutschland tatsächlich auf Autos „mit Kat“ umsteigen: ab 1985. Ihnen wird das mit Nachlässen bei der Kfz-Steuer vergolten. Pflicht wird die laufende Autoabgasaufbereitung erst Jahre später.

Katalysatoren wandeln Schadstoffe aus der Benzinverbrennung wie Kohlenwasserstoffe, Kohlenmonoxid und Stickoxide zu im Vergleich unbedenklichen Stoffen wie Kohlendioxid, Wasser und Stickstoff um – je nach Auslastung des Motors und Bedingungen für den Katalysator zu sehr großen Teilen. Zimmermann wirbt für eine europaweite Aktion „Saubere Abgase“: „Die Gesundheit der Menschen, der Wälder und der gesamten Umwelt werden es danken.“

In den 1980er Jahren werden die Folgen von Luftverschmutzung in Deutschland mit dem Waldsterben deutlich sichtbar. Bereits zu Anfang des Jahrzehnts wird der Ausstoß von Schwefeldioxid aus Fabrik- und Kraftwerksschloten – einer der Zutaten zu „saurem Regen“ – begrenzt. Nun sollen auch die Stickoxide aus dem Autoverkehr, ebenfalls Säurebildner, reduziert werden.

Doch das Echo auf die wegweisende Entscheidung ist negativ. In der europäischen Gemeinschaft wird sie als Alleingang Deutschlands kritisch bewertet. Die Nachbarn lassen sich nicht für die Idee erwärmen – und fürchten wohl auch um den Absatz ihrer katlosen Autos auf dem deutschen Markt.

Auch die deutschen Autobauer sind skeptisch. Die „abrupte Einführung“ der Katalysator-Technik könne bis zu 30.000 Arbeitsplätze vernichten und weitere bei Zulieferern, heißt es in einem internen Bericht des Innenministeriums. Doch allzu abrupt wird der Kat gar nicht eingeführt.

In Japan und in Amerika gelten schon seit den 1970er Jahren strengere Gesetze zur Luftreinhaltung. Die deutschen Autobauer bauen bereits seit Jahren standardmäßig Katalysatoren in die Fahrzeuge ein, wenn auch nur in die für den Exportmarkt.

In der Bundesrepublik sollen eigentlich vom 1. Januar 1986 an nur noch Neuwagen mit Kat zugelassen werden. Doch die Widerstände sind zu groß und die Bundesregierung gewährt Autobauern und -fahrern eine Übergangszeit von vier Jahren. Erst ab dem 1. Januar 1989 wird der Katalysator Pflicht für alle Neuwagen.

Lesen Sie alle bisher erschienenen Folgen der „Tagesrückspiegel“-Kolumne hier.

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